Der Kettenträger. James Fenimore Cooper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: James Fenimore Cooper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783849626334
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gesagt und berichtet wird, während über die Hälfte der wichtigsten Ereignisse, die das menschliche Interesse in Anspruch nehmen, von Ursachen abzuleiten sind, welche mit unserer vielgerühmten Intelligenz in keinerlei Weise zusammenhängen. Die Menschen fühlen viel mehr als sie denken, und eine unbedeutende Stimmung und Aeußerung des Gefühls ist im Stande, viel Philosophie über den Haufen zu werfen.

      Ich habe gesagt, daß ich sechs Jahre zu Princeton zubrachte, das heißt dem Namen nach, nicht in der Wirklichkeit; und daß ich mit neunzehn Jahren graduirt wurde. Dieß geschah in dem Jahre, wo Cornwallis sich gefangen gab, und ich diente bei der Belagerung förmlich als jüngster Fähnrich in meines Vaters Bataillon. Ich hatte auch das Glück, denn das war es für mich, der Compagnie des Kapitäns Coejemans zugetheilt zu seyn, ein Umstand, der meine frühere Freundschaft für diesen seltsamen alten Mann noch enger und fester machte. Ich sage alt, denn mittlerweile war Andries volle sieben und sechzig Jahre alt geworden, obwohl so frisch, herzhaft und rüstig als nur irgendein Offizier beim Corps. Und was Strapazen betrifft, so machte ihn eine Schule von vierzig Jahren, die er größtentheils in den Wäldern zugebracht, weitaus zum Ersten unter uns in Erduldung von Beschwerden.

      Ich liebte meine Eltern, Großvater und Großmutter mit eingeschlossen, nicht blos so wie dies einmal herkömmlich und eine selbstverstandene Sache ist, sondern mit aufrichtiger, kindlicher Anhänglichkeit, und ich liebte Miß Mary Wallace, oder Tante Mary, wie man mich gewöhnt hatte sie zu nennen, ebenso sehr wegen ihres stillen, sanften, liebevollen Wesens, als aus Gewohnheit; und ich liebte den Major Dirck Follock als eine Art von Erbfreund, als entfernten Verwandten, und als einen guten und sorgsamen Beschützer meiner Jugend und Unerfahrenheit bei tausend Gelegenheiten, und ich liebte auch meines Vaters schwarzen Diener Jaap, wie wir Alle getreue Sklaven lieben, wie ungeschlacht sie auch seyn mögen; aber Andries war der Mann, den ich liebte, ohne zu wissen warum. Er war ungelehrt, daß es ans Fabelhafte grenzte, und hatte die drolligsten Vorstellungen, die man sich denken kann, von dieser Erde und was darauf ist; er war in seiner Erscheinung und seinem Wesen durchaus nicht fein, wohl aber herzlich und offen, hatte sein Moralsystem so mit Vorurtheilten voll gestopft, daß kein Raum für sonst Etwas übrig zu seyn schien; und war überdieß nicht wenig jener Art von holländischer Lustbarkeit ergeben, welche dem alten Oberst van Valkenburgh das Leben gekostet hatte, – eine Neigung, welche in der ganzen Colonie ziemlich stark verbreitet war. Dennoch liebte ich diesen Mann wirklich; und als wir mit dem Frieden im Jahr 1783 Alle aufgelöst und entlassen wurden, – bis zu welcher Zeit ich selbst zum Rang eines Kapitäns gestiegen war, schied ich von dem alten Andries förmlich mit Thränen in den Augen. Mein Großvater, General Littlepage, war damals schon todt, aber da die Regierung bei der endlichen Auflösung der Armee den Meisten von uns einen höhern Grad verlieh, der zur Führung eines höhern Titels berechtigte, führte mein Vater, welcher im letzten Jahre des Kriegs wirklicher Oberst des Regiments gewesen war, während seines übrigen Lebens den Titel Brigadier. Es war so ziemlich Alles, was er für siebenjährige angestrengte und gefahrvolle Dienste erhielt. Aber das Land war arm und wir hatten mehr für Grundsätze gefochten als mit der Hoffnung auf Belohnungen. Man muß zugeben, daß Amerika eigentlich voll von Philosophie seyn sollte, da sein System der Belohnungen und selbst der Bestrafungen zu einem so großen Theil rein theoretisch ist und sich an die Einbildungskraft oder an die geistigen Vermögen wendet. So stehen wir, beim Kampfe mit allen unsern Feinden, auf sehr ungleichem Boden. Der Engländer hat seine Ritterschaft, seine Baronetschaft, seine Peerschaft, seine Orden, seinen höhern Rang in den Berufsarten, seine batons und all' die andern niedern Reizmittel für unsere verdorbene Natur, um ihn zum Fechten zu begeistern, während der Amerikaner nur durch die abstrakten Mächte und Größen der Tugend und der Vaterlandsliebe auf der Bahn des Ruhmes gestachelt wird. Im Ganzen aber schlagen wir Andere so oft als wir selbst geschlagen werden – was am Ende die Hauptsache ist. Weil ich einmal auf diesen Gegenstand gekommen bin, will ich noch bemerken, daß Andries Coejemans nie den leeren Titel ein Majors sich beilegte, der ihm von dem Congreß von 1783 so huldvoll verliehen wurde, sondern die Armee mit dem Titel Kapitän verließ, ohne Halbsold oder irgend Etwas, als das Stück Land, das ihm als gedientem Soldaten zugetheilt wurde, um eine Nichte aufzusuchen, die er aufzog und sein altes Geschäft als Kettenträger wieder anzufangen.

