»Die Requisiten eines Vampirs«, sagte Lady Simpson erfreut, »die sollte Mister William P. Petters sich mal gründlich ansehen. Vielleicht schwört er dann von seinem Glauben an Vampire ab.«
»Hinweise auf die Person dieses Vampirs sind leider nicht zu entdecken«, meldete Parker sich zu Wort, »aber möglicherweise wird der junge Mann mit entsprechenden Auskünften dienen, Mylady.«
»Er wird, Mister Parker, er wird! Und wenn er nicht will, so werde ich ihm Beine machen«, schwor Agatha Simpson grimmig. »Ich bin sicher, daß es dieser Lümmel war, der mich im Korridor des Ateliers erschreckt hat.«
»Ich kenne den Mann«, ließ sich die echte May Purgess in diesem Augenblick vernehmen. Sie musterte das Gesicht des jungen Mannes aufmerksam. »Aber ich weiß nicht, wo ich ihn hintun soll. Ich bin sicher, ihn schon oft gesehen zu haben.«
»Erinnern Sie sich, meine Liebe«, ermunterte Lady Simpson die Schauspielerin, »gehört er zum Atelierpersonal?«
»Jetzt weiß ich es!« May Purgess nickte nachdrücklich. »Er ist Kellner in der Kantine, ich weiß es ganz genau.«
»Richtig, meine Liebe!« Lady Simpson erinnerte sich ebenfalls. »Er servierte mir eine kleine Erfrischung, bevor er mich dann als Vampir anfiel.«
»Falls besagter junger Mann es war«, schränkte der Butler die Aussage ein. »Mylady gingen, wenn ich daran erinnern darf, von der Existenz mindestens zweier Vampire aus.«
»Ich würde diesen Flegel liebend gern erschrecken«, gestand die resolute Dame und wandte sich an Parker. »Haben Sie entsprechende Vorschläge zu machen, Mister Parker?«
»Wenn Mylady darauf bestehen, könnte man den Gast in einen der Souterrainräume bringen.«
»Was gibt es denn dort?« fragte die junge Schauspielerin.
»Sehen Sie es sich an«, lud Lady Simpson ihren jungen Gast zum Mitkommen ein. »Sie sind ja Spezialistin für Horroreffekte, nicht wahr? Es könnte sein, daß Sie noch etwas dazulernen.«
Das altehrwürdige Haus hatte es in sich!
May Purgess staunte nicht schlecht, wie groß und gut ausgebaut die Souterrainräume waren. Aber sie wußte nicht alles und bekam auch die eigentlichen Geheimnisse nicht gezeigt. Unter diesen Räumen erst befanden sich die eigentlichen Kellerräume, die man nur über einen geheimen Zugang erreichte. Im Mittelalter hatte sich hier, wo das Haus jetzt stand, mal eine Abtei befunden. Entsprechend waren die gewaltigen Gewölbe.
May Purgess sah diese Kellerräume nicht, doch sie fuhr auch so entsetzt zurück, als Parker eine Tür öffnete und Licht einschaltete.
Eine magische Beleuchtung glomm auf, die den Raum in unheimliches Licht tauchte. An einer Wand standen Terrarien, die indirekt beleuchtet wurden. In diesen Terrarien krochen Schlangen, giftig und bunt schillernd, ekelerregend und aggressiv zugleich.
Das Zischeln war deutlich zu hören.
Zu May Purgess’ Entsetzen schickten sich zwei meterlange Reptilien gerade an, über den Rand eines Terrariums zu kriechen.
»Was halten Sie von diesem Schreckenskabinett?« erkundigte sich Lady Simpson freundlich. »Keine Sorge, meine Liebe, diese Viecher sind relativ harmlos, wenn man sie nur richtig behandelt.«
Während sie redete, ging sie auf das bewußte Terrarium zu und griff wie selbstverständlich nach einer Schlange.
May Purgess stieß einen Angstschrei aus und wollte den kleinen Keller fluchtartig verlassen.
*
Der Vampir war zu sich gekommen, rieb den Hinterkopf und brauchte einige Sekunden, bis seine Erinnerung wieder intakt war. Er schaute sich nervös um, entdeckte die Terrarien und zog instinktiv seine Beine an. Dann schob er sich gegen die Wand und stierte auf das wogende Gewimmel in den großen Glasbehältern. Der Vampir sah die beiden überlangen Schlangen, die aus dem Terrarium krochen und stieß einen äußerst grellen Schrei aus. Er kroch zur Tür, richtete sich hier auf, lehnte gegen das Türblatt und hämmerte mit beiden Fäusten verzweifelt gegen das Holz.
»Rauslassen«, schrie er entsetzt. »Laßt mich raus! Hört mich denn keiner? Ich will raus! Hilfe! Hilfe!«
Hinter der Tür rührte sich nichts.
Der Vampir schielte hinüber zu den Terrarien, speziell zu den beiden überlangen Vipern, die sich immer weiter und ausgesprochen zielstrebig aus dem Terrarium schlängelten. Erst jetzt merkte der Vampir, wie stickig heiß es im Keller war, wie sehr es nach abgestandenem, warmen Wasser und nach verfaultem Fleisch roch. Eine Schlangengrube konnte nicht unheimlicher und angsteinflößender sein.
»Hilfe!« brüllte der Vampir und war nur noch ein Häufchen Elend, hämmerte gegen die Tür und schwitzte Blut und Wasser.
»Was kann ich bitte für Sie tun?« hörte er dann zu seiner grenzenlosen Erleichterung eine höfliche Stimme. Eine kleine Klappe in der soliden Tür hatte sich geöffnet, ein Teil von Parkers Gesicht war zu sehen.
»Die Schlangen«, keuchte der Vampir, »sie brechen aus. Lassen Sie mich raus, bitte!«
»Das würde meine Kompetenzen überschreiten«, antwortete der Butler bedauernd. »Mylady hat strikte Anweisung gegeben, Sie in diesem Raum zu belassen.«
»Aber warum denn?« heulte der Vampir.
»Mylady sind, im Vertrauen gesagt, ein wenig rachsüchtig«, erklärte Josuah Parker. »Mylady kann nicht so leicht vergessen, daß sie im Korridor des Filmateliers erschreckt wurde.«
»Aber das bin ich doch überhaupt nicht gewesen! Mein Ehrenwort, das war ich nicht! Lassen Sie mich endlich raus, bitte! Die Biester sind frei.«
»Sie waren nicht der Vampir, der Mylady erschreckt hat?« wunderte sich Parker sichtlich. »Darf ich auf die Requisiten verweisen, die sich in Ihren Taschen fanden?«
»Ich war es nicht!«
»Dann müssen Sie aber identisch sein mit jenem Vampir, der Miß Purgess’ Wohnung einen Besuch abstattete, nicht wahr?«
»Das bin ich gewesen!« Der junge Mann nickte heftig.
»Sie wollten Miß Purgess ermorden?«
»Niemals! Ich sollte sie ja nur erschrecken.«
»In wessen Auftrag?«
»Die Schlangen«, erinnerte der junge Vampir und schielte nach den beiden Reptilien, die sich immer weiter aus dem Terrarium herausschoben.
»Die Wahrheit«, erinnerte Josuah Parker höflich.
»Ich kenne unseren Auftraggeber überhaupt nicht«, keuchte der ängstliche Vampir, der sich vor Schlangen fürchtete. »Wir haben die Aufträge immer postlagernd abgeholt.«
»Wer außer Ihnen betätigt sich noch als Vampir?« stellte der Butler seine nächste Frage.
»Zwei Freunde«, gestand der Vampir und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, wobei er wieder nach den beiden armdicken Schlangen schielte.
»Die Namen, wenn Sie so freundlich sein wollen …«
»Les Witman und Peter Lormers.«
»Vergessen Sie Ihren Namen nicht, falls sich das einrichten läßt!«
»Ich heiße Paul Stream«, gestand der Vampir.
»Und wer von Ihnen ermordete nun den Schauspieler Rob Penwood?«
»Keiner von uns, Ehrenwort, Sir! So was würden wir nie machen! Wir sind ja selbst überrascht, daß es überhaupt zu einem Mord gekommen ist. Das war nämlich nicht ausgemacht.«
»Und wer beging den Fehler, Lady Simpson zu erschrecken?«
»Das ist Les Witman gewesen. Auch er wollte sie nicht morden, so glauben Sie mir doch!«
»Ich fürchte, ich werde mich schelten lassen müssen«, sagte Josuah Parker, »aber