Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisabeth Swoboda
Издательство: Bookwire
Серия: Sophienlust Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740971625
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      »Nein. Bis jetzt habe ich auch noch keine Post von ihr bekommen.«

      »Mir hat Mami eine Karte geschickt«, meldete sich Anselm.

      Erwartungsvoll beugte sich Denise über das Kind. »Steht eine Adresse darauf? Vielleicht von dem Hotel, in dem deine Mutter wohnt?«

      »Nein. Ich glaube nicht. Aber ich kann noch nicht lesen. Großmutti«, sein Gesicht umwölkte sich wieder, »Großmutti hat mir alles vorgelesen. Ich habe es mir genau gemerkt: Viele Bussi schickt dir Mami von einem Ausflug in die Wüste. Vorne auf der Karte waren zwei komische Bäume – Palmen heißen diese Bäume – und ein Kamel. Und ein schöner blauer Himmel.«

      »Ich fürchte, wir werden warten müssen, bis Frau Nissel von selbst zurückkommt«, meinte Frau Kaufmann. »Darf Anselm so lange in Sophienlust bleiben? Ich kann nicht sagen, wie lange das dauern wird. Meine Chefin hat mich auch über die Länge ihres Urlaubs im unklaren gelassen.« Als sie merkte, dass Denise erstaunt war, fuhr sie fort: »Frau Nissel ist recht häufig abwesend. Sie überlässt dann die Führung des Geschäftes mir. Ich beklage mich nicht darüber, denn Frau Nissel ist sehr großzügig. Ich kann die Arbeit selbständig erledigen und verdiene genügend.«

      Rasch erklärte Denise, dass Anselms Aufenthalt in Sophienlust unbegrenzt sei. Dann kam sie auf die notwendigen Formalitäten für das Begräbnis zu sprechen und fuhr fort: »Wenn die Verstorbene keinen Ausweis bei sich hatte, ist nicht einmal ihre Identität geklärt. Den Jungen hat niemand beachtet. Die Leute haben ihn weggedrängt, und niemand wusste, dass er zu der alten Frau gehörte. Wenn ich nicht stehengeblieben wäre, um mein Paket einen Augenblick lang abzustellen, wäre er auch mir nicht aufgefallen.« Denise strich Anselm, dem der Schrecken dieses Nachmittags nun wieder voll zu Bewusstsein kam, tröstend über die Haare. »Du darfst jetzt nicht mehr weinen. Du wirst sehen, in Sophienlust wird es dir gefallen. Wir werden sofort hinfahren.«

      »Ja«, stimmte Frau Kaufmann ihr zu, »der kleine Junge muss auf andere Gedanken kommen. Ich werde mich um alles Weitere kümmern. Könnten Sie mir Ihre Telefonnummer geben, damit ich Sie erreichen kann?«

      »Ja, natürlich. Hier ist meine Karte. Falls Sie einmal Zeit haben, wird sich Anselm gewiss über Ihren Besuch freuen. Sie sind uns immer willkommen.«

      »Danke. Ich bin so froh, dass Sie sich um den Jungen kümmern. Ich wüsste nicht, was ich mit ihm anfangen sollte, aber irgendwie fühle ich mich doch verantwortlich für ihn, da sonst niemand da ist.«

      Denise und Anselm verabschiedeten sich von Frau Kaufmann, die Denise noch einmal versicherte, dass sie alles Nötige für das Begräbnis in die Wege leiten würde.

      Denise blickte besorgt auf ihre Uhr. Es war spät geworden. Alexander, ihr Mann, würde sich wahrscheinlich schon wundern, wo sie so lange blieb. Aber bevor sie heimfuhr nach Schoen­eich, musste sie Anselm noch in Sophienlust abliefern und eine Weile bei ihnen bleiben, damit er sich eingewöhnte. Der Schock, den er eben erlitten hatte, würde lange nachwirken.

      Denise nahm sich vor, alles daranzusetzen, dass Anselm den erlittenen Schicksalsschlag überwinden würde. Die Auskunft, die sie über seine Mutter erhalten hatte, stimmte sie nachdenklich. Sie fand es reichlich ungewöhnlich, dass eine Mutter ihr Kind bei der Großmutter zurückließ, um eine Reise von unbestimmter Dauer und mit unbestimmtem Ziel zu unternehmen. Umgekehrt erweckte Anselm aber nicht den Anschein, ein unerwünschtes Kind zu sein. Er wirkte vollkommen normal, wie ein gut und liebevoll erzogenes Kind. Also muss ihn seine Mutter gern haben und lieb zu ihm sein, folgerte Denise.

      Da das Abendessen schon vorbei war, als Denise in Sophienlust ankam, brachte sie ihren Schützling in die Küche, wo sie ihn mit der Köchin Magda bekannt machte. Sie bat Magda, ihm etwas zu essen zu richten, während sie selbst inzwischen Schwester Regine und die Heimleiterin, Frau Rennert, über den Neuankömmling unterrichten wollte.

      Nachdem Denise die Küche verlassen hatte, stand Anselm schüchtern da und ließ den Kopf hängen.

      »Du hast doch nicht etwa Angst vor mir?«, fragte Magda.

      »O nein, aber ich mag nichts essen. Ich habe überhaupt keinen Hunger.«

      »Das glaube ich nicht. Sobald das Essen auf dem Tisch steht, wird es dir schon schmecken. Eine Kleinigkeit musst du essen. Sonst knurrt dein Magen in der Nacht, und du kannst nicht schlafen. Was möchtest du denn gerne? Ein Wurstbrot? Oder ein weiches Ei? Vielleicht Spiegeleier? Ich könnte auch schnell ein Stück Fleisch braten. Und dazu gibt es Pommes frites. Die essen alle Kinder gern. Du auch?«

      Doch Anselm lehnte alle Angebote mit einem höflichen »nein, danke« ab.

      Magda gab sich jedoch nicht so schnell geschlagen. »Ich werde für dich einen Fritzi zubereiten. Hast du schon einmal einen Fritzi gegessen?«

      Anselm musste zugeben, dass ihm ein essbarer Fritzi unbekannt war. Seine Neugierde war geweckt.

      Magda schnitt eine Scheibe Brot ab, bestrich sie mit Butter und belegte sie reichlich mit Wurst. Dann holte sie aus einem Schrank ein Glas Essiggurken und ein Glas mit eingelegten, in Streifen geschnittenen roten Paprikaschoten. Da sie Anselm die Sicht auf das Wurstbrot verstellte, konnte er nicht erkennen, was weiter geschah. Mit etwas Mayonnaise aus der Tube vollendete Magda ihr Werk und präsentierte es dem überraschten Anselm.

      »Das ist Fritzi. Er hat Gurkenaugen, Haare aus Paprika und einen Mund und eine Nase aus Mayonnaise. Schau, wie er lacht. Wenn du ihn gegessen hast, wirst du auch wieder fröhlicher werden.«

      Gehorsam biss Anselm in Fritzis Haare.

      *

      Während Anselm in Sophienlust von Denise zu Bett gebracht wurde, saß seine Mutter auf der Terrasse, die zu ihrem Hotelzimmer gehörte, und sah nachdenklich in den Nachthimmel. Das Bild, das sich ihr bot, glich einer Reklame für Fremdenverkehr.

      Lauretta Nissel lehnte etwas lässig in dem geflochtenen Korbstuhl. Auf dem Tischchen neben ihr stand ein Glas mit einer gelblichen Flüssigkeit, in der zwei Eiswürfel schwammen. Ihre dichten blonden Haare waren straff aus dem Gesicht gebürstet und im Nacken zu einem Knoten geschlungen. Ihre kleine Nase und der zarte Mund wiesen einige Ähnlichkeit mit den Zügen ihres Sohnes auf, aber ihre Haut war von der Sonne tief gebräunt. Und ihre großen grünen Augen zeigten keinerlei Anzeichen von Schüchternheit. Sie blickten kühl und entschlossen. Das tief ausgeschnittene nilgrüne Kleid passte ihr nicht nur wie angegossen, auch die Farbe harmonierte mit der ihrer Augen.

      Aber gerade dieses Kleid bot der zweiten auf der Terrasse anwesenden Person Anlass zu Unmutsäußerungen: »Du hast dich wieder einmal unmöglich angezogen.«

      Lauretta erhob sich geschmeidig und ging langsam auf den an der Terrassentür lehnenden Mann zu. »Was ist an meinem Kleid nicht in Ordnung? Passt es nicht? Kannst du irgendwo eine Falte entdecken?« Mit provozierenden Bewegungen drehte sie sich einmal um die eigene Achse.

      In seinen Blicken glomm Bewunderung auf, die jedoch von seinem Ärger sogleich wieder erstickt wurde. »Du weißt genau, dass es da keine Falte zu entdecken gibt. Dass dieses Kleid sitzt wie eine zweite Haut, ist weder mir noch den übrigen heute Abend anwesenden Männern entgangen. Sie haben die Köpfe verdreht und sich die Hälse ausgerenkt, als du durch den Speisesaal gingst.«

      Lauretta lachte. »Ist mein Schnuck eifersüchtig?«

      »Nenn mich nicht immer mit diesem lächerlichen Kosenamen!«

      »Wie soll ich dich sonst nennen? Vielleicht so wie deine Frau? Wie pflegt sie dich denn zu rufen?«

      »Lass meine Frau aus dem Spiel! Sie hat mit uns beiden überhaupt nichts zu tun.«

      »Gewiss. Und sie interessiert mich auch nicht. Ich möchte dich nur daran erinnern, dass ich nicht mit dir verheiratet bin und dass dich meine Art, mich zu kleiden, nichts angeht.«

      »Da irrst du dich. Alle hier wissen, dass wir zusammengehören, doch du legst es darauf an, mich lächerlich zu machen. Du genießt es förmlich, wenn sich fremde Männer nach dir umdrehen.«

      »Gehören wir denn zusammen?«, unterbrach Lauretta ihn.

      »Zweifelst