»Es ist hoffnungslos«, erklärte Chiara leise. »Mikrochirurg… so etwas habe ich noch niemals gehört.« Sie reckte sich hoch und versuchte eine Entschlossenheit zu zeigen, die sie gar nicht besaß. »Du kannst einen Antrag auf Annullierung unserer Ehe einreichen, Elio. Ich kann dir nicht zumuten, daß du weiterhin mit einer Frau verheiratet bist, die keine Kinder bekommen kann.«
»Das ist doch Unsinn!« wehrte Elio energisch ab. »Wenn Dr. Daniel sagt, daß man solche Verwachsungen beseitigen kann, dann werden wir auch eine Klinik finden, in der so etwas gemacht wird. Abgesehen davon, daß ich dich auch dann nicht verlassen würde, wenn die Verwachsungen nicht zu beseitigen wären.«
Erleichtert ließ sich Chiara gegen ihn sinken. Elio hatte das, was er vor wenigen Tagen im Auto zu ihr gesagt hatte, also wirklich ernst gemeint, und gerade jetzt tat es ihr unheimlich gut, seine tiefe Liebe zu spüren.
Dr. Daniel war ebenfalls froh über Elios Einstellung, aber im Grunde hatte er das nach dem eingehenden Gespräch, das er in der Klinik mit ihm geführt hatte, nicht mehr anders erwartet.
»In Deutschland wäre das alles kein Problem«, fuhr Dr. Daniel jetzt fort. »Mein Freund ist ein erstklassiger Mikrochirurg, aber… Sie müßten dazu in seine Klinik nach München kommen.«
Elio und Chiara tauschten einen Blick.
»München«, murmelte Elio, dann sah er Dr. Daniel an. »Wenn Chiara operiert wird…, ich meine… es gibt vermutlich keine Garantie, daß sie danach schwanger werden kann, oder?«
»Nein, eine Garantie gibt es nicht«, gab Dr. Daniel zu. »Ich kann Ihnen nur sagen, daß Dr. Sommer schon mehrfach solche Operationen durchgeführt hat, und in sehr vielen Fällen haben die Frauen danach tatsächlich ein Baby bekommen.«
»Dann versuchen wir es«, beschloß Elio spontan.
Ein glückliches Lächeln huschte über Chiaras Gesicht, während sie nach der Hand ihres Mannes griff und sie sanft drückte.
Dr. Daniel lächelte das junge Ehepaar an. »Ich glaube, da haben Sie soeben eine gute Entscheidung getroffen.«
*
Als Stefan Daniel zum Nachtdienst in die Waldsee-Klinik kam, wartete der Chefarzt bereits auf ihn.
»Bin ich zu spät?« fragte Stefan und warf einen erschrockenen Blick auf die Uhr.
Dr. Metzler schüttelte lä-chelnd den Kopf. »Nein, Stefan, ganz und gar nicht. Du hast sogar noch eine halbe Stunde Zeit bis zu deinem Dienstbeginn, und wenn ich auf dich warte, dann bedeutet das nicht zwangsläufig etwas Schlechtes.«
Inzwischen hatten sie das Büro des Chefarztes erreicht, und Dr. Metzler ließ Stefan vorangehen, dann bot er ihm Platz an, bevor auch er sich setzte.
»Es geht um folgendes«, erklärte er. »Gerrit und ich sind heute abend bei den Gröbers eingeladen, das heißt, daß du uns im Notfall nicht zu Hause erreichen kannst. Alena hat zwar Bereitschaftsdienst, aber sie ist Gynäkologin und würde dir im Falle einer Notoperation vermutlich nicht viel nützen.«
»Kein Problem«, urteilte Stefan. »Wenn etwas sein sollte, dann rufe ich beim Gröber-Hof an. Seit Martin die Zufahrtsstaße hat bauen lassen, ist man von dort oben innerhalb einer Viertelstunde in Steinhausen.« Er grinste. »Ihr könntet natürlich auch eure Piepser mitnehmen.«
»Eben nicht«, entgegnete Dr. Metzler. »Du weißt, wie oft die Dinger in letzter Zeit schon verrückt gespielt haben. Seit zwei Tagen sind sie in Reparatur.«
»Na ja, vielleicht wird es eine ruhige Nacht«, meinte Stefan. »Und wenn nicht, dann weiß ich ja, wo ich euch erreichen kann.«
»Gut.« Dr. Metzler betrachtete die Krankenakten, die er sich hergerichtet hatte. »Auf der Station liegen noch ein paar Patienten, auf die du ein besonderes Auge haben solltest.« In knappen, präzisen Worten umriß er die jeweiligen Fälle, und Stefan machte sich Notizen.
