Tabelle 1.5:
Struktur von Einsilbern
Graphisch lässt sich die Silbenstruktur eines Wortes wie Streit folgendermaßen darstellen (σ = Silbe):
Silbenstruktur (AR: Anfangsrand, ER: Endrand)
Der Kern einer Silbe wird immer von einem Vokal oder einem Diphthong ausgefüllt. Vokale tragen die größte Schallfülle, das Sonoritätsmaximum, was besonders beim Singen deutlich wird. Die Anfangs- und Endränder werden von Konsonanten besetzt. In einem Wort wie in scheint der Konsonant im Anfangsrand zu fehlen. Aber dort befindet sich, wie immer, wenn eine Silbe mit einem Vokal beginnt, der bereits erwähnte Knacklaut [ʔ], der in der Schrift nicht erscheint. In der Koda hingegen können Konsonanten gänzlich fehlen wie in Zoo.
Das Deutsche ist für viele, die Deutsch lernen, eine schwierige Sprache, da im Anfangsrand wie im Endrand mehrere Konsonanten gehäuft auftreten können: im Anfangsrand bis zu drei und im Endrand bis zu fünf Konsonanten, wie man an den Beispielen <Streit> und <schimpfst> sehen kann. Schreiber mit einer anderen Herkunftssprache, in der diese Konsonantenhäufungen nicht vorkommen, neigen deshalb manchmal dazu, Vokale zwischen den Konsonanten einzufügen, um diese für sie ungewohnten Konsonantencluster ihrem anders geprägten Sprachgebrauch anzupassen. Anstatt Blume kann man dann manchmal die Schreibung *Bulume oder anstatt brechen *berechen finden.
Die Abfolge der Konsonanten am Anfang und am Ende einer Silbe ist keineswegs beliebig, sondern richtet sich nach der Schallfülle (Sonorität), die die einzelnen Konsonanten enthalten. Vom Kern einer Silbe, dort wo ein Vokal mit der größten Schallfülle sitzt, nimmt sie zu den Rändern der Silbe hin ab. Das bedeutet, dass die Konsonanten mit einer höheren Sonorität näher am Kern liegen und diejenigen mit geringerer Sonorität sich eher an den Rändern befinden. Konsonanten lassen sich also hinsichtlich ihrer Sonorität hierarchisch anordnen.
Plosive | Frikative | Nasale | Liquide | |
p, t, k, b, d, g | s, ʃ, z, f, v, ç, x | m, n, ŋ | l, r | h, j |
gering hoch
Diese Hierarchie führt zu bestimmten Abfolgen der Konsonanten: Am Anfangsrand steigt die Sonorität an und im Endrand fällt sie wieder ab. Deshalb kommt es am Anfang und am Ende von betonten Silben zu umgekehrten Abfolgen, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Am Anfangsrand sind diese Abfolgen möglich:
(2) | /p – l/ | wie in Plage |
/p – r/ | wie in Preis | |
/ʃ – m/ | wie in schmecken | |
/ʃ – n/ | wie in Schnecke |
Im Endrand kehren sich diese Abfolgen um:
(3) | /l – p/ | wie in Kalb |
/r – p/ | wie in Korb | |
/m – ʃ/ | wie in Ramsch | |
/n – ʃ/ | wie in Wunsch |
1.7 Bereiche der Wortschreibung
Zum Kernwortschatz gehören etwa 8000 heimische, native Wörter mit einfachen, regelmäßigen Stämmen, häufigem Gebrauch und leichter Erlernbarkeit (Eisenberg 2017). Die größte Gruppe umfasst mindestens 5000 einsilbige und zweisilbige Substantive mit einer ersten betonten und einer zweiten unbetonten Silbe. Die unbetonten Silben enthalten immer den Schwa-Laut [ə], entweder in offener Silbe wie in Nase oder geschlossen mit den Konsonanten [n], [m], [r] oder [l] wie in Haken, Atem, Schiefer oder Bügel. Hinzu kommen vor allem noch Verben und Adjektive, aber auch einige Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen (z.B. reden, eitel, heute, gegen, aber).
Aus didaktischer Sicht ist es entscheidend, dass dieser Kernwortschatz sicher erlernt wird. Der Schwerpunkt des Rechtschreibunterrichts sollte auf einfach und regelhaft geschriebenen Wörtern liegen, nicht auf Ausnahmen und Fremdwörtern. Anstatt des Terminus Kernwortschatz schlagen wir für den Unterricht den Begriff Normalwörter vor, der Schülerinnen und Schüler darauf verweist, dass die Schreibungen dieser Wörter auf einfachen Wortmodellen beruhen, die man sich leicht einprägen kann.
Zu einer weiteren Gruppe gehören meist kurze Wörter aus kleinen, geschlossenen Klassen wie Partikeln (Adverbien, Interjektionen, Konjunktionen, Präpositionen), Artikel, Pronomen, Hilfsverben und einfache Zahlwörter. Diese Wörter kommen häufig vor und sind wohl gerade deshalb nicht immer regulär. Sie können es sich gewissermaßen erlauben, gegen Regeln zu verstoßen, da sie sich leicht einprägen lassen und deshalb kein Bedarf besteht, sie an regelhafte Schreibungen anzupassen. Beispielsweise die überaus häufige Konjunktion und, die, anstatt mit <t> wie in bunt, am Ende mit <d> geschrieben wird, obwohl das Wort nicht verlängerbar ist. Aber auch die kleine Gruppe kurzer Substantive mit einer Verdoppelung des Vokalbuchstabens wie Aal, See und Zoo gehören zu dieser Gruppe. Wir können sie als Kurzwörter bezeichnen.
Kurzwörter sind Lernwörter, da sie sich nicht mit Regelwissen erschließen lassen. Man muss ihre Schreibung kennen. Sehr viele davon sind so häufig, dass es nicht nötig ist, sie eigens zu lernen. Bei nicht ganz so häufigen wäre es aber sinnvoll, sie in Gruppen als Lernwörter zu präsentieren, da sie sich oft doch auch wieder nach bestimmten Regularitäten richten und so als Gruppe erkennbar werden, was wiederum dem Leser nützt.
Den größten Anteil an diesen Kurzwörtern haben sogenannte Funktionswörter, das heißt Wörter, die primär eine grammatische Funktion erfüllen und eine geschlossene Klasse bilden. Sie zeigen Besonderheiten der Schreibung u.a. in folgenden Bereichen:
meist ohne Vokaldehnungsmarkierung: so, wo, zu, da, ja, wir, dir, mir
wenige mit Vokaldehnungsmarkierung: ihr, ihn, ihm
meist ohne Konsonantenverdoppelung: das, was, mit, ob, von, hat
wenige mit Konsonantenverdoppelung: wenn, dann, denn, dass
mit