      Zweites Kapitel.

      Ein zuverläß'ger Schelm, Herr, der gar oft

       Wenn Sorge mir und Schwermuth trübt den Sinn,

       Mit manchem Scherz erheitert meine Laune.

      Domino von Syrakus.

      Man wird leicht begreifen, daß während ich einen Grad erwarb und eine sogenannte Erziehung erhielt, die Stadien, welche mir zu letzterer verhalfen, von sehr unzusammenhängender Art waren. Es kann keine Frage sein, daß während der Revolution und der nächsten zwanzig Jahre, die Gelehrsamkeit aller Art bei uns in traurigen Verfall gerieth. So lange wir Colonien waren, besaßen wir manche treffliche Lehrmeister, welche aus Europa herüber kamen, aber dieser Zufluß hörte größtentheils auf, sobald die Unruhen anfingen, und begann auch nicht unmittelbar nach dem Frieden wieder. Man wird, glaube ich, wohl zugeben, daß die Gentlemen des Landes um die Zeit, wo ich ins Collegium geschickt ward, nachgerade etwas weniger gebildet zu werden anfingen, als in dem vorhergegangenen halben Jahrhundert der Fall gewesen war, und daß dieser Mangel noch nicht wieder ganz ausgeglichen ist. Was das Land in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in dieser Beziehung leisten wird, das muß man abwarten. Der Leser wird sich erinnern, daß Mr. Morvaunt Littlepage diese Nachrichten von sich und seiner Zeit gegen das Ende des letzten und zu Anfang dieses Jahrhunderts aufgezeichnet zu haben scheint. Seit jener Zeit hat die Erziehung und Bildung sicherlich Fortschritte bei uns gemacht; Sophomoren (Schüler der unteren Collegiumsklassen, nach der Etymologie: weise Narren) beschäftigen sich heutzutage mit Zweigen der Wissenschaft, welche vor wenigen Jahren noch den Senioren verschlossen und vorenthalten blieben. Die Gelehrsamkeit schreitet jedoch in diesem Lande nach dem großen amerikanischen Grundsatze vor: einer großen Masse Etwas beizubringen, nicht aber einige Wenige Vieles zu lehren. D. H.

      Meine Verbindung mit dem Heere trug wesentlich dazu bei, mich von der Heimath zu entwöhnen, obgleich wenige Jünglinge so viele Verlockungen gehabt haben mögen, unter das väterliche Dach zurückzukehren, wie ich. Dort hatte ich erstlich meine geliebte Mutter und meine Großmutter, welche beide mich als einzigen Sohn hätschelten. Sodann besaß Tante Mary in nicht viel geringerem Grade meine liebevolle Anhänglichkeit. Aber ich hatte auch zwei Schwestern, die eine älter, die andere jünger als ich. Die Erstere nach unserer theuern Mutter Anneke genannt, war sechs Jahre älter als ich und ward zu Anfang des Krieges mit einem Gentleman mit Namen Kettletas vermählt. Mr. Kettletas war ein Mann mit einem sehr hübschen Besitzthum und machte meine Schwester vollkommen glücklich. Sie bekamen mehrere Kinder und hatten ihren Aufenthalt in Ducheß, was ein weiterer Grund war, diese Gegend zu ihrem zeitweiligen Aufenthaltsort zu wählen. Ich sah Anneke, oder Mrs. Kettletas, so ziemlich mit denselben Augen an, womit alle Jünglinge eine ältere Schwester ansehen, wenn sie liebevoll, weiblich und durchaus achtbar ist; aber die kleine Katrinke, oder Kate, war mein Liebling. Sie war wieder vier Jahre jünger als ich, und da ich zur Zeit der Auflösung der Armee gerade zwei und zwanzig Jahre alt war, zählte sie erst achtzehn. Diese geliebte Schwester war ein kleines, hüpfendes, lachendes, niemals ruhiges, lustiges Geschöpf, als ich im Jahr 1781 von ihr Abschied genommen hatte, um als Fähnrich zum Regiment abzugehen, so schön und hold