1 Warum schreibt man am mit einem m, aber Kamm mit zwei m?Weil man Kamm verlängern kann.Weil Kamm großgeschrieben wird.Weil das a in Kamm kürzer ausgesprochen wird als in am.
2 „Der Maler hat ein helles, kräftiges blau aufgetragen.“ Wird hier blau kleingeschrieben?Ja, denn Farben sind Adjektive und werden immer kleingeschrieben.Die Wortstellung verlangt, dass blau großgeschrieben wird.Nein, wenn es um Malerfarben geht, schreibt man blau groß.
3 Warum schreibt man die Wörter kahl, Rahm, Sahne oder Fahrt mit einem h, aber die Wörter Hase, Bad, Rabe oder Schaf ohne ein h?Die Wörter Hase, Bad, Rabe und Schaf kann man verlängern.Die a-Laute in Zahl, Rahm, Sahne und Fahrt werden länger ausgesprochen.Wenn nach einem langen a ein l, m, n oder r folgt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein h eingefügt werden muss.
4 Warum schreibt man Kanne mit zwei n, aber Kante nur mit einem n?Weil bei Kante nach dem n noch ein Konsonant folgt.Das a in Kanne wird kürzer ausgesprochen als in Kante.Kanne hat zwei n, um das Wort leichter trennen zu können.
5 Warum schreibt man die Kante mit einem n, kannte aber mit zwei n?Kante ist ein Nomen, kannte ist ein Verb.Weil das Verb von kennen abgeleitet wird.Die Schreibung von kannte ist eine Ausnahme.
6 Warum werden Wörter wie richtig oder steinig am Ende mit ig geschrieben, obwohl man im Norden Deutschlands ein ich hört?Wenn man am Ende ein ich hört, ist das eine falsche Aussprache.Weil man ein g hört, wenn man diese Wörter verlängert.Wenn man am Ende ein ig hört, schreibt man das Wort automatisch richtig.1
Die kurzen korrekten Antworten deuten bei diesem kleinen Test nur an, warum Sie richtig liegen. Die umfassenderen Antworten werden Sie geben können, wenn Sie die Begründungen in ihrem systematischen Zusammenhang verstanden haben. Ziel der Arbeit mit diesem Buch ist es nämlich nicht, möglichst viele einzelne Regeln und Ausnahmen zu kennen, sondern unsere Orthografie als ein in sich logisches und überaus nützliches System zu verstehen. Aus diesem generellen Verständnis heraus werden Ihnen dann einzelne Regelungen nicht mehr willkürlich erscheinen, sondern einen Sinn bekommen, nämlich den Sinn, das Lesen zu erleichtern. Das sollte auch das Ziel Ihres Unterrichts als Deutschlehrerin oder Deutschlehrer sein.
1.2 Ist die Rechtschreibung schlechter geworden?
Leider gibt es nur wenige Studien, in denen die Rechtschreibleistung über einen längeren Zeitraum untersucht wurde, um diese Frage zuverlässig zu beantworten. Eine der wenigen ist die Longitudinalstudie LOGIK (Schneider 2008), in der die Rechtschreibentwicklung von insgesamt 200 Kindern bzw. Jugendlichen vom 4. bis zum 24. Lebensjahr im Zeitraum von 20 Jahren verfolgt wurde. Anhand von Wort- und Satzdiktaten zeigte sich, dass sich die Fehlerzahlen von 1984 bis 2004 nahezu verdoppelt haben. Von 1968 bis 1995, also in 27 Jahren, konnte anhand einer wesentlich größeren altersheterogenen Stichprobe mit dem gleichen Diktat wie in der LOGIK-Studie ebenfalls eine Verdoppelung der Fehlerzahlen festgestellt werden (Zerahn-Hartung et al. 2002).
In einer diachronen Studie zum Schreiben von Viertklässlern aus dem Ruhrgebiet wurde in einem Zeitraum von 40 Jahren anhand frei formulierter Texte aus den Jahren 1972, 2002 und 2012 von insgesamt 967 Schülerinnen und Schülern ein Anstieg von 7 auf annähernd 17 orthografische Fehler je 100 Wörter beobachtet. Besonders stark war dieser Anstieg bei Kindern aus unteren sozialen Milieus (Steinig et al. 2009; Steinig/Betzel 2014). Da schulischer Erfolg stark durch eine schwache Rechtschreibleistung beeinflusst wird, wirkt sie wie eine Bildungsbarriere und behindert den sozialen Aufstieg.
Die Schulpolitik reagierte auf den sozialen Sprengstoff, der in der unterschiedlichen Beherrschung der Rechtschreibung steckt, mit einer kontinuierlichen Absenkung der Leistungsziele in den Lehrplänen. Doch die Hoffnung trog, mit verminderten Ansprüchen an die orthografische Kompetenz die sozial bedingte Schere zu schließen. Das Gegenteil trat ein: Während im Deutschunterricht auf den Rechtschreibunterricht immer weniger Wert gelegt wurde, vergrößerten sich die Unterschiede zwischen Kindern aus bildungsfernen und bildungsnahen Milieus, in denen es offenbar trotz gravierender Defizite im Unterricht gelang, das Rechtschreibniveau der Kinder durch häusliche Unterstützung auf einem einigermaßen akzeptablen Niveau zu halten.
Nach einer IQB-Studie von 2016 hat sich der Abwärtstrend in Bezug auf Rechtschreibleistungen in den letzten Jahren fortgesetzt. Seit der Vorgängerstudie 2011 haben sich die Werte bei Viertklässlern weiterhin verschlechtert. Während 2011 noch zwei Drittel der Schüler den Regelstandard erreichten, sind es 2016 im Bundesdurchschnitt nur noch 53,9 Prozent. 22,1 Prozent erreichen nicht einmal den Mindeststandard (Stanat et al. 2017).
Es gibt mehrere Gründe für diesen Abwärtstrend, der in den 1970er Jahren begann. Die Neuorientierung der Deutschdidaktik an kommunikativ wirksamen Sprachhandlungen in sozial relevanten Textsorten führte dazu, dass formale Merkmale von Sprache wie die Rechtschreibung oder die Handschrift ein geringeres Gewicht bekamen. In den 1980er Jahren wurden Pädagogik und Didaktik zudem von konstruktivistischen Vorstellungen beeinflusst, so dass man annahm, individuelle kognitive Konstruktionsprozesse seien für den Erwerb der Rechtschreibung zentral. Orthografie wurde im Anfangsunterricht zum Lesen und Schreiben nicht mehr als ein Lerngegenstand gesehen, der erklärt, intensiv geübt und mit Diktaten überprüft werden muss, sondern als ein innerer, weitgehend selbstgesteuerter Entwicklungsprozess, der bei jedem Kind über mehrere Stufen anders verläuft und den Lehrkräfte nur individuell begleiten und fördern müssten. Da eine derartige individuelle Unterstützung in Klassen mit etwa zwanzig Kindern kaum gelingen kann, kam es zu gravierenden Fehlentwicklungen, insbesondere bei Kindern aus bildungsfernen Familien, deren Eltern die orthografischen Defizite nicht kompensieren konnten.
Auch veränderte Rahmenbedingungen, wie ein geringerer Anteil des Deutschunterrichts in der Stundentafel, weniger (systematischer) Rechtschreibunterricht innerhalb des Deutschunterrichts und geringere Anforderungen in den Lehrplänen führten zu einer geringer werdenden Rechtschreibkompetenz (Steinig 2017: 214f.).
Digitale Medien könnten ebenfalls einen negativen Einfluss auf normgerechtes Schreiben haben. Einerseits wird zwar heute über das Internet mehr geschrieben als jemals zuvor, aber andererseits wird beim elektronischen Schreiben im privaten Verkehr wenig auf die Rechtschreibung geachtet. Entweder man vertraut der Korrekturfunktion seines Schreibprogramms oder aber die Schreibnormen sind einem gleichgültig, da die rasch geschriebenen Texte als flüchtige Botschaften gemeint sind, die bald wieder vergehen. Warum sollte man sich deshalb um die Rechtschreibung scheren?
Schließlich wird auch noch vermutet, dass die Rechtschreibreform zu mehr Rechtschreibfehlern geführt haben könnte. Doch einen unmittelbaren Einfluss aufgrund von veränderten Schreibungen muss man wohl ausschließen, da es nur zu relativ wenigen Veränderungen kam. Die Reform führte aber auch nicht zu der von der Kommission erhofften Minderung der Fehlerzahlen, die sie mit den Vereinfachungen von Regeln und dem Ausmerzen von Ausnahmen intendierte. Vermutlich trug der über 15 Jahre dauernde quälende Prozess von 1996 bis 2011, in dem Regelungen verändert und teilweise auch alternative Schreibungen erlaubt wurden, zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung bei. Vor allem Lehrkräfte waren häufiger verunsichert, wie sie etwas schreiben bzw. unterrichten sollten, was dazu führen konnte, dass sie ihren Rechtschreibunterricht weniger konsequent betrieben.
Die gelegentlich geäußerte Vermutung, dass Schülerinnen und Schüler heute weniger lesen als früher und deshalb die Rechtschreibung schlechter geworden sei, ist abwegig, da Lesen und Rechtschreiben in keinem direkten Bezug zueinander stehen. Wer viel liest, kann dennoch ein schlechter Rechtschreiber sein, und gute Rechtschreiber müssen nicht unbedingt viel lesen.
Eine