Geh nie alleine essen! - Neuauflage. Keith Ferrazzi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Keith Ferrazzi
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783864707117
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ist, sobald Sie Ihr Möglichstes getan haben, um sich vorzubereiten, müssen Sie immer noch über diese merkwürdige Sammlung von Datenpunkten hinausgehen, die unsere öffentliche Identität darstellen, und zu einer Person als Individuum durchdringen. Werden Sie zu einem Teil der Dinge, welche die Person am meisten interessiert, und Sie haben einen Zugang zu ihrem Leben gefunden.

      Ich habe einmal an einer Diskussion am runden Tisch im Rahmen der Global Conference des Milken Institute teilgenommen, einem jährlich in Los Angeles stattfindenden dreitägigen Kongress, bei dem die besten Köpfe und CEOs der Welt zusammenkommen und über globale Probleme sprechen. Es gab 15 Teilnehmer und alle leiteten Unternehmen, die weit größer sind als meins.

      In vielen Situationen hätte ich wohl kaum mit ihnen persönlich zu tun bekommen, aber da ich an der Organisation der Konferenz beteiligt war (immer ein Vorteil), wurde ich eingeladen, teilzunehmen.

      Bei der Planung wurde der knappe Zeitplan von CEOs berücksichtigt. Vor der eigentlichen Veranstaltung gab es ein kurzes Beisammensein, damit die Teilnehmer einander kennenlernen konnten. Dann folgte eine Podiumsdiskussion über die Zukunft des Marketings im Licht der Herausforderungen, vor denen die großen Marken stehen. Danach gab es ein kurzes Essen.

      Das heißt, es blieben nur drei Stunden, in denen ich die Chance hatte, das Fundament für eine oder zwei Beziehungen zu legen.

      Der Zeitplan einer erfolgreichen Konferenz ist immer so gestaltet, dass die Teilnehmer das meiste aus ihrer Zeit machen können. Mein persönliches Ziel bei solchen Konferenzen ist die optimale Nutzung der kurzen Zeiträume, in denen ich die Chance habe, mich interessanten Menschen zu nähern, die ich noch nie getroffen habe.

      Ich finde, dass Essen die Unterhaltung auf einmalige Weise erleichtert. Normalerweise sind die Menschen beim Essen bereit und sogar begierig, sich zu amüsieren. Mahlzeiten auf Kongressen sind allerdings problematisch. Das sind eilige, hektische Angelegenheiten, die einen angenehmen, aber unaufdringlichen Small Talk erfordern. Man weiß nie im Voraus, wo man sitzt. Und wenn man einander fremd ist, kommt man für gewöhnlich nur mit den Leuten direkt links oder rechts von einem ins Gespräch.

      Und während der Podiumsdiskussion konzentrieren sich die Menschen auf ihre eigenen Präsentationen.

      Blieb also nur noch das lockere Beisammensein. Ich halte mich bei solchen Gelegenheiten gern in der Nähe der Bar auf. Irgendwann holt sich schließlich jeder ein Getränk. Außerdem hatte ich im Laufe des Tages ausgekundschaftet, in welchen Räumen die Menschen Hof halten würden, die ich kennenlernen wollte, und ich hatte es so eingerichtet, dass ich dort war, wenn sie hinein- oder hinausgingen. Das klingt etwas nach Manipulation, aber eigentlich geht es nur darum, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

      Das Problem in solchen Situationen besteht wie bei allen Unterhaltungen darin, über die Banalitäten der höflichen Plauderei hinauszukommen. In den vorangegangenen Monaten hatte ich den leitenden Organisator der Veranstaltung kennengelernt und aus gelegentlichen Gesprächen wusste ich ungefähr, wer kommen würde – keine privilegierten Informationen, aber für meine Vorbereitungen sehr nützlich. Mein Büro stellte Kurzbiografien der VIPs für den Fall zusammen, dass ich ihnen begegnen oder neben ihnen sitzen würde. Zu den ein oder zwei Personen, die ich besonders gern kennenlernen wollte, stellte mein Assistent auf einer Seite ein paar Informationen zusammen.

      Das gehört alles zu dem, was ich als „die Hausaufgaben machen“ bezeichne. Aber das alleine reicht nicht. Am besten findet man eine Gemeinsamkeit, die tiefer und umfangreicher ist als die Dinge, die bei einer glücklichen Begegnung zur Sprache kommen. Wenn man mit Wissen über die Leidenschaften, Bedürfnisse und Interessen einer Person gerüstet ist, kann man mehr tun, als nur Kontakt aufnehmen; dann hat man nämlich die Chance, eine echte Verbindung zu knüpfen und Eindruck zu machen.

      Der meisterhafte Politiker Winston Churchill plante Begegnungen in der Öffentlichkeit auf die gleiche Art. Churchill gilt heute als genialer Redner und als Meister der Schlagfertigkeit – ein fantastischer Dinner-Gast, der die ungeteilte Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Weniger bekannt, aber von Churchill in seinen Schriften offengelegt, ist, wie viel Blut, Schweiß und Tränen in die Vorbereitung einer einzigen Sentenz oder eines schlauen Witzes geflossen sind. Churchill wusste, welche Macht es einem verleiht, wenn man sein Publikum kennt und weiß, wie man bei ihm eine Reaktion hervorruft.

