Ardistan und Dschinnistan. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783849646165
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      »So fang an! Mach los! Was habe ich dabei zu tun?«

      »Setz Dich auf Dein Pferd und versuch, mir auszureißen!«

      »Schön! Gut! Wohin soll ich fliehen?«

      Ich deutete in die Richtung zurück, aus der ich mit Halef gekommen war, denn die kannte ich. Es kam mir darauf an, den Scheik von hier zu entfernen, wo das Lager seiner Leute so verhältnismäßig nahe war. Ein Hilferuf von ihm, den sie hörten, konnte meinen ganzen Plan vereiteln. Und zu seiner Ausführung brauchte ich einen versteckt liegenden Baum, an den ich den Riesen binden konnte, ohne befürchten zu müssen, daß man ihn sobald entdecken werde.

      »Flieh dorthin zu,« antwortete ich, »und zwar so schnell Du kannst!«

      »Willst Du mich etwa einholen?« erkundigte er sich mit breitem Lachen.

      »Ja.«

      »Und dann mich fangen? Zu Pferde?«

      »Ja.«

      »Mit diesen kleinen Hunden, die gar keine Pferde sind? Hörst Du, ich lache Dich aus! Also versuche es! Die Schande, die Du erlebst, ist dann nicht mein, sondern Dein!«

      Er hatte keinen Steigbügel, sich bequem aufzuschwingen; so kletterte er mühsam auf den breiten First seines Urgaules. Dort angekommen, setzte er sich in der behaglichen Weise zurecht, wie man es sich nach Feierabend auf den Kissen eines alten lieben Kanapees bequem zu machen pflegt, nickte dann zufrieden von oben herunter und forderte seinen Untertanen, der mit ihm davonjagen sollte, auf:

      »Jetzt fort von hier! Aber schnell, sonst setzt es gewaltige Prügel!«

      Das liebe Tier schien diese Worte weder zu verstehen noch auf sich zu beziehen. Es tat gar nicht, als ob es irgendwen auf dem Rücken habe, oder als ob außer ihm und mir noch irgend ein anderes Wesen vorhanden sei. Es richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf mich allein. Seine Blicke bewegten sich ausschließlich immer nur auf meiner Person herum, und zwar mit einem so entschiedenen Ausdruck von Wohlwollen, daß seine Zuneigung zu mir, dem Fremden, gar nicht zu verkennen war. Anstatt den Willen seines Herrn zu tun, kam es wieder auf mich zu, rieb seine Schnauze an meinem Arme und streckte dann die lange fette Zunge heraus, um mit ihr einen liebevollen Spaziergang über mein Gesicht zu machen. Da aber riß der Scheik den Kopf des Pferdes mit Hilfe des Zügelstrickes von mir weg und rief drohend aus:

      »Was fällt Dir ein? Wenn Du nicht sofort galoppierst, werde ich mir Gehorsam verschaffen! Verstehst Du mich?«

      Er bückte sich bei diesen Worten zu dem Kopf des Pferdes nieder, um ihm seine drohende Faust zu zeigen. Das Tier schien ihn dieses Mal verstanden zu haben, denn es versuchte, ihm einen strafenden Blick nach hintenüber zu werfen, stieß ein höchst unwilliges, antediluvianisches Getöse aus, was ich jedenfalls als Wiehern hinzunehmen hatte, trat ganz rasch an mich heran und machte mir mit der Zunge so schnell, daß es nicht zu verhindern war, einen Querstrich über das Gesicht.

      »Er hat Dich lieb; wahrhaftig, er hat Dich lieb!« wunderte sich der Scheik. »Wie es nur kommen mag, daß grad Du ihm so gefällst?«

      Ich nahm diese Worte hin, ohne mich lange zu fragen, ob ich mich über sie freuen oder ärgern sollte. Doch schien das mit der Zunge auch mir eine Art von Liebeserklärung zu sein. Es fiel mir dabei ein kleines Ereignis aus meiner Jugendzeit ein, welches mir damals psychologisch hochinteressant gewesen war. Das geschah während meiner Schülerzeit. Ich ging während einer Ferienwanderung an einer langgestreckten Gebirgswiese hin, auf der das Gesinde des Besitzers >Heu machte<, wie man das da oben auszudrücken pflegt. Die Leute verrichteten ihre Arbeit sehr ernst und fleißig, einen einzigen Knecht ausgenommen, der mit der vor ihm postierten Großmagd in einem fort schäckerte. Sie war ein großes, starkes, ungeschlachtes Frauenzimmer. Eben als ich vorübergehen wollte, umfaßte er ihre riesenhafte Taille, hielt sie fest und gab der Magd einen Kuß. Dann warf er mir, dem Zeugen seiner Heldentat, einen triumphierenden Blick zu, der aber nicht von langer Dauer war, denn die Magd holte aus und gab ihm eine so gut gesalzene Ohrfeige, daß er das Gleichgewicht verlor und, so lang er war, in das Heu zu liegen kam. Ein allgemeines Gelächter erscholl, und nun war es die Magd, die mir, dem Zeugen ihrer Heldentat, einen triumphierenden Blick zuwarf. Ich kleines, gern auch einmal lustiges Männchen blieb stehen und lachte mit. Als er das sah, sprang er zornig auf und rief mir zu: »Was hast denn Du zu lachen, Du Knirps, Du nichtsnutziger, Du? Daß sie mir die Maulschelle ‘geben hat, is doch der Beweis, daß sie mich gern hat! Wannst es net glaubst, so geh her und frag sie doch gleich selber!« Sie aber wartete es gar nicht ab, ob ich das tun werde, sondern sie stemmte die Arme in die Hüften, nickte mir sehr überlegen zu und belehrte mich: »Is richtig, alles richtig! Er is der Meinige. Einen andern hau ich net!« Meine damalige Menschenkenntnis reichte noch lange nicht an das Verständnis dieser eigenartigen Logik heran. Darum machte ich mich schleunigst auf den Weg, um im stillen darüber nachzudenken, welche Gründe man haben kann, nur immer >den Meinigen< zu hauen, aber keinen anderen. Daß dieses scheinbare psychologische Rätsel etwas psychologisch sehr leicht Begreifbares ist, das sah ich erst nach Jahren ein. Und jetzt, wo der Scheik sich über die Zuneigung seines Urpferdes wunderte, kehrte mir die Erinnerung an jenen Ferientag zurück. Sollte das Urpferd den Ohrfeigen, die ich ihm gegeben hatte, dieselbe Bedeutung beigelegt haben? Sollte es mich für >den Seinigen< halten? Der Scheik trieb es von neuem an, zu laufen. Es blieb stehen und äugelte mit mir. Er stieß ihm die Fersen in die Weichen. Es blieb stehen und äugelte mit mir. Er schlug es mit der Faust auf den Schädel, daß ich glaubte, es müsse ein tiefes Loch entstehen. Es rührte sich nicht von der Stelle und äugelte mit mir. Da begann er, es mit dem schweren Spieß zu bearbeiten. Als auch das nichts half, rief er mir zornig zu:

      »Siehst Du denn nicht, daß es nicht will? Treib es doch an! Gib ihm eins hintendrauf!«

      »Ich soll es antreiben, ich?« fragte ich. »Bin denn ich der Reiter?«

      »Nein. Aber es scheint seinen Narren an Dir gefressen zu haben. Es will nicht von Dir fort. Da bist Du doch verpflichtet, es von Dir fortzujagen. Es ist doch nicht Dein, sondern mein!«

      Ich hatte Mühe, das Lachen zu unterdrücken, und antwortete:

      »Ist das vielleicht die Schande, die Du mir vorausgesagt hast? Was soll das für ein Wettrennen werden, wenn Dein Pferd überhaupt nicht von der Stelle will! Hast Du es denn nicht in der Gewalt?«

      »Natürlich habe ich es! Und wie! Wenn es vorwärts soll, drücke ich ihm meine Schenkel an den Leib - - -«

      »Da geht es vorwärts?« fragte ich.

      »Ja. Wenn es nach rechts soll, ziehe ich an der rechten Leine - - -«

      »Da geht es nach rechts?«

      »Ja. Wenn es nach links soll, ziehe ich an der linken Leine - - -«

      »Da geht es nach links?«

      »Ja. Wenn es stehenbleiben soll, ziehe ich an der rechten und an der linken Leine zugleich - - -«

      »Da bleibt es stehen?«

      »Ja.«

      »Das glaube ich nicht. Beweise es mir! Du treibst es ja an; es geht aber nicht!«

      »Weil ich die Einleitung vergessen habe. Ich wollte nicht wieder herabsteigen, um es nachzuholen. Darum bat ich Dich um Deine Hilfe. Aber, um Dir zu beweisen, daß es gehorcht, muß ich dennoch wieder hinunter. Paß auf!«

      Er arbeitete sich schwerfällig vom Pferde zur Erde nieder, drehte seinen Spieß um, hob ihn hoch empor und schrie dem Gaule zu:

      »Ich weiß, was Du willst! Du willst erst Prügel haben! Ich muß Dir jedesmal, ehe