Influencer
Im Mai 2019 ist schlagartig und für einen breiteren Kreis von Interessierten sichtbar geworden, dass man mit kritischen und durch Fakten gestützten Analysen im Netz Millionen von Menschen erreichen kann. Das hat der YouTuber Rezo mit seinem Video »Die Zerstörung der CDU« bewiesen. Das Video hat – Stand 10. August 2019 – 15,7 Millionen Aufrufe. Wahrscheinlich werden derartige Versuche der Einflussnahme auf die Meinungsbildung und Willensbildung zunehmen. Der demonstrierte Einfluss von Rezo war so beeindruckend, dass »Anschlusstäter« mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnliches versuchen werden. Das ist, anders als die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer meinte, durchaus legitim – so legitim übrigens wie die gesamte Branche der Influencer, die bei dieser Gelegenheit für eine große Zahl von Menschen überhaupt erst sichtbar geworden ist.
Wer sich den kritischen Verstand erhalten will, muss sich darüber informieren, was Influencer tun und können und für wen sie arbeiten.1
Sympathisch ist, dass die in diesem Bereich tätigen, meist jungen Menschen nicht verbergen, dass sie Einfluss nehmen wollen auf das Denken anderer. Man könnte einwenden, das sei erstaunlich, aber auch nichts Neues. Jede Werbeagentur und Public-Relations-Agentur gibt ja schon offen zu, dass die Meinung anderer Menschen beeinflusst werden soll und dass sie dafür bezahlt wird.
Programmvermehrung und Kommerzialisierung von Hörfunk und Fernsehen
Man muss wissen und beachten, dass in den letzten Jahrzehnten in der Welt der etablierten Medien erhebliche Veränderungen stattgefunden haben. So hat die Vermehrung der Programme beim Fernsehen und Hörfunk, die es in Deutschland-West seit 1984 gibt, und die damit verbundene Kommerzialisierung der elektronischen Medien dazu geführt, dass die Menschen im Durchschnitt viel länger vor dem Fernseher sitzen. Die Nutzungsdauer der Zuschauer ab 14 Jahren betrug 1985 121 Minuten am Tag, 2015 208 Minuten; das ist ein Anstieg von zwei Stunden auf fast dreieinhalb Stunden. Die Konkurrenz der kommerziellen Programme hat zusätzlich dazu geführt, dass auch die Programme und Inhalte der Öffentlich-rechtlichen Sender im Kampf um die Einschaltquoten ein gutes Stück an die Programme der kommerziellen Sender angepasst wurden. Das Resultat sind zum Beispiel nur noch kurze Texte im Hörfunk – von Ausnahmen abgesehen –, im Fernsehen eine nicht enden wollende Abfolge von Krimis und Rätselrate-Sendungen. Wir haben also, einige Sondersparten ausgenommen, beim Fernseh- und Hörfunkangebot, nicht mehr Pluralität, sondern weniger, oder wie wir in früheren Auseinandersetzungen zum Thema gesagt haben: weniger Vielfalt, mehr Einfalt.
Wenn man sich sein eigenes Urteil erhalten will, dann sollte man wissen und beachten, dass bei den Medien eine erhebliche Konzentration stattgefunden hat. Es gibt nur noch wenige Regionen und Städte in Deutschland, in denen die dort lebenden Menschen über mehr als ein Printmedium verfügen können. Oft ist zudem der lokale Hörfunksender auch mit dem Printmonopol verbunden beziehungsweise in den Händen der gleichen Eigentümer.
Man sollte auch zur Kenntnis nehmen, dass eines der großen Medienunternehmen in Deutschland, der Springer-Konzern, demnächst wesentlich von der US-amerikanischen Heuschrecke KKR beherrscht wird. In Deutschlands Medien wurde dieser Einstieg so dargestellt, als ginge es KKR vor allem ums Geld, also einsteigen und mit Gewinn in einigen Jahren wieder aussteigen. Vermutlich steckt dahinter aber auch der Versuch, über einen einflussreichen Medienkonzern in Deutschland weiter im Sinne des konservativen Teils des Westens Meinung und Stimmung zu machen. Dazu ist die Bild-Zeitung, die zum Konzern gehört, bestens geeignet.
Man sollte weiter wissen, dass einige wichtige, ehedem fortschrittliche Medien ihre Ordinate, ihren Standort im Schema zwischen links und rechts, verschoben haben. Wer das nicht beachtet, wird tendenziell mit-verschoben.
Das gilt zum Beispiel für den Spiegel, für die Frankfurter Rundschau, für die taz, für die Süddeutsche Zeitung, für Die Zeit, für die Blätter für deutsche und internationale Politik und für den Freitag. Es gilt für einzelne Sendeformate wie Panorama bei der ARD und in Ansätzen auch für Monitor. Besonders deutlich ist die Entwicklung bei der taz. Dort gibt es mittlerweile Kriegshetze2 wie auch unsägliche Kommentare, die den Krieg zwischen Jung und Alt fördern.3
In den genannten Medien findet man immer wieder sehr gute, aufklärende, informative und kritische Beiträge. Aber in zentralen und die Politik bestimmenden Fragen hat eine bemerkenswerte Anpassung stattgefunden.