»Ich schätze, in dieser Nacht wird es mir nicht langweilig werden«, vermutete er, als Dr. Metzler fertig war. »Wenn auf der Gynäkologie auch noch ein paar Problemfälle liegen sollten, dann bin ich rund um die Uhr beschäftigt.«
Dr. Metzler lächelte. »Das denke ich auch, aber ein bißchen Arbeit hat noch keinem Assistenzarzt geschadet.«
»Danke für deine aufmunternden Worte«, erwiderte Stefan, mußte dabei aber ebenfalls lächeln, dann stand er auf. »Ich gehe jetzt in die Gynäkologie hinüber. Mal sehen, was Alena noch alles für mich hat.«
Doch Stefans Bedenken erwiesen sich als unbegründet. Auf der Gynäkologie war alles ruhig, und Alena versicherte, daß es zumindest hier für Stefan nach einer eher ruhigen Nacht aussah.
»Nur ich persönlich habe noch ein Attentat auf Sie vor«, gestand die Gynäkologin mit einem verlegenen Lächeln. »Mein Schwiegervater feiert heute nämlich seinen fünfundsechzigsten Geburtstag und hat seine langjährige Haushälterin Leni, Markus und mich in ein ganz exklusives Restaurant eingeladen.« Sie seufzte leise. »Eigentlich hätte ich ja Bereitschaft, aber ich glaube, Papa wäre sehr enttäuscht, wenn ich nicht dabei wäre.«
»Das ist doch nicht so tragisch, Alena«, entgegnete Stefan. »Im Notfall kann ich Sie ja anpiepsen. Oder muß Ihr Piep-ser auch repariert werden?«
Alena schüttelte den Kopf. »Nein, glücklicherweise nicht. Bis jetzt hatte er jedenfalls noch keine Ausfälle irgendwelcher Art.« Sehr ernst sah sie Stefan an. »Ist es auch wirklich in Ordnung? Ich meine, wenn Sie Bedenken haben, dann bleibe ich selbstverständlich in Steinhausen, wo ich innerhalb weniger Minuten in der Klinik sein könnte.«
»Ach was«, wehrte Stefan ab. »Während meiner bisherigen Nachtschichten habe ich noch nie den Bereitschaftsarzt gebraucht, und ich denke nicht, daß das heute anders sein wird. Fahren Sie also ruhig nach München, Alena. Ich komme hier schon klar.«
Lächelnd drückte Alena ihm die Hand. »Danke, Stefan. Dafür haben Sie etwas bei mir gut.«
»Da hätte ich auch gleich einen Vorschlag. Wie wär’s denn mit dem Du?« fragte der junge Assistenzarzt. »Seit ich mit Jeff per Du bin, sind Sie die einzige, die mich immer noch siezt.«
Alena lächelte. »Das können wir gerne ändern, Stefan.«
»Fein«, meinte er, dann machte er sich auf seine erste Runde durch die Klinik, begrüßte die Nachtschwester Irmgard Heider, die inzwischen ebenfalls ihren Dienst angetreten hatte, und ließ sich schließlich im Arztzimmer der Chirurgie nieder. Bis jetzt war alles ruhig – auch bei den Patienten, die Dr. Metzler ihm ans Herz gelegt hatte, und Stefan hoffte, daß es so bleiben würde.
Draußen machte gerade ein greller Blitz die Nacht sekundenlang zum Tag, dem unmittelbar darauf ein grollender Donner folgte. Stefan trat ans Fenster und schaute hinaus. Strömender Regen prasselte gegen die Scheiben.
»Genau das richtige Wetter für eine Nachtschicht«, murmelte er, betrachtete noch eine Weile das Schauspiel der zuckenden Blitze, bevor er sich wieder seiner Arbeit zuwandte.
*
Jana Kemmerer wollte gerade zu Bett gehen, als ein schier unerträglicher Schmerz sie buchstäblich festnagelte. Mit einem Aufschrei griff sie an ihren Bauch, und im nächsten Au-
genblick war Horst an ihrer Seite.
»Liebling, was ist?« fragte er erschrocken.
Doch Jana brachte kein Wort hervor. Der Schmerz hämmerte und pochte in ihr, und es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis er wieder verebbte.
»Meine Güte«, stöhnte sie und ließ sich erschöpft auf den nächstbesten Sessel fallen. »Wenn das eine Wehe war…« Sie schüttelte den Kopf. »Frau Lüder hat doch gesagt, der Schmerz würde langsam anschwellen.«
Mit besorgtem Gesicht sah Horst