Online-Befragungen können auch über interaktive Online-Formulare via Webbrowser bearbeitet werden. Ein Versuch, dabei die Stichprobe zu steuern wäre, per E-Mail eine statistisch ermittelte Auswahl an Adressat*innen auf den entsprechenden Link zum Fragebogen aufmerksam zu machen.
Mit Hilfe der Internetseite
Solange dieses Angebot nicht für kommerzielle Zwecke genutzt wird, ist es kostenlos. Nutzer*innen müssen sich lediglich registrieren und den einfachen Anweisungen folgen. Wir empfehlen, bei der Anmeldung keine private E-Mail-Adresse (yahoo, gmail etc.), sondern die Uni-E-Mail-Adresse anzugeben. Eine zusätzliche Software ist nicht vonnöten, da die Befragung auf dem Server SoSciSurvey läuft. Weitere kostenlose Anbieter sind zoomerang.com, Questionstar oder Umfrageonline (mit kostenloser Basisversion). Für größere Studien, in deren Rahmen eine Teilnehmer*innen- und Datenverwaltung und kontinuierliche Rückmeldungen über den Verlauf der Erhebung gewünscht sind, bietet sich das kostenpflichtige Angebot von rogator.de an (vgl. Döring 22003: 230).
Es ist wichtig, präzise anzugeben, wie lange die Bearbeitung des Fragebogens maximal dauert. Gerade bei zeitaufwändigeren Befragungen können potenzielle Teilnehmer*innen so den Zeitpunkt, zu dem sie die Fragen beantworten, besser festlegen. Gleichzeitig wird so einem Problem vorgebeugt, das im Zusammenhang mit Online-Befragungen häufiger auftritt: der vorzeitige Abbruch und damit die Nicht-Verwertbarkeit der Daten.
1.4.4 Log-File-Analyse – Einfach mitschneiden?
Die sogenannte Log-File-AnalyseLog-File-Analyse ist eine Methode der Datenerhebung, die in etwa mit der teilnehmenden Beobachtung vergleichbar ist. Auf den Rechnern der teilnehmenden Versuchspersonen werden spezifische Protokollierungsprogramme installiert, die neben den technischen Informationen über den Datenverkehr auch inhaltliche Botschaften aufzeichnen, die im Anschluss ausgewertet werden können. Dieses Vorgehen bietet sich insbesondere für digitale Interaktionssituationen, z. B. in Sozialen Netzwerken (vgl. Gysin 2014, 2015) oder Chat-Räumen (Orthmann 2000), an. Die an der Erhebung teilnehmenden Nutzer*innen wissen, dass die von ihnen generierten Daten aufgezeichnet werden.
Spielt das sogenannte Beobachterparadoxon auch bei Daten eine Rolle, die im oder über das WWW generiert werden?
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie sprachliche Äußerungen immer auch im Hinblick darauf produzieren, dass diese Daten für eine Analyse bestimmt sind.
Für den*die Versuchsleiter*in ist oftmals im Nachhinein ohne explizites Nachfragen kaum zu rekonstruieren, inwieweit beispielsweise besonders drastische oder auch besonders milde Äußerungen der Erhebungssituation geschuldet sind. Der*die Versuchsleiter*in muss ebenfalls damit leben, dass ihm*ihr ein Teil der produzierten Daten generell verborgen bleiben wird, weil die Nutzer*innen von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Aufzeichnungsprogramme zu deaktivieren. Wie bei jeder teilnehmenden Beobachtung wird auch hier mit der Hoffnung gearbeitet, dass sich die Versuchsteilnehmer*innen über einen längeren Zeitraum an die Aufnahmesituation gewöhnen und zunehmend natürlich agieren.
1.4.5 Digitale Ethnographie
Für umfassende qualitative Analysen, die auch Netzwerkeffekte (etwa die Dynamik in potenziellen Echokammern, vgl. Sunstein 2001), situative (kontextuelle) Gegebenheiten oder andere Common Ground bildende und damit relevante Aspekte integrieren, sollten Online-Kommunikate in ihrer multimodalen Komplexität erfasst werden.