      Und wie erging es mir wohl?

      Ich stellte fest, einer der CEOs, John Pepper, hatte ebenfalls in Yale studiert. Ich hatte ihn schon während meines Grundstudiums bewundert und ihn auf dem Campus sprechen hören. Der ehemalige CEO von Procter & Gamble engagierte sich jetzt für die Menschenrechte und dafür, dass die Geschichte der Underground Railroad in einem Museum bewahrt wurde, das er in Cincinnati gründete. Pepper war für seine Führungsstärke und für die Marketing-Innovationen bekannt, die er bei Procter & Gamble eingeführt hatte. Und auch jetzt, nach seinem Rücktritt, übte er im Vorstand von P & G sowie in den Vorständen mehrerer anderer Unternehmen großen Einfluss aus.

      Da er in Yale studiert hatte, wusste ich, dass auf der Website der Yale University eine Biografie zu finden sein musste. Ich zapfte mein Ehemaligen-Netzwerk an, um weitere Informationen zu erhalten und stieß auf eine Goldgrube an alten College-Beziehungen und Interessen. Es stellte sich heraus, dass wir in Yale beide auf dem Berkeley College gewesen waren. Daher musste er Robin Winks gekannt haben, einen aufrichtig bewunderten und respektierten Professor, für den ich im College gearbeitet hatte. Als ich unsere vielen gemeinsamen Erfahrungen zur Sprache gebracht hatte, war das Eis gebrochen.

      Bis zum Ende unseres Gesprächs gab mir John kluge Ratschläge und Kontakte für mein junges Unternehmen (damals YaYa). Er schlug vor, in den nächsten Jahren in Kontakt zu bleiben. Ich hoffte, dass sich unsere Wege mit der Zeit noch viele Male kreuzen würden, und so kam es dann auch. Als Professor Winks – Robin – eine Woche später verstarb, schwelgten wir gemeinsam in Erinnerungen an ihn. Ein paar Monate später lernte ich einen erfolgreichen Geschäftsmann aus Cincinnati kennen, der von dem Museum für die Underground Railroad schwärmte; zum Zweck des Fundraisings musste ich ihn unbedingt mit John Pepper in Kontakt bringen. Im vergangenen Jahr habe ich John zwei oder drei potenzielle Spender vorgestellt.

      Mit der anderen CEO, die ich kennenlernen wollte, hatte ich keine Beziehungen oder Organisationen gemeinsam. Glücklicherweise ergab eine Google-Suche allerdings, dass sie im Jahr zuvor beim New York City Marathon mitgelaufen war. Ich wusste aus erster Hand, wie viel Engagement und Opfer es erfordert, um Tag für Tag zu laufen und einen vollständigen Marathon zu absolvieren. Ich hatte es versucht – und versagt. Ich hatte einmal angefangen, auf einen Marathon zu trainieren, der im selben Jahr stattfinden sollte, aber zu meiner Enttäuschung machten meine Knie nicht mit. Übrigens bin ich immer noch auf der Suche nach einem guten Rat, wie ich eines Tages doch noch einen Marathonlauf machen kann.

      Als ich auf die CEO stieß, sagte ich: „Wissen Sie, ich weiß nicht, wie man das schafft. Ich habe immer gedacht, ich wäre gut in Form, aber das Marathontraining brachte mich um. Ich musste aufhören.“

      Natürlich war sie überrascht. „Woher in aller Welt wissen Sie, dass ich einen Marathon gelaufen bin?“, fragte sie gut gelaunt. Man muss bedenken, dass das noch zu einer Zeit war, als nicht jeder sein Trainingstagebuch, seine Pläne für kommende Läufe und seine Zieleinlauffotos überall online postete.

      Ich scheue mich nie, meine Recherchen zu erwähnen. „Ich gebe mir immer besondere Mühe, mich über die Menschen zu erkundigen, die ich kennenlernen möchte.“ Da fühlt sich jeder unweigerlich geschmeichelt. Würde es Ihnen etwa nicht so gehen? Die andere Person weiß dann sofort, dass sie keine anstrengende halbe Stunde mit einem Fremden ertragen muss, sondern dass sie mit jemandem eine Verbindung knüpfen kann, mit dem sie ein Interesse gemeinsam hat, mit jemandem, der sich bemüht hat, sie besser kennenzulernen.

      Zufällig hatte ich am Tag davor in „Barry’s Boot Camp“ trainiert, einem knallharten, aber sehr anregenden Trainingsprogramm, das in West Hollywood, unweit der Konferenz, stattfand. Ich sagte: „Wenn Sie einmal ein erstaunliches und wirklich besonderes Training haben wollen, gehen Sie doch einmal ins Boot Camp.“ Im Gegenzug erhielt ich einige willkommene Ratschläge für die Ausweitung meines Lauftrainings. Später probierte sie mit mir das Boot Camp aus und