Zirkus und Arena
[135] Lass dir auch nicht das Wettrennen der edlen Pferde entgehen: Viele Vorteile bietet der Zirkus mit seiner Menschenmenge. Du brauchst weder mit Fingerzeichen geheime Mitteilungen zu machen noch durch Winke ein Signal zu empfangen. Dicht neben deiner Dame sollst du ungehindert sitzen; [140] schmiege deine Seite immerfort, so eng du kannst, an die ihre. Und es ist gut, dass die Schranke dich zwingt, zu ihr zu rücken, selbst wenn du es nicht wolltest; das Gesetz des Ortes verlangt, dass du das Mädchen berührst. Hier suche du ein Gespräch anzuknüpfen, das euch verbindet, und alltägliche Worte mögen zuerst erklingen: [145] Dass du mir nur, mein Eifriger, fragst, wessen Pferde jetzt kommen! Und ergreife unverzüglich die Partei dessen, dem ihre Gunst gilt, wer es auch sein mag. Aber wenn der Festzug mit seinen zahlreichen elfenbeinernen Götterbildern aufmarschiert, klatsche unserer lieben Frau Venus hingebungsvoll Beifall. [149] Und wenn zufällig – wie es zu geschehen pflegt – in den Schoß des Mädchens Staub fällt, wirst du ihn mit den Fingern abschütteln müssen. Auch wenn kein Staub fällt, schüttle das Nichts dennoch fort. Jeder Anlass sei für deine Dienstfertigkeit recht. Wenn das Kleid zu tief herabhängt und auf der Erde liegt, so nimm es und heb es beflissen vom unreinen Boden auf. [155] Und als Lohn für deinen Diensteifer wird deinen Augen sofort der Anblick ihrer Beine zuteil – und sie lässt es zu. Schau außerdem zurück und achte darauf, dass kein Hintermann sein Knie gegen ihren zarten Rücken drücke. Kleinigkeiten erobern leichtsinnige Herzen. Für viele hat es sich schon gelohnt, [160] das Polster mit gefälliger Hand zurechtzurücken. Es ist auch nützlich gewesen, mit einem dünnen Schreibtäfelchen als Fächer Wind zu machen und unter den zarten Fuß ein geschwungenes Schemelchen zu stellen. Dies sind die Annäherungsmöglichkeiten, die einer neuen Liebe der Zirkus und die tränenbringende Arena auf dem unruhigen Forum17 bieten werden. [165] In jenem Sand hat oft der Sohn der Venus gekämpft, und wer bei Verwundungen zuschaute, hat nun selbst eine Wunde. Während er noch sprach und die Hand berührte, das Programm verlangte und unter Einsatz eines Pfandes wettete, wer von beiden den Sieg davontragen werde, seufzte er verwundet auf, fühlte das gefiederte Geschoss [170] und war damit selbst in das Spiel einbezogen, das er anschaute.
Gespielte Seeschlacht und Triumphzug
Wie war es doch, als Caesar kürzlich bei der Vorführung einer Seeschlacht persische und athenische Schiffe kämpfen ließ? Kamen da doch von beiden Meeren18 junge Männer und Mädchen, und in der Stadt war die ganze weite Welt vertreten. [175] Wer fand in jener Menschenmenge keinen Gegenstand für seine Liebe? Wehe, wie viele ließ Liebe zu einer Fremden Folterqualen leiden! Seht, Caesar schickt sich an, die Welteroberung zu vervollständigen. Jetzt, fernster Orient, wirst du unser sein. Parther, du wirst bestraft werden. Freut euch, ihr bestatteten Helden des Crassus [180] und ihr Feldzeichen, denen Barbarenhände Schimpf angetan haben! Der Rächer ist da, lässt trotz seiner Jugend schon den Feldherrn erkennen und übernimmt als Knabe die Führung eines Krieges, der nicht Sache eines Knaben ist. Zählt nicht ängstlich die Geburtstage von Göttern! Caesaren wird Tüchtigkeit vor der Zeit zuteil. [185] Der vom Himmel stammende Geist erhebt sich schneller als das gesetzliche Alter und erträgt schlecht den Verlust, den träges Warten bedeutet. Klein war Hercules und erdrückte doch mit den Händen zwei Schlangen; so machte er schon in der Wiege seinem Vater Iuppiter Ehre. Und du, Bacchus, noch heute ein Knabe, wie klein warst du erst, [190] als das besiegte Indien vor deinen Thyrsusstäben zitterte? Vom Glück gesegnet und jung, wie dein Vater war, wirst du, Knabe, den Krieg beginnen und siegen, jung und vom Glück gesegnet wie er. Solch einen Anfang bist du uns als Träger eines so großen Namens schuldig, jetzt der Erste unter den Jünglingen, später der Erste im Rat der Alten! [195] Da du Brüder hast, räche die Kränkung der Brüder; da du einen Vater hast, schütze die Rechte des Vaters! Des Vaterlandes Vater19, dein Vater hat dir die Waffen angelegt. Der Feind raubt das Königtum gegen den Willen deines Vaters! Du wirst heilige Waffen tragen, er fluchbeladene Pfeile; [200] vor deinen Feldzeichen werden Recht und frommer Sinn stehen. Das Recht entscheidet gegen die Parther, mögen nun auch die Waffen gegen sie entscheiden! Möge mein Feldherr Macht und Reichtum des Orients Latium einverleiben! Vater Mars und Vater Caesar, schenkt ihm bei seinem Aufbruch euren göttlichen Beistand, denn einer von euch ist schon ein Gott, der andere wird es werden. [205] Siehe, ich prophezeie es, du wirst siegen, und ich werde meine Gelübde durch Verse einlösen, und wir werden dich in großem Stil zu besingen haben. Du wirst auftreten und das Heer mit meinen Worten ermahnen (o mögen meine Worte nicht hinter deinem Mut zurückbleiben!). Und ich werde künden, wie die Parther Rücken an Rücken flohen und die Römer Brust an Brust vormarschierten, [210] und von den Pfeilen, die der Feind rückwärts vom fliehenden Ross abschießt. O Parther, der du fliehst, um zu siegen, was bleibt dir, wenn du besiegt wirst? Parther, dein Kriegsglück steht schon jetzt unter einem bösen Vorzeichen. Also wird der Tag kommen, an dem du, Herrlichster auf Erden, ganz in Gold mit vier schneeweißen Rossen einherfahren wirst. [215] Vorausgehen werden Fürsten, den Hals mit Ketten beschwert, damit sie sich nicht wie früher durch die Flucht in Sicherheit bringen können. Froh werden junge Männer zuschauen und junge Mädchen in ihrer Mitte, und allen wird dieser Tag das Herz höher schlagen lassen. Fragt dann eine von ihnen nach den Namen der Könige, [220] nach Landschaften, Bergen, Gewässern, die im Triumphzug mitgeführt werden, so gib auf alles eine Antwort – und nicht nur, wenn eine fragt. Auch was du nicht weißt, berichte, als wäre es dir wohlbekannt: »Das ist der Euphrat, die Stirn mit Schilfrohr gekrönt. Der, dem das Haar bläulich herabhängt, wird der Tigris sein. [225] Diese Leute halte für Armenier! Das ist das von Danaë stammende Persien20; diese Stadt lag in den achaemenischen Tälern21; der oder jener sind Fürsten.« Und dann magst du Namen nennen, die richtigen, wenn du sie weißt, andernfalls wenigstens passende.
Das Gastmahl
Auch Gastmähler mit gedeckten Tischen eröffnen dir einen Zugang; [230] außer dem Wein gibt es noch mehr, was du dort holen kannst. Oft hat der purpurne Amor dort mit seinen zarten Armen die Hörner des bereitstehenden Bacchus an sich gezogen und gepresst; und hat erst der Wein die durstigen Flügel Cupidos durchtränkt, bleibt er schwerfällig an dem Platz stehen, den er sich erobert hat. [235] Er schüttelt zwar schnell das feuchte Gefieder aus, doch ist es gefährlich, die Brust auch nur leicht von Amor besprengen zu lassen. Wein macht das Herz bereit und für die Glut der Leidenschaft empfänglich; durch viel unvermischten Rebensaft entflieht die Sorge und löst sich auf. Dann kommt das Lachen, dann spielt der Arme plötzlich den Stier, [240] dann schwinden Schmerz, Sorgen und Runzeln von der Stirn; dann öffnet die in unserer Zeit so seltene Einfalt die Herzen, da der Gott alle Künstelei verjagt. Dort haben oft Mädchen die Herzen junger Männer geraubt, und Venus im Wein war Feuer im Feuer. [245] Hier traue du nicht allzu sehr der trügerischen Lampe! Der Beurteilung von Schönheit schaden Nacht und Wein. Bei Tageslicht und unter freiem Himmel hat Paris die Göttinnen geprüft, als er zu Venus sagte: »Du, Venus, besiegst beide.« Bei Nacht bleiben die Mängel verborgen, man ist nachsichtig gegenüber jeglichem Fehler, [250] und die Dämmerstunde macht jede beliebige Frau schön. Geht es um Edelsteine, purpurgefärbte Wolle, schöne Gesichter und körperliche Vorzüge, so ziehe das Tageslicht zu Rate!
Treffpunkte außerhalb Roms
Was soll ich dir noch Versammlungsorte von Frauen aufzählen, die für deine Jagd geeignet sind? Die Zahl der Sandkörner wird geringer sein. [255] Was soll ich noch Baiae nennen, den Strand, der Baiae umsäumt, und das Wasser, das vom heißen Schwefel dampft? Einer, der von hier eine Wunde im Herzen nach Hause trug, hat gesagt: »Dieses Wasser war nicht so heilsam, wie man behauptet.« Siehe, da ist der Tempel der Diana im Walde vor der Stadt22 und die Königswürde, die mit frevlerischer Hand durch das Schwert23 erworben wurde! [261] Diese Diana, mag sie auch eine Jungfrau sein und Cupidos Geschosse verabscheuen,