Elementarer Bestandteil von Online-Kommunikaten (Kommunikationselementen bzw. Kommunikationsbeiträgen, vgl. auch Jakobs 2011, Adamzik 22016) sind Informationen über deren Ursprungsort und deren Verbreitungshistorie, die Angaben zu den Urheber*innen ebenso mit einschließen wie Social-Media-Funktionen (etwa Reaktionen wie Likes, Teilen oder Kommentare).
Geleitet durch das Bestreben, sich ein umfassendes Bild von Praktiken in der Onlinekommunikation (und darüber hinaus) machen zu können, hat sich die sogenannte Digitale Ethnographie etabliert. Als online-ethnographische Daten versteht Androutsopoulos (2008:2) Angaben darüber,
welche Motivation Personen haben, spezifische sprachliche Verwendungsweisen zu nutzen und was diese bedeuten;
inwieweit sich Personen darüber bewusst sind, wie vielgestaltig die Online-Kommunikation ist und wie sie dies bewerten;
welches Wissen sie über den Ursprung und die Verbreitung von sprachlichen Innovationen im Web haben sowie über
die Verknüpfung zwischen den Interpretationen der Kommunikationsteilnehmer*innen und der Forscher*innen.
Es sind Informationen wie diese (und die oben genannten Kommunikatkonstituierenden), die sich nicht einfach von einem Bildschirm ablesen lassen, sondern über eine Methodenkombination erschlossen werden können, die Androutsopoulos „discourse-centred online ethnography“ (kurz: DCOE) nennt. Das bedeutet, dass die systematische Online-Beobachtung von spezifischen Webseiten (darunter fallen natürlich auch Soziale-Netzwerk-Seiten) in direktem Kontakt mit den sozialen Akteur*innen erfolgen sollte.
1.4.5.1 Online-Beobachtung
Wir wenden uns hier zunächst der Online-Beobachtung zu, deren Vorteile natürlich nicht von der Hand zu weisen sind. Forscher*innen können im Web schließlich unbemerkt mitlesen. Dabei beeinflussen sie die laufende Interaktionssituation nicht. Das Labovsche Beobachter-Paradoxon spielt – wie oben bereits erwähnt – keine Rolle.
Zu bedenken ist jedoch, dass die Kommunikation in einem (semi-)öffentlichen Raum, wie dem World Wide Web, für ein Publikum entsteht, dessen Konstitution ungewiss ist. So ist schlicht nicht festlegbar, wer und wie viele Menschen die Interaktion mitverfolgen, ohne sich je aktiv zu beteiligen. Darüber hinaus ist Kommunikation insbesondere auf Sozialen-Netzwerk-Seiten darauf ausgelegt, anschlussfähig zu sein.
Dass die Interagierenden die Beobachtungssituation mitdenken und/oder ihre Beiträge so formulieren, dass sie in der täglich produzierten Textmasse sichtbar werden, ist also durchaus denkbar und relativiert die Freude darüber, dass das Beobachter-Paradoxon wahrscheinlich nicht greift. Andererseits wird damit sichtbar, wie Menschen unter bestimmten Bedingungen digital kommunizieren und so ist die Kommunikation auch beschreibbar. Vermutlich haben wir zudem einen Effekt, der auch bei Datenerhebungen mit Kamera-Aufnahmen eintritt – Gewöhnung an die Kommunikationssituation und mehr und mehr zunehmendes Zulassen von Alltagsinteraktion.
1.4.5.2 Partizipation
Umso wichtiger ist es, dass sich Forscher*innen mit den Online-Kommunikationsbedingungen vertraut machen. Eine Datenerhebung ohne eigenen Account auf der jeweils untersuchten Plattform erscheint uns schwierig. Beim Überwinden dieser kleinen technischen Hürde – ein Account ist schnell angelegt – sollte es aber nicht bleiben. Es ist unerlässlich, das zu untersuchende Netzwerk auch kennenzulernen (vgl. Marx 2019b). Wer nicht selbst auf Sozialen-Netzwerk-Seiten aktiv ist, wird die Interaktion in diesen Umgebungen nicht analysieren respektive einschätzen können. Jede Plattform hat eine eigene Kommunikationskultur und eigene kommunikative Regeln, die von den Teilnehmer*innen tradiert, thematisiert und aktiv ausgehandelt werden und die man nur kennenlernen kann, wenn man selbst