Ein Teil des Publikums dieser Medien hat sich mit diesen Medien mit-bewegt. Offensichtlich können die erwähnten Medien mit einer beachtlichen Treue ihrer Leserschaft, Zuhörerschaft und Zuschauerschaft rechnen. Die eigentlich bewundernswerte Charaktereigenschaft, Treue, macht im konkreten Fall immun gegen die Wahrnehmung von Veränderungen grundlegender Art. Vielleicht ist es aber auch nur Gewohnheit.
Wer über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierlich die oben genannten Medien gelesen, gehört oder angeschaut und eine enge Bindung entwickelt hat, merkt eine solche Veränderung nicht mehr. Treue kann zum Verlust der Fähigkeit zum Selberdenken führen.
Anzumerken bleibt noch, dass die Missachtung von Veränderungen einiger wichtiger Medien des ehedem fortschrittlichen Medienbereichs auch etwas damit zu tun hat, dass während dieser Zeit nicht nur einzelne Leser, sondern Leserinnen und Zuschauer die Veränderungen scharenweise mitgemacht haben. Angepasst haben sich also nicht nur einzelne Personen, sondern Gruppen unter Einfluss des eigenen Milieus. Anette Sorg hat am 30. April 2019 in einem viel beachteten Beitrag auf den NachDenkSeiten auf diesen Umstand hingewiesen: »Lieber dazugehören, als aufgeklärt sein.«4
Es gibt noch andere gravierende Veränderungen:
Zum Beispiel sind unsere Medien sehr offen für PR-Aktionen der Wirtschaft und einiger politischen Parteien. Sie beugen sich Kampagnen beziehungsweise machen sie mit. Das beste Beispiel war die Kampagne zur Privatisierung der Altersvorsorge verbunden mit der Behauptung, der demographische Wandel sei beängstigend und verlange als Lösung die staatlich geförderte Privatvorsorge. Siehe IV. 2.
Es ist gut zu wissen, wo die jeweiligen Artikel geschrieben werden. Manche Artikel in deutschen Zeitungen und anderen Medien werden von externen Agenturen zentral verfasst. Um das erkennen zu können, ist es wichtig zu wissen, was einzelne Kürzel unter den Artikeln bedeuten. Zum Beispiel ots. Wenn Sie im Netz nachschauen, dann werden Sie folgenden Eintrag von ots finden:
»Das macht uns aus.
Wir sind ein erfolgreiches Unternehmen im Herzen der Medienmetropole Hamburg: news aktuell, eine hundertprozentige Tochter der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Seit 25 Jahren geben wir alles für Ihre PR-Inhalte. Egal, ob Sie Pressemitteilungen, Bilder, Videos oder Infografiken verbreiten wollen, wir sind Ihr starker Partner in Sachen PR. Perfektionieren Sie Ihre Kommunikation mit dem ots-Netzwerk. Ihre Pressemitteilungen erscheinen zeitgleich in allen relevanten Redaktionen (via dpa), auf sozialen Plattformen, auf Presseportal.de (9 Mio. Visits/Monat) und sind gleichzeitig auch noch mobil abrufbar und suchmaschinenoptimiert.«5
Das bedeutet, dass Unternehmen, Verbände und Parteien Pressemitteilungen absetzen und zumindest hoffen können, dass diese dann via dpa, wie es so schön heißt, auf den Redaktionstischen der Zeitungen und Sender landen und verwendet werden. Gefördert wird diese seltsame antidemokratische Entwicklung noch dadurch, dass die meisten Redaktionen heute chronisch unterbesetzt sind.
Es ist hilfreich zu wissen, dass bei den Nachrichtenagenturen in Deutschland eine Konzentration stattgefunden hat: dpa ist entscheidend.
Einige Medienmacher und einflussreiche Journalisten arbeiten im Einflussbereich der USA und der NATO.
Für die eigene Meinungsbildung ist es außerdem gut zu wissen, woher Meldungen, Berichte und Kommentare kommen. Es gab schon immer Journalisten, die zum Beispiel der NATO eng verbunden waren. In der ZDF-Sendung Die Anstalt vom 29. April 20146 wurde das Beziehungsgeflecht eindrucksvoll visualisiert. Da erfuhr ein recht breites Publikum, dass zum Beispiel der Leiter des außenpolitischen Ressorts der Süddeutschen Zeitung Stefan Kornelius, die FAZ-Journalisten Klaus-Dieter Frankenberger und Günther Nonnenmacher, die Zeit-Redakteure Josef Joffe und Jochen Bittner und Kai Diekmann von der Bild-Zeitung