Britische Soldaten sind oft bei diesen Auftritten dabei. Kommt es zu einer Schlägerei, weiß die Band, was zu tun ist. Die britische Nationalhymne wird gespielt, und die Kämpfernaturen müssen stramm stehen. Nach Verklingen der Hymne sind die Hitzköpfe abgekühlt.
Udo weiß, was durchhalten heißt. »Capitol-Records« in Amerika lehnt seine erste Single ab. »Dabei wussten wir schon in den Anfängen, dass aus Udo einmal etwas wird«, erinnert sich sein erster Band-Kollege, der Klagenfurter Trafikant Arnulf Wadl, mit dem der heutige Star, damals noch als Udo Jürgen Bockelmann, im »Valzachi« seine ersten musikalischen Gehversuche machte. »Manchmal trat er im schwarzen Hochzeitsanzug vom Vater auf, weil er noch keinen eigenen Smoking hatte«, lacht Ex-Schlagzeuger Wadl, »aber immer mit dem Blick fürs Wesentliche. Gegen ihn waren wir anderen alle Dilettanten. Er war schon immer ein i-Tüpfelchen-Reiter.«
1 Aller Anfang ist schwer: die ersten Gehversuche auf der Bühne in den Fünfzigerjahren.
2 Wenn auch die Erfolge noch spärlich sind, an Fanpost mangelt es Udo wirklich nicht.
Der Klagenfurter Anwalt Dr. Herwig Jasbetz, mit dem Udo Jürgens als Student mit einem uralten Ford 17 000 Kilometer quer durch Amerika trampte, erzählt: »Es ist toll, der Udo ist immer noch der Lausbub geblieben. Er kann ja so komödiantisch sein.«
Erste Erfolge – Panja
1954: Der Chef des RIAS-Tanzorchesters in Berlin, Werner Müller, lädt Udo ein. Der Anfang einer Karriere ist greifbar nah: Er bekommt den ersten Plattenvertrag mit Heliodor/Polydor: »Es waren weiße Chrysanthemen« ist der erste Plattentitel, zählt aber nicht zu seinen großen Erfolgen. Er wird – laut Udo – ein kapitaler Flop.
Während Udo sich bei vielen Live-Auftritten als Jazzpianist einen Namen macht, ändert er erneut seinen Künstlernamen: Udo Jürgens, abgeleitet von seinen beiden Vornamen Udo und Jürgen. Eine Entscheidung von ungeahnter Auswirkung. Mit neuem Namen geht er bereits mit dem Orchester Max Greger auf Russland-Tournee. Seine Freundin Brigitta »Gitta« Köhler, seine erste länger währende Liebesbeziehung, bleibt in Wien zurück.
Doch der Durchbruch ist immer noch nicht geschafft. Es sind die schweren Jahre des Anfangs, des Wartens auf einen Hit. Udo wohnt inzwischen mit dem Sänger Frank Forster in einer Pension in München-Schwabing. Es reicht nur zum Tingeln oder zu unbeachteten Auftritten in dem kleinen Lokal »Bei Gisela« für 20 Mark pro Abend.
»Bei Gisela« in der Occamstraße 8 traf sich in den Fünfziger- und Sechzigerjahren die in München wohnende oder gelegentlich weilende Prominenz: Ob Dirigent und Komponist Leonard Bernstein, Politiker Franz Josef Strauß, die Schauspieler Kirk Douglas und Orson Welles, der Astronaut Juri Gagarin, Prinzessin Soraya oder der Schriftsteller Erich Kästner, sie alle waren fasziniert von der jungen Wirtin mit der rauchigen dunklen Stimme. Mit dem Chanson »Aber der Nowak lässt mich nicht verkommen« wurde sie zur Berühmtheit Schwabings. Einige ihrer rund 30 Platten, wie »Späte Reue« oder »Morgengrauen«, gerieten auf den Index. 1960 bescheinigte ein Münchner Richter der Sängerin und Wirtin, sie sei »eine gebildete Dame mit stark unzüchtigem Charakter« – und sprach sie dann frei. Die Schwabinger Gisela und ihre Chansons waren über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt, sie war eine »poetische Institution«.
In dieser Münchner Zeit begegnet Udo dem Fotomodell Erika Meier aus Venne im Landkreis Osnabrück. In seinem 2004 erschienenen biografischen Roman Der Mann mit dem Fagott, den er gemeinsam mit Michaela Moritz geschrieben hat, beschreibt Udo mit sehr persönlichen Worten dieses Kennenlernen: »Sie heißt Erika, nennt sich Panja, manchmal jobbt sie als Fotomodell, manchmal hilft sie in einer Bar aus. Panja ist eine der attraktivsten und eigensinnigsten Frauen in der Münchener Existenzialistenszene. Als ich sie zum ersten Mal sah, wirbelte sie barfuß, schwarz gekleidet und mit unbändigen dunklen Haaren auf der Tanzfläche des ›Hotclubs‹ herum. Alle anderen Tanzpaare waren auf die Seite getreten und feuerten sie an, ihr Partner spielte eine Statistenrolle für die berauschende Vorstellung, die sie gab, und ich fühlte eine Faszination, die mir fast den Atem raubte. Sie war die beste Rock’n’Roll-Tänzerin, die ich jemals gesehen hatte. Sie sah meinen Blick, und ich erwiderte ihn mit einer gewissen Herablassung, aber sie versicherte sich fortan immer wieder der Tatsache, dass ich sie immer noch ansah.
So begann eine heftige, leidenschaftliche Affäre, die so ganz anders ist als meine Beziehung mit Gitta. Vor Gitta fühle ich mich oft unzulänglich – menschlich und musikalisch. Panja gegenüber kenne ich solche Gefühle nicht, aber die verworrene Situation kostet mich unendlich viel Kraft.«
Das war am 12. Mai 1959. Panja besuchte das Lokal mit einer Freundin, Udo war dort Stammgast. »Liebe auf den ersten Blick« soll es gewesen sein.
Später, im Herbst, ziehen sie zusammen, Verlobung gefeiert wird ein Jahr später – nach Udos Erfolg beim Festival im belgischen Knokke.
Zum ersten Mal erregt der 26-jährige Udo Jürgens Aufsehen, als er mit »Jenny« zum besten Einzelsänger dieses Musikfestivals gewählt wird. »Jenny« stürmt in Belgien die Charts als sein erster Nummer-Eins-Hit. Da beschließen Panja und Udo: Sollten wir heiraten und eine Tochter bekommen, werden wir ihr den Namen Jenny geben!
Bei seinem mehrwöchigen Tramp durch Nordamerika hatte Udo ein Mädchen kennengelernt: Jenny. Ihr widmete er das Lied, das sein erster Erfolg werden sollte.
Für Panja schreibt er eine andere Komposition: »Wie könnt’ ich von dir gehen …«
In dieser Zeit entsteht auch sein Welthit »Reach for the stars«, gesungen von Shirley Bassey.
1957 entdeckt ihn der Unterhaltungsfilm: Sein Filmdebüt gibt er neben Germaine Damar, Claus Biederstaedt, Grethe Weiser, Bum Krüger, Ruth Stephan, Theo Lingen und Ralf Wolter in dem Revuelustspiel Die Beine von Dolores. Ein Jahr später, 1958, dreht Udo Lilli – Ein Mädchen aus der Großstadt an der Seite von Ann Smyrner, Adrian Hoven, Claude Farell und Werner Peters. 1961 folgt mit Und du mein Schatz bleibst hier eine starbesetzte musikalische Komödie mit Vivi Bach, Hans von Borsody, Hans Moser, Trude Herr, Susi Nicoletti, Fritz Muliar und Paul Hörbiger. Heimatfilme und Lustspiele wie Unsere tollen Tanten (1961), Unsere tollen Nichten (1962) und Drei Liebesbriefe aus Tirol (1962) brachten die heile Welt in unsere Kinos. »In einer Zeit, wo niemand an mich geglaubt hat, hat Carl Spiehs, der Filmproduzent, immer gesagt: ›Der wird eines Tages groß werden!‹ Ich habe in seinen Filmen kleine Rollen gespielt und das vergisst man nicht.«
3 »Filmproduzent Carl Spiehs hat immer an mich geglaubt.«
Die standesamtliche Hochzeit mit Panja findet 1963 statt – in eben jenem Jahr, als Polydor beschließt, den Schallplattenvertrag mit Udo nicht zu verlängern. Er möchte das Singen aufgeben und nur noch komponieren. Da trifft er auf den erfolgreichen Showmanager Hans R. Beierlein. Er stimmt ihn um und verpflichtet Udo für seine Firma »Edition Montana«. Beierlein hilft Udo Jürgens dabei, zu einer unverwechselbaren Marke zu werden. Er rät ihm, sich musikalisch am französischen Chanson zu orientieren und sich an etwas gesellschaftskritischere und frechere Texte heranzuwagen.
4 Udo Jürgens mit Ehefrau Panja 1965: »Ich fühlte eine Faszination, die mir fast den Atem raubte.«
1960 wird Beierlein die Aufgabe übertragen, für eine große Schallplattenfirma alle Künstler anzusehen, die bei dieser Firma unter Vertrag stehen, und sie auf ihre Verwendungsmöglichkeiten in dem