Ardistan und Dschinnistan. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783849646165
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herunter mußt!« vollendete Halef den angefangenen Satz des Scheik. »Ich werde Dir zeigen, wie man es machen muß, fest sitzen zu bleiben!«

      Er schwang sich auf das Pferd, um dem Scheik jede Gelegenheit zu nehmen, sich wieder in den Sattel zu wünschen. Der Scheik sprang auf, im höchsten Grade darüber wütend, daß er sich abermals lächerlich gemacht hatte. Es fiel ihm gar nicht ein, den zweimal mißlungenen Versuch zu wiederholen.

      »Dein Vieh ist verrückt!« rief er. »Kein Mensch kann es reiten!«

      »Auch ich nicht?« fragte Halef.

      »Auch Du nicht! Paß auf, wie schnell auch Du herunter mußt!«

      Er ballte die gewaltigen Hände, holte aus und schmetterte sie dem Pferde derart zwischen die Augen, daß es klang, als ob die Stirn zersplittere. Ben Rih stand einen Augenblick lang ganz bewegungslos; er war wie betäubt. Halef saß noch nicht fest.

      »Um Gottes willen! Nimm Sitz und Zügel!« rief ich ihm zu. »Das Pferd bricht aus!«

      Er raffte sich sofort zusammen, und zwar grad noch zur rechten Zeit. Ben Rih begann zu zittern und zu zucken. Er tat einen gewaltigen Satz nach vorn, einen nach rechts und einen nach links, warf sich dann weiter herum und jagte davon, als ob die Hölle hinter ihm sei, um ihn zu fangen.

      »Pfui!« rief ich dem Scheik zu. »Ein so edles Tier mit der gemeinen Faust zu schlagen! Das war nicht recht von Dir! Das bringt Dir keine Ehre!«

      Ich warf meine Gewehre über und schwang mich auf Syrr.

      »Wo willst Du hin?« fragte Taldscha.

      »Ihm nach! Wenn der Huf des Pferdes in einer dieser festen Schmetterlingsschlingen hängen bleibt, können beide die Hälse brechen!«

      »Wann kommst Du zurück?«

      »Ich weiß nicht. Vielleicht nie! Wir sehnen uns nicht nach rohen Quälereien!«

      »Aber wenn nun ich Dich bitte - - -«

      Mehr hörte ich nicht. Syrr flog davon, den flüchtigen Ben Rih einzuholen, den ich schon nicht mehr sah, weil er hinter einer der schon beschriebenen Krümmungen verschwunden war. Es war wirklich so, wie ich der Frau gesagt hatte. Ich brauchte um Halef eigentlich keine Angst zu haben. Er hatte mir jahrelang bewiesen, welch ein vortrefflicher Reiter er war und daß er mit einem durchgehenden Pferde auch ganz gut ohne meine Hilfe fertig werden könne. Auch war der Rappe, den er jetzt ritt, ein zu edles Tier, als daß der Schreck über den Schlag, den er erhalten hatte, länger als nur kurze Zeit anhalten konnte. Aber die dichten, mannigfach gelegenen und zusammengewirrten Zweige der Schmetterlingsblütler, durch welche der sausende Ritt ging, boten tausendfältige Gelegenheit, mit dem Fuße hängen zu bleiben, und wenn dies geschah, so konnte der unvermeidliche Sturz bei der Schnelligkeit, welche das Pferd entwickelte, sehr leicht ein tödlicher sein. Es stellte sich auch bald genug heraus, daß meine Befürchtung nicht nur sehr wohlbegründet, sondern auch in Erfüllung gegangen war, denn als ich eine ziemlich bedeutende Strecke im schnellsten Galopp zurückgelegt und mehrere Krümmungen des Weges hinter mir hatte, sah ich Ben Rih stehen, weit draußen von mir, mitten in den Papilionaten, den Kopf zur Erde gesenkt - - - seinen Reiter aber sah ich nicht. Er lag jedenfalls am Boden, an der Stelle, nach welcher sich der Kopf des Pferdes richtete.

      Es war so, wie ich dachte. Als ich hinkam, sah ich Halef liegen, steif und unbeweglich, mit geschlossenen Augen, wie einen Toten. Aus den Spuren ersah ich sofort beim ersten Blicke, daß das Pferd hängen geblieben und gestürzt war. Die zähe, feste Pflanzenschlinge hing noch an seinem Fuße. Wäre sie nicht abgerissen, so hätte Ben Rih unbedingt das Bein gebrochen und es wäre mir nichts übrig geblieben, als ihn zu töten. Halef lebte noch. Er war nur ohnmächtig. Auch verletzt hatte er sich nicht, denn ich konnte seinen Körper und alle seine Glieder bewegen, ohne daß der Schmerz ihn aufweckte. Das beruhigte mich so sehr, daß ich mich gemütlich neben ihn hinsetzte, um sein Erwachen zu erwarten. Selbstverständlich untersuchte ich vorher Ben Rih. Auch er hatte nicht den geringsten innern oder äußern Schaden genommen.

      Es dauerte eine geraume Zeit, ehe Halef sich zu regen begann. Er öffnete die Augen, sah mich an, machte sie wieder zu und sagte:

      »Da sitzt er - - - ganz, ganz ruhig - - - aber ich, ich muß reiten - - -!«

      Das sogenannte >Ich< in seinem Innern befand sich also noch mitten im Galopp! Nach einiger Zeit fuhr er fort, doch ohne die Augen aufzuschlagen:

      »Wenn er im Gesträuch hängen bleibt - - - und ich stürze - - - so breche ich den Hals!«

      Sein Körper lag ruhig. Auch seine Mienen waren unbewegt. Aber plötzlich nahmen sie den Ausdruck der äußersten Spannung an, und er schrie:

      »Es hält ihn fest - - -! Er stürzt - - -! Er überschlägt sich mit mir - - -! Auf, schnell auf - - - sonst drückt er mich tot!«

      Bis zu diesem Worte hielt er die Augen geschlossen. Nun aber sprang er in die Höhe und rief im Tone der Freude:

      »Ich kann auf - - -! Ich bin auf - - -! Und ich sehe, daß ich - - -«

      Hier hielt er mitten in der Rede inne, denn als er jetzt die Augen öffnete, sah er Ben Rih vor sich stehen. Da fuhr er verwundert fort:

      »Er ist auch schon aufgesprungen! Gleich mit mir! Soeben jetzt! Und er steht so ruhig, als ob - - -«

      Er unterbrach sich abermals, denn in diesem Augenblick sah er auch mich. Da fragte er, im höchsten Grad erstaunt:

      »Auch Du bist hier, Sihdi? Auch Du? Ich bin doch soeben erst an Dir vorübergejagt! Du saßest still und schautest mich erwartungsvoll an, ob ich bei Dir anhalten werde oder nicht. Der Rappe lief aber weiter, weit, weit, und stürzte, ich mit ihm. Ich schlug mit dem Kopfe auf. Er tut mir weh, und - - - und - - - Du lächelst?«

      »Ja,« nickte ich.

      »Warum?«

      »Vor Vergnügen darüber, daß Du mir eine sehr wichtige, wissenschaftliche Frage beantwortest.«

      »Ich? Eine wissenschaftliche Frage? Das wäre das erstemal in meinem ganzen Leben! Wie lautet diese Frage?«

      »Es ist die Frage, was im Innern eines Menschen vorgeht, der in Ohnmacht gefallen ist.«

      »Ohnmacht? Willst Du behaupten, daß ich bewußtlos gewesen bin?«

      »Ja.«

      »Warum?«

      »Infolge des Sturzes.«

      »Aber ich bin doch sofort wieder aufgesprungen!«

      »So schnell, wie Du denkst, wohl nicht. Ich bin Dir nachgeritten und habe, nachdem ich Dich hier liegen fand, mich zu Dir hergesetzt und eine ziemlich lange Zeit gewartet, bis Dir das Bewußtsein zurückkehrte und Du wieder aufstehen konntest.«

      »Das Bewußtsein? Sihdi, sei aufrichtig! Behauptest Du wirklich, daß mir das Bewußtsein zurückgekehrt ist?«

      »Allerdings. Es war doch weg, und jetzt ist es wieder da!«

      »Nein! Das ist falsch! Es war nicht weg! Du hast es nur nicht sehen können! Es war da! Aber nur bei mir! Nämlich nicht hier außen, sondern drin, im Innern! Da hat es sich das, was außen geschehen ist, noch einmal innerlich betrachtet!«

      »Aha! Oberbewußtsein und Unterbewußtsein!« nickte ich mit wichtiger Miene.

      Da sah er mich mit bedenklichem Gesichtsausdrucke an und fragte: