Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3. Dirk van den Boom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk van den Boom
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783864027529
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bin misstrauisch.«

      Darius nahm die Aussage als das hin, was es war: sanfte Kritik an seiner eigenen Unaufmerksamkeit. Er war dankbar für Sols Misstrauen. Es rettete ihnen jetzt möglicherweise den Hals.

      »Die wollen nicht mit dir reden, Darius. Die wollen dich fangen.«

      Darius nickte. Etwas in seinem Magen fühlte sich jetzt sehr kalt an, ein Klumpen plötzlicher Enttäuschung. Ja, er hatte sich unbewusst wohl Illusionen gemacht. Kein herzliches Willkommen, aber immerhin … ein Willkommen. Das hätte er sich gewünscht. Stattdessen wurde eine kleine Flotte in Gang gesetzt, um seiner habhaft zu werden. Anders ließen sich diese Manöver nicht erklären.

      Ernüchternd. Schmerzhaft ernüchternd. Aber warum die Überraschung? Es passte zu seinem Vater. Es passte zu jemandem wie Kalebonian. Er hatte sich einer Illusion hingegeben, der Vorstellung, dass die Umstände ihre Haltung zu ihm geändert hätten. Ein sträflicher Fehler, und jetzt wurde er mit den Konsequenzen konfrontiert.

      »Können wir noch weg?«, fragte Sol. Es gab keine Diskussion über das Ob. Es war unabsehbar, was mit Darius passieren würde – und noch viel riskanter das Schicksal Sols, der kein kaiserliches Blut für sich beanspruchen konnte.

      Darius betrachtete die Situation, nickte dann erleichtert.

      »Sie sind nahe dran, aber noch nicht zu nahe. Schnallen wir uns an. Ich kenne Aumes Technologie nicht gut genug, um zu wissen, was jetzt passieren wird. Und jetzt wollen wir mal sehen, ob wir diesem Autopiloten ein paar unorthodoxe Manöver beibringen können – oder ob er sie für zu gefährlich hält.«

      Sol schwieg, setzte sich, sah Darius bei seinem Tun zu. Dieser kommunizierte mit dem Autopiloten und dieser schien die Dringlichkeit der Situation einzusehen. Jedenfalls war er bereit, die mangelnde Orthodoxie in der Navigation des Prinzen klaglos umzusetzen.

      »Das Boot ist gut«, murmelte Darius. »Zumindest ist es schnell.«

      »Wenn sie das Feuer eröffnen …« Sol ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. Der Prinz antwortete nicht. Was dann geschah, war unabsehbar.

      »Wohin fliegen wir? Zurück zu Aume?«

      »Sie ist schon weit weg. Nein, wir haben immer noch eine Aufgabe, Sol. Ich zumindest.« Er sah für einen Moment den Freund fragend an. »Ich kann dich absetzen. Keine Vorwürfe. Keine Kritik, nichts dergleichen. Dies ist nicht dein Kampf und es ist vor allem nicht deine Familie.«

      Sol sah ihn kopfschüttelnd an. »Nicht meine Familie, klar. Aber mein Kampf. Ich glaube nicht, dass die Kalten einen großen Bogen um mich machen werden, oder?«

      »Davon ist nicht auszugehen. Aber bis alles zusammenbricht, könntest du noch ein schönes Leben haben. Spaß.«

      Sol verzog sein Gesicht. »Spaß wird überbewertet.«

      Darius lachte auf. Er hatte sich diese Art von Antwort gewünscht.

      »Dann heißt es wohl: mitgefangen, mitgehangen.«

      »Wenn wir den Teil mit dem Hängen noch etwas hinauszögern könnten, würde mich das sehr erfreuen.«

      Darius grinste, ließ ostentativ eine Hand auf eine Sensorfläche fallen, und etwas wurde ausgelöst. Das Boot wurde wach, so richtig wach, ein starkes, anschwellendes Summen erfüllte den Innenraum und die Sterne auf dem Echtzeitschirm begannen zu wandern.

      »Achtung! Hier spricht die Leitstelle! Sie haben keine Erlaub…«

      Darius schaltete ab. Es kümmerte ihn nicht mehr.

      Die dreidimensionale Darstellung fesselte nun die Aufmerksamkeit. Das Boot beschleunigte, fast senkrecht zur Ekliptik, und die Reaktionen kamen unmittelbar und mannigfach.

      »Kursänderungen, Kursänderungen … ganz viele, und einige unerwartet«, kommentierte Darius. »Der da macht mir Sorgen«, sagte er mit Spannung in der Stimme. »Ein Monitor. Das sind gleichermaßen schnelle wie gut bewaffnete Schiffe, die von Leuten bemannt sind …«

      »Wie dieser Heinrichs.«

      »Genau. Du hast es erfasst. Und nicht alle mit dem gleichen Hang zur Illoyalität wie Heinrichs. Die Polizeiboote haben einen starken Antritt, halten aber keine stundenlangen Verfolgungsjagden durch, ihnen fehlt es an Stützmasse. Alle anderen sind gefährlich, wenn wir nicht rechtzeitig zum Hypersprung kommen.«

      Er warf einen Blick auf die Anzeigen. »Das Boot meint, es braucht eine Stunde. Vertrauensselig, wie wir waren, haben wir alles heruntergefahren. Wieder so eine Fehlkalkulation von meiner Seite.«

      »Darius.«

      »Ja?«

      »Hör auf. Es nützt nichts, wenn du dir dauernd selbst mit dem Hammer auf den Kopf schlägst. Es tut dir weh. Es tut mir weh. Und entgegen dem Sprichwort fördert es nicht das Denkvermögen.«

      Sols Glas klirrte. Er beruhigte sich mit einem weiteren Schluck.

      Darius nickte, schwieg. Das Boot glitt durch das All, die bunten Punkte im Kartentank zogen in ihre Richtung, es war ein schönes Spiel an Farben und Linien, als die Bordsteuerung noch Kursvektoren zu extrapolieren begann und mögliche Abfangpunkte definierte. Es waren zu viele, wie Darius fand, und er begann, den Kartentank für eine Simulation zu nutzen, variierte die Flugbahn des Bootes, die Geschwindigkeit, probierte Beschleunigungsphasen aus, die aus den beiden Passagieren blutige Matschflecken machen würden, sollten die Andruckabsorber und Schwerkraftgeneratoren ausfallen. Es waren Planspiele, die mit großer Geschwindigkeit abliefen und denen Sol, das war ihm anzusehen, irgendwann nicht mehr folgen konnte. Doch dann war er da, der ideale Fluchtkurs.

      »Das ist der ideale Fluchtkurs!«, verkündete Darius laut und wies auf den Tank.

      »Der ist scheiße!«, kommentierte Sol. »Sind das nicht zwei Beinahe-Abfangpunkte und einer, der bestimmt klappt?«

      »Er ist scheiße«, bestätigte Darius, »gleichzeitig ist er ideal, denn alle anderen Optionen führen uns in noch größere Katastrophen.«

      »Ich kann mir das kaum vorstellen.«

      »Probier es aus.«

      Sol hob abwehrend die Hände. »Wir überleben ja schon diese Version nicht.«

      »Etwas mehr Vertrauen«, bat Darius. »Sie wollen mich erst einmal lebend, zumindest einige. Ich werde sie in diesem Ansinnen gleich noch bestärken. Und sie wissen nicht, wozu dieses kleine Boot technisch in der Lage ist. Wir werden sie überraschen.«

      Sol murmelte etwas und Darius war weise genug, nicht nach einer Wiederholung zu fragen. Er hatte ohnehin etwas anderes zu tun: Er aktivierte das Funkgerät für einen systemweiten, unverschlüsselten und mit großem Nachdruck abzusendenden Spruch. Sol würde gleich sehen, was sein Freund vorhatte, und er würde verstehen, dass ihre Chancen besser waren als gedacht.

      Verrückt war es trotzdem, mindestens verzweifelt.

      Darius räusperte sich.

      »Hier spricht Darius, Prinz des Imperiums. Ich wende mich an alle patriotischen Bürgerinnen und Bürger, an alle, denen das Wohl unserer Gemeinschaft am Herzen liegt, und an alle, die die gleichen Sorgen umtreiben wie mich. Ich rufe die Kommandanten und Offiziere, die Mannschaften der Schiffe, die nun Jagd auf mich machen. Ich fordere Sie alle auf, Ihre Befehle zu bedenken, nicht an die Lügen zu glauben, die man Ihnen erzählte, und sich eigene Gedanken darüber zu machen, ob Ihre Absichten ehrenwert und Ihre Taten gerechtfertigt sind. Ich bin kein Verräter. Ich bin nicht dem Wahnsinn verfallen. Ich bin heimgekehrt, um meinem Vater zur Seite zu stehen und mit ihm all den Tapferen, die unsere Welten beschützen. Ich war im Serail. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, was sich dort abspielt. Ich sehe die unmittelbare, umfassende, zerstörerische und scheinbar unaufhaltsame Gefahr durch die Kalten und ich will mich ihr entgegenstellen. Dieser Krieg kann nicht gewonnen werden, wenn wir uneinig sind. Dieser Krieg kann nicht gewonnen werden, wenn wir unentschlossen sind. Er kann vor allem nicht gewonnen werden, wenn wir das Symbol der Einheit unseres Reiches zerstören, die Einigkeit, die Unantastbarkeit und die Heiligkeit der kaiserlichen Familie. Ich bin ein Teil