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Kathy Porter hatte die Augen geöffnet und schaute sich verwirrt um. Ihr Kopf schmerzte höllisch, sie hatte einen pelzigen Geschmack im Mund, hörte neben sich ein Räuspern und sah neben dem Bett einen kahlköpfigen Mann, der etwa fünfundvierzig Jahre alt war.
Kathy begriff.
Sie befand sich in einem regulären Krankenzimmer. Wie sie hierhergekommen war, wußte sie nicht.
»Inspektor Summers«, stellte der Zivilist sich vor. »Wie fühlen Sie sich, Miß?«
»Scheußlich«, antwortete Kathy.
»Wie bin ich hierhergekommen?«
»Zwei Strandläufer haben Sie in einem alten Kutter gefunden und uns alarmiert.«
»Liege ich schon lange hier?«
»Seit anderthalb Stunden, Miß. Sind Sie in der Lage, mir einige Fragen zu beantworten?«
»Ich weiß nicht recht«, zögerte Kathy. Ihre Gedanken liefen bereits auf Hochtouren.
»Wie heißen Sie?« erkundigte sich der Inspektor.
»Kathy Porter«, gab sie ohne Zögern zurück. »Verständigen Sie bitte Lady Simpson im ›St. Cyrus‹, Sir, ja?«
»Werde ich sofort tun, Miß Porter. Sagen Sie, wer hat Sie auf den Kutter geschafft?«
»Ich weiß nicht«, schwindelte sie bewußt. »Ich habe noch Erinnerungslücken.«
»Sie waren an Händen und Füßen gefesselt. Und dann etwas wild, als die beiden Strandläufer sie losbanden.«
»Wild?« Kathy verstand nicht.
»Man muß Sie voll Rauschgift gepumpt haben«, redete der Inspektor weiter. »Sie haben den beiden Männern ganz schön die Hölle heiß gemacht.«
»Der Polizei etwa auch?« Natürlich erninnerte Kathy sich jetzt genau. Dieser Achmed hatte ihr den Drink mit Gewalt eingeflößt, und dieses Gesöff mußte es in sich gehabt haben. Sie errötete leicht, als sie an die wilden und hitzigen Phantasievorstellungen dachte, die sie danach empfunden hatte.
»Sie waren, sagen wir, etwas aufdringlich«, meinte der Inspektor und lächelte zurückhaltend, »und Sie waren völlig nackt. Wer hat Sie also auf den Kutter geschafft? Wer hat Ihnen das Gift verabreicht?«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich erst mal etwas erfrische, Inspektor?«
»Ich werde draußen warten, Miß Porter.«
Er verließ das Zimmer arglos und in bester Absicht. Kathy schlüpfte aus dem Bett, sah an sich hinunter und mußte lächeln. Sie trug einen knöchellangen, weißen Bettkittel, der nicht gerade wie ein Abendkleid aussah. Sie war noch etwas wacklig auf den Beinen, hatte einen dumpfen Kopf und schleppte sich zum Fenster hinüber.
Erleichtert atmete sie auf.
Einer schnellen Flucht stand nichts im Weg. Sie fürchtete, die Polizei würde sie zu lange verhören, und es ging um jede Minute. Butler Parker und Lady Simpson mußten unbedingt verständigt werden. Die schwimmende Bohrinsel draußen in der Nordsee war in höchster Gefahr.
Kathy öffnete vorsichtig das Fenster und stieg auf das Sims.
Sie konzentrierte sich auf den Absprung, ließ sich dann aber doch sicherheitshalber an den Händen herunter, baumelte ein wenig mit den Beinen und sprang dann nach unten auf den Rasen. Die Landung war härter, als sie vorausberechnet hatte. Kathy raffte sich auf, humpelte ein wenig und hörte dann hinter sich laute, energische Rufe. Sie wandte sich hastig um und entdeckte den Inspektor, der am geöffneten Fenster stand.
Kathy Porter rannte über den Rasen, war immer noch nicht ganz sicher auf den Beinen, schwankte und taumelte und erreichte den Parkplatz neben dem Haupteingang des kleinen Krankenhauses.
Was sie genau wollte, wußte sie nicht. Es ging darum, irgendein Fahrzeug zu bekommen, vielleicht ein Taxi öder ein Privatfahrer, der sie mitnahm. Hauptsache war, daß sie so schnell wie möglich ins »St. Cyrus« kam, um Lady Simpson und Butler Parker zu informieren.
Ihrer etwas ungewöhnlichen Kleidung war sie sich schon nicht mehr bewußt, dazu gingen die Gedanken ihr noch zu wirr im Kopf herum. Sie erreichte den Parkplatz, verschwand zwischen den abgestellten Wagen und sah sich plötzlich einem Mann gegenüber, der in ihr Alarm auslöste.
Cardano, der Magier der Hölle!
Er schien auf sie gewartet zu haben, lächelte teuflisch und riß sie an sich. Kathys Gegenwehr war praktisch gleich Null. Sie war einfach noch zu schwach um sich von diesem Mann zu lösen. Er drängte sie gegen den Wagen, öffnete die Tür und stieß sie auf die Polster.
Blitzschnell saß er vor dem Steuer und jagte los.
»Nein, nein!« stöhnte Kathy, aber sie spürte bereits wieder den Eisenreif, der sich um ihre Stirn und Schläfen legte. Eine wohlige Mattigkeit breitete sich in ihr aus. Sie schloß die Augen und ließ sich zurücksinken.
Sie wollte nur noch schlafen.
*
»Ein bequemeres Boot konnten Sie wohl nicht finden?«
Agatha Simpson war in das kleine offene Motorboot umgestiegen und sah ihren Butler mißbilligend an. Sie hatte gewartet, bis Putnam und die beiden Akrobaten in Sicherheit waren, und rümpfte die Nase, als sie die teils noch gefüllten Fischkästen sah, die sich im Boot befanden.
Der Mann am Ruder hatte alle Mühe, von dem Riff wegzukommen, auf dem der Leuchtturm noch immer schief stand. Die Brecher waren recht ansehnlich und warfen das Boot wie eine Nußschale herum, doch er war erfahren und schaffte es. Mit Höchstfahrt fuhr er dann weg von der Brandung in die offene See hinaus, wo sie bedeutend ruhiger war.
»Darf ich mir erlauben, Myladys Aufmerksamkeit auf den Turm zu lenken?« ließ Parker sich vernehmen. Agatha Simpson wandte sich schnell herum und kniff die Augen zusammen. Der Leuchtturm rutschte gerade ein gutes Stück weiter auf die Seite und kippte dann mit dem oberen Teil weg ins Wasser. Nur der kräftige und breitere Stumpf blieb stehen, sah aber hoffnungslos aus. Die Brandung schäumte über die Mauerreste und hüllte sie in Schaum und Gischt.
»Es war mir zu meinem Leidwesen nicht vergönnt, schneller zu kommen«, entschuldigte sich der Butler. »Die einheimischen Fischer waren kaum dafür zu gewinnen, sich dem Leuchtturm zu nähern, zumal sie um dessen Brüchigkeit wußten.«
»Wie haben Sie das Wellenreiten überstanden, Mr. Parker?«
»Leidlich, wenn ich mich so ausdrücken darf, Mylady. Ich fürchte, mein erster Versuch sah nicht besonders formvollendet aus.«
»Sie sollten das bei passender Gelegenheit trainieren«, antwortete die ältere Dame, die um keinen Preis der Welt ihre grenzenlose Erleichterung zeigen wollte. »Ihr Stil ist noch nicht recht ausgeprägt.«
Nach einer Fahrt von etwa einer halben Stunde erreichten sie den Hafen von Montrose und machten im Jachthafen fest. Herbert Nell, der aufmerksam die Boote beobachtet hatte, wandte sich an den Butler.
»Lynns Boot ist weg«, sagte er nervös.
»Um welch ein Boot handelte es sich?«
»Ein ehemaliger kleiner Minensucher, den er sich für seine Zwecke hat umbauen lassen.«
»Ob Mr. Lynn bei diesem Wetter eine kleine Ferienausfahrt riskiert haben könnte?«
»Niemals, Mr. Parker. Der ist bestimmt unterwegs zur Bohrinsel.«
»Ein Hinweis, dem man nachgehen sollte«, bedankte sich der Butler höflich, »aber nun notgedrungen zu Ihnen und zu Miß Durbin.«
»Was haben Sie schon davon, wenn Sie uns der Polizei ausliefern?«
»Wir haben doch eigentlich nichts! getan«, verteidigte sich auch Lana! Durbin. Sie sah den Butler flehend an.
»Sie haben immerhin fünf Bohrarbeiter bestochen