Ich konnte es einfach nicht fassen. Er meinte es tatsächlich ernst. Unglaublich.
Zuerst hatte ich mir nur Gedanken darüber gemacht, ob Shawn gesund wurde und aufwachte. Als er es dann endlich getan hatte, war ich überglücklich gewesen und hatte die Gedanken an das Danach teilweise verdrängt. Aber nun, da Shawn mir meine Illusion, dass er mit diesem riskanten Sport aufhören könnte, tatsächlich genommen hatte … fühlte ich mich einfach nur verloren.
Er würde niemals wegen irgendjemandem, auch nicht wegen mir, alles aufgeben. Auch wenn es noch so gefährlich war. Diese Erkenntnis schmerzte am meisten. Ich war ihm nicht so wichtig wie das Kämpfen.
Aber konnte ich überhaupt von ihm verlangen, dass er einfach das Handtuch warf? Nein, das konnte ich nicht. Ich wusste, wie viel es ihm bedeutete. Vermutlich steckte weitaus mehr dahinter als der reine Siegeswille. Fühlte er sich bei einem Sieg seiner Familie näher? Seinem Vater und seinen Brüdern? Vielleicht kam seine Mum irgendwie an ihn heran und konnte ihn vom Gegenteil überzeugen … Aber wahrscheinlich war selbst das zwecklos. Denn wie ich mitbekommen hatte, war den Brüdern schon von klein auf eingetrichtert worden, niemals aufzugeben!
Ich hatte nur zwei Möglichkeiten. Entweder mit der Angst zu leben oder ihn zu verlassen. Aktuell fehlte mir die Antwort, welche Entscheidung die richtige für uns war. Ihn bei einem Kampf zu sehen, konnte ich mir eindeutig nicht mehr vorstellen. Schon allein wenn ich daran dachte, bekam ich Herzrasen. Doch noch war er nicht auf dem Damm, und mir blieb ein wenig Zeit, mit ihm eine Alternative zu finden. Obwohl ich in meinem ganzen Leben noch keinen Menschen getroffen hatte, der so strikt das durchzog, was er sich vorgenommen hatte.
Zurück im Hotel ging ich duschen, zog mir etwas Frisches an, brachte kurz meine Mum, Matt und Gini auf den neusten Stand und machte mich sofort wieder auf zum Krankenhaus. Zwischendurch hatte mir Mum noch ein Käsebrötchen in die Hand gedrückt und mich so tadelnd angesehen, dass ich es schnell im Vorbeigehen verschlungen hatte.
Obwohl mich Shawns Aussage geschockt hatte, konnte ich es kaum erwarten, bis ich wieder bei ihm war, und lief über den Krankenhausflur in Richtung seines Zimmers. Mittlerweile wussten die Krankenschwestern, wer ich war. Manche nickten mir freundlich zu, andere kannte ich nur vom Sehen. Doch trotz der freundlichen Atmosphäre hier wollte ich nichts lieber, als Shawn mit nach Hause zu nehmen. Oder eher gesagt in unser Hotel, was derzeit einem Zuhause am nächsten kam.
Die Tür zu Shawns Zimmer ging auf, und ich erkannte Sam.
»Hi, Sam!«, begrüßte ich ihn und hatte im gleichen Moment einen Entschluss gefasst. Obwohl ich wusste, dass auch er nicht gegen Shawns Dickkopf ankam, war es wenigstens eine Option. Vielleicht knickte er ein, wenn zwei Menschen ihn bearbeiteten.
»Hi, Lauren.« Er lächelte mich freundlich an, und wieder einmal war ich froh, dass er meiner Schwester so beigestanden hatte. Sam war wirklich ein guter Kerl.
»Hat er dir erzählt, was er vorhat?«, fragte ich direkt, und Sam lehnte sich gegen die Flurwand.
»Jap.«
»Und hast du versucht, es ihm auszureden?«
Er senkte müde den Kopf, bevor er mich erneut ansah. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Lauren, du weißt am besten von uns allen, wie er ist. Er wird sich nicht vom Gegenteil überzeugen lassen, außer er merkt es selbst.«
»Toll! Vielleicht ist es dann zu spät, weil er wirklich am Ende ist!«, keifte ich.
»Es ist nicht das erste Mal, dass er an solch einem Punkt steht. Okay, so knapp war es noch nie, aber was, denkst du, hat er die vergangenen Jahre an Wunden davongetragen? Es waren ganz sicher keine kleinen Kratzer.«
»Und das findet ihr gut? Du und Rob? Geht es dir nur ums Geld?« Ich wusste, ich war extrem unfair ihm gegenüber, trotzdem konnte ich nicht mehr klar denken oder kontrollieren, was ich in meiner Panik um Shawn sagte.
Sam trat einen Schritt vor und hielt mich an den Schultern fest. »Natürlich geht es uns nicht ums Geld, sonst wären wir schon längst weg. Shawn ist genauso unser Freund wie deiner. Aber in seinen Adern fließt das Adrenalin, das er zum Leben braucht. Alles, was er denkt zu sein, besteht aus diesem Sport.«
»Aber er ist doch viel mehr«, flüsterte ich und konnte nur mühsam die aufkommende Verzweiflung runterschlucken.
»Das wissen wir alle … aber er weiß es nicht.«
»Ich würde alles dafür tun, es ihm endlich zu beweisen.«
Sam ließ mich los und lächelte mich traurig an. »Das kannst du nicht. Er muss es selbst merken«, wiederholte er. »Aber ich weiß, dass er dich wirklich liebt. Ich seh es genauso in seinen Augen wie in deinen. Gib ihm eine Chance, selbst herauszufinden, was in ihm steckt.«
»Was, wenn er es niemals herausfindet …?«, fragte ich leise.
»Er wird es.« Sam klang so überzeugt, dass ich ihm nur glauben konnte. Er kannte ihn länger als ich. »Ich fahr zurück ins Hotel. Rob war auch gerade da, und Shawns Mum müsste gleich kommen. Leiste ihm bis dahin Gesellschaft, das ist das Einzige, was ihn von den ständigen Gedanken ablenkt, weitermachen zu wollen.«
»Danke, Sam«, sagte ich, und er nickte mir lächelnd zu.
Mit klopfendem Herzen drehte ich mich um und betrat Shawns Zimmer. Er ließ das Heft in seinen Händen sinken und strahlte mich an. Wie hatte ich diesen Ausdruck vermisst. Mein gesamter Körper sehnte sich nach seinen Berührungen, also ging ich schnell zu ihm, und er zog mich an sich. Ich konnte einfach nicht unsere neugewonnene Zeit verschwenden, indem ich sauer auf ihn war. Er roch frisch, nur leicht kam noch der grässliche Geruch des Krankenhauses durch. Glücklicherweise konnte er ihn bald ganz abschütteln.
»Hi, Bambi«, wisperte er an meinen Lippen.
»Hi, Baby.« Seine Hand tastete nach meinem Hinterkopf, und er zog mich besitzergreifend an sich.
»Ich hab dich vermisst«, sagte er. Mein gesamter Körper pulsierte. Die Berührung seiner kräftigen Hand war mir mehr als bewusst, genauso wie meine Finger, die sich an seiner festen Brust abstützten, und seine köstlichen Lippen, die knapp vor meinen schwebten. Verlangen breitete sich in mir aus, und am liebsten wäre ich auf ihn geklettert und hätte mich ihm hingegeben. Aber das ging nicht. Noch nicht.
»Ich dich auch«, erwiderte ich ehrlich, auch wenn ich immer noch ein wenig sauer war. Plötzlich presste er seinen Mund auf meinen. Mit sanftem Druck bewegten sich seine Lippen, und ich öffnete meine in freudiger Erwartung. Seine Zunge strich langsam über meine, und seine andere Hand tastete sich vor zu meiner Taille, die er fest umschlang. Der Kuss war innig und zärtlich, so sehr, dass mein Herz fast aus der Brust sprang. Ich stand absolut in Flammen und verlor mich vollständig in ihm. Leise keuchte ich, während sich unsere Zungen immer drängender umkreisten und seine Hand von meiner Hüfte zu meinem Hintern wanderte. Meine Finger fuhren zu seinen Oberarmen, kratzten leicht am Rand seines Krankenhausoberteils entlang und strichen über die straffe Haut, die darunter zum Vorschein kam. Ich sog seinen Duft tief ein und bekam einfach nicht genug von ihm. Endlich hatte ich ihn wieder. Und er würde wieder gesund werden.
Atemlos beendete er den Kuss und schüttelte den Kopf. »Ich muss hier raus. Schnell! Ich kann es kaum erwarten, in Ruhe Zeit mit dir zu verbringen.«
»Und ich erst …«, flüsterte ich. Seufzend ließ er mich los, und ich setzte mich auf den Bettrand.
»Erzähl mir etwas, das mich von den Gedanken ablenkt, dir diese Jeans über deinen Knackarsch nach unten zu ziehen und dich über das Bett gebeugt zu nehmen.« Heiß-kalte Schauer liefen mir den Rücken hinab, als ich hörte, wie rau seine Stimme wurde. Ich kannte diese Tonlage mittlerweile und wusste, es würde nicht lange dauern, bis er seine Worte tatsächlich in die Tat umsetzte. Geprellte Rippen und eine Gehirnerschütterung hielten ihn davon nicht ab.
»Was, wenn ich es drauf ankommen lasse?«, fragte ich lasziv und leckte mir über die Lippen.
Er stöhnte und schloss die Augen. »Lauren …«
Ich