Das Wachstum der Systeme lässt sich am einfachsten und eindrucksvollsten am Prozentsatz des von ihnen einbezogenen Teils der Bevölkerung ablesen. Deutlich wird hier, dass es Ländern mit öffentlichem Gesundheitsdienst bzw. Volksversicherung i.d.R. schneller gelang, die gesamte Bevölkerung in diese Absicherung einzubeziehen. Länder mit Sozialversicherungssystemen taten sich hingegen etwas schwerer. Doch auch hier ist eine zunehmende Inklusion der Bevölkerung in das gesetzliche System festzustellen (Alber 1987).
In Westeuropa verfügen damit heute fast alle Länder über öffentliche Gesundheitssysteme, die die medizinische Versorgung für die gesamte Bevölkerung sicherstellen. Länder mit Sozialversicherungssystemen haben den Kreis der gesetzlich Krankenversicherten Zug um Zug ausgeweitet und so z.B. nicht erwerbstätige Personen wie Studenten oder Hausfrauen in den öffentlichen Versicherungsschutz einbezogen. Fast alle westeuropäischen Länder haben sich so einer umfassenden öffentlichen Absicherung ihrer Bevölkerung im Krankheitsfall angenähert. Zuletzt ist dies der Schweiz und den Niederlanden gelungen: Dort wurde im Jahr 1996 bzw. 2006 eine umfassende gesetzliche Krankenversicherungspflicht für die gesamte Bevölkerung eingeführt. Deutschland, wo nur knapp 90 Prozent der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung abgesichert sind, ist damit das letzte Land Westeuropas, das diese umfassende Form der Absicherung noch nicht erreicht hat. Immerhin wurde hierzulande mit der Gesundheitsreform des Jahres 2007 aber eine Versicherungspflicht für die gesamte Bevölkerung eingeführt. Diese unterscheidet aber nach wie vor zwischen der Absicherung in der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung.
Während die gesetzlichen, öffentlich finanzierten Systeme zur Absicherung des Krankheitsfalls über die Jahrzehnte zunehmende Verbreitung fanden, blieb die Rolle privater Krankenversicherungen in den meisten Vergleichsländern bis heute auf eine Ergänzung des öffentlichen Systems beschränkt – auch wenn es in den letzten Jahren in einigen Ländern einen gewissen Trend der Expansion der privaten Absicherung gegeben hat (vgl. Colombo/Tapay 2004, Thomson/Mossialos 2009, Sagan/Thomson 2016). Dabei konzentriert sich die private Krankenversicherung aber zumeist auf Leistungen, die das öffentliche System nicht vorsieht bzw. übernimmt Zuzahlungen oder Selbstbehalte, die im öffentlichen System zu entrichten sind, oder sichert eine zügigere Versorgung ohne längere Wartezeiten ab. In den Gesundheitssystemen der betrachteten Länder stellt sich die Situation der privaten Krankenversicherung heute wie folgt dar (vgl. auch Tab. 4):
Tab. 4Anteil privat Versicherter an der Bevölkerung (in Prozent) mit Funktionen der privaten Krankenversicherung (2017). Quelle: OECD Health Data 2019. Erfasst sind auch Personen, die über Zusatzversicherungen verfügen.
Land | substitutiv | ergänzend | zusätzlich | duplizierend | insgesamt |
Belgien | 84,4 | 84,4 | |||
Dänemark | 29,2 | 29,2 | |||
Deutschland | 10,6 | 23,7 | 34,3 | ||
Finnland | 21,6 | 21,6 | |||
Großbritannien | 10,4 | 10,4 | |||
Irland | 45,4 | 45,4 | |||
Kanada | 67,0 | 67,0 | |||
Luxemburg | 65,1 | 65,1 | |||
Österreich | 36,9 | 36,9 | |||
Portugal |
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