Anstandsfesseln. Carrie Fox. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carrie Fox
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960000631
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herunterlaufen. Sein Muskelshirt war am Rücken durchnässt und die Hitze hatte ihm Schweißperlen auf die Stirn getrieben. Er setzte den Sicherheitshelm ab und wischte sie mit dem Handrücken fort. Er öffnete eine Flasche Wasser. Er setzte sie an und trank einen großen Schluck, bevor er sich den Rest über den Kopf goss. Wie erfrischend das war! Er genoss es, wie das Wasser kühlend in seinen Nacken und über das Gesicht lief. Es floss vom Kinn herab und tropfte auf seine Brust. Er schüttelte sich wie ein nasser Hund und wischte sich, die Flasche in der Hand haltend, das Kinn ab. Dann hörte er den Kran, wie er über die unebene Wiese heran rumpelte. Charly blinzelte dem Sonnenlicht entgegen.

      Er dirigierte den Kran in die Richtung, in die er die Schwerlasten drehen musste, damit sie millimetergenau an ihrem Bestimmungsort befestigt werden konnten.

      »Hey, da oben! Den Ring neben der Halterung fest montieren!«, rief er Tomasz zu.

      »Jou!«, schrie der zurück.

      »Und steck das lange Ding tief rein!« Ein dreckiges Lachen erklang von oben. Tomasz war damit beschäftigt, die tonnenschweren Rundstahlstreben zusammenzusetzen und blickte frech grinsend auf ihn.

      »Bis zum Anschlag!«, befahl Charly und musste jetzt selber lachen.

      »Schon gemacht.« Die Stimme des Polen klang rau, wie die eines Seemanns. Wenn Charly ihn betrachtete, sah er auch genauso aus, nur dass er an einer Stahlstrebe hing und nicht am Mast eines Segelschiffes.

      »In drei Tagen ist Sicherheitsabnahme. Ihr müsst euch beeilen!«, rief Charly zurück und machte sich daran, die erste Etage der Rohrverbindungen zu erklimmen. Bald würde die Loopingbahn stehen.

      Irgendwo hatte jemand ein Radio angestellt. Musikschwaden wehten über den Platz. Charly nahm einen Stahlträger in Empfang, den der Kran vorsichtig in seine Richtung drehte und koppelte das tonnenschwere Teil mit Hilfe eines Riesenwerkzeugs mit einem anderen Metallteil zusammen. Er setzte seine ganze Muskelkraft ein, um positionsgenau zu hantieren. Ein dumpfer, metallischer Klang und ein anschließendes Klicken verrieten ihm, dass die Verbindung eingerastet war und richtig saß. Er ließ seinen Blick über das Kirmesgebiet schweifen. Von hier aus konnte er über den ganzen Platz sehen. An den Absperrungen standen Schaulustige, die den Fortgang des Aufbaus beobachteten. Eine junge Frau drängte sich nach vorne. Sie hatte braune, wirr gelockte Haare und trug einen dunklen Overall. Sie schien interessiert an dem ganzen Treiben. Plötzlich blickte sie ihn an. Er sah sich um. Nein, es war niemand anderer in seiner Nähe, also fixierte sie sicher ihn. Er kannte diesen Beobachtungsblick der Frauen. Er wusste, was diese Damen von ihm wollten. Und nur allzu gern ließ er sich darauf ein, denn in jeder Stadt gab es mindestens eine, mit der er sich vergnügte.

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       ZUCKERWATTE UND ACHTERBAHN

      Viola war in ihr Auto gestiegen. Das hätte sie lieber stehen lassen sollen, denn sämtliche Straßen rund um den Rummelplatz waren bereits abgesperrt. Schwerlastschlepper auf sechzehn Rädern lieferten riesige Verstrebungen und kunstvoll bunt lackierte Metallteile. Viola blieb der Mund offen stehen, als sie die riesenhafte Fratze des Teufels vorbeiziehen sah. Wahrscheinlich war es ein Teil der Horrorbahn aus dem Geisterschloss. Das Gesicht beeindruckte sie auch ohne blinkender Lichtleisten, zuckenden Blitzen und unheimlicher Geräusche. Sie musste eine Umleitung fahren, um nahe an den Rummelplatz zu gelangen. Sie parkte ihr Auto abseits und musste noch einige Minuten laufen, bevor sie ankam.

      Nach einer Weile wurde das Drängeln der Schaulustigen unbequem. Viola kämpfte sich vor, bis sie die Absperrung erreicht hatte. Dicke, rot und weiß gestreifte Plastikgitter versperrten den Platz. Zum Glück waren endeten sie in Bauchhöhe, wahrscheinlich damit auch Kinder etwas zu sehen bekamen. Es liefen schwarz gekleidete Security-Mitarbeiter mit wachsamen Augen am Zaun hin und her. Sie trugen Kappen, die an Polizisten erinnerten und an ihren schweren Gürteln hingen Schlagstöcke. Offenbar mussten sie für alle Fälle ausgerüstet sein oder zumindest bedrohlich aussehen. Beeindruckt beobachtete Viola, wie sie patrouillierten. Dann betrachtete sie das Skelett des stählernen Kolosses, das später die Loopingbahn werden sollte. In einer Woche sollte das Fest beginnen. Sie freute sich auf die leckeren Köstlichkeiten, die gebrannten Mandeln und Zuckerwatte. Dieser Rummelplatz war traditionsreich und bestand seit dem siebzehnten Jahrhundert, hatte sie gehört. Die bunten Lichter der modernen Kirmes würden in Kürze schillernd blinken und die laute Musik an jedem Stand anders klingen. Sie war auf die neuen Fahrgeschäfte gespannt. Wie auch auf anderen Festplätzen konnte es für Viola nicht hoch oder schnell genug sein. Das war ein echter Kick, ein Adrenalinstoß den sie genießen musste. Mal ganz abgesehen von den wohlschmeckenden Süßigkeiten, von kandierten Äpfeln oder einem großen Humpen Bier am Abend, war die Atmosphäre auf dem Jahrmarkt beinahe wie auf dem berühmten Oktoberfest. Und am Ende ließ stets ein gigantisches Feuerwerk den Himmel erleuchten. Es würde das pure, spritzige Abendleben für sie sein. Ach, wenn es doch schon so weit wäre!

      Plötzlich riss sie ein prachtvoller Anblick aus ihren Träumereien. Da saß ein braungebrannter, cooler Typ mit halbnacktem Oberkörper auf der ersten Etage des Fahrgerüstes. Er sah beeindruckend und bombastisch aus. Neben ihm stand eine Flasche Wasser, daneben lag ein gelber Sicherheitshelm. Der Mann nahm die Flasche, trank zuerst und schüttete sich die Flasche Wasser über den Kopf. Das Wasser floss über seine schwarzen Haare und sein sonnengebräuntes Gesicht. Er öffnete den Mund, trank den Rest des fließenden Wassers, dann schüttelte er sich, wischte die Wassertropfen mit dem Handrücken fort und streckte danach seinen braunen Oberkörper der Sonne entgegen. Dann setzte er den Helm wieder auf und sprang elegant wie eine Raubkatze von der ersten Etage des Fahrgerüstes auf den Boden. Dabei hielt er sich mit einem Arm an einer Stange fest und schwang seinen schönen Körper drehend hinunter. Himmel noch mal, was hat der für einen durchtrainierten Körper. Viola konnte selbst aus dieser Entfernung erkennen, wie seine Muskeln an den Armen spielten. Und erst der Rücken. Ein großes V ging in eine schlanke Hüfte über, die in einem Jeansbund verschwand. Die Jeans war zerschlissen, ein Blau war kaum noch zu erkennen und seine Füße steckten in klobigen, schwarzen Sicherheitsschuhen. Wie ein Bauarbeiter sah er aus. Voller Kraft und schmutzig von der Arbeit. Sie seufzte bewundernd. Offensichtlich war er der Vorarbeiter der Truppe und hatte hier etwas zu sagen. Er gab Anweisungen, die von den anderen Arbeitern ausgeführt wurden. Schließlich wandte er den Kopf zum Absperrzaun. Eine Weile verharrte er. Sah er sie an? Eigentlich konnte er jeden meinen, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass er sie meinte. Wenn er doch nur näher käme, damit sie sein Gesicht sehen konnte. Aber er ging zurück in den hinteren Bereich. Schade, sie hätte ihn gern länger beobachtet. Einen Augenblick lang überlegte Viola, ob sie sich an der Security vorbeischleichen sollte, um den Mann an dem großen Gerüst zu verfolgen. Aber sie könnte genauso gut des Platzes verwiesen werden, wenn man sie erwischte. Vielleicht würden die Sicherheitsbeamten den Schlagstock zücken. Nein, das durfte sie nicht riskieren. Sie hielt sich zurück und beschloss, den gut aussehenden Kerl zu suchen, wenn der Rummel begann. Irgendwo würde sie ihn finden. Er gehörte ja hierher.

      Sie sah noch eine geraume Zeit dem Treiben zu, genoss die metallisch hämmernden Geräusche, den Sonnenschein und die Musik, die von weit her zu ihr wehte. Die Monsterteile, die der Kran brachte, wurden von den Arbeitern routiniert zusammengesetzt. Die Sonne schien hell und ließ die Stahlstreben aufblitzen. Der Frühsommerhimmel zeigte weiße Wölkchen. Es war ungewöhnlich heiß. Kein Schatten war weit und breit, keine Bäume, keine hohen Mauern. Ihre Kehle fühlte sich staubig an, wohl wegen der Hitze. Oder weil sie wegen des Typs staunend den Mund offen stehen lassen hatte? Sie kicherte insgeheim. Bei einem Prachtwetter wie diesem konnte sie sich noch ein Eis gönnen. Sie drehte sich um und wollte sich gerade einen Weg durch die Menschenmenge bahnen, um den Platz zu verlassen, zögerte aber, einen weiteren Schritt zu tun. Sie spürte, wie sie von hinten beobachtet wurde. Etwas bohrte sich scheinbar in ihren Nacken. Als hielte sie jemand im Genick fest, ließ sie ihre Augen nach rechts und links rollen, ohne ihren Kopf zu bewegen. Irgendjemand war nahe an sie heran getreten und hielt sie mit seinem Blick fest. Ein leichter Hauch schien sich auf ihren Hals gelegt zu haben. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und eine Gänsehaut überzog ihre Arme. Sie wollte sich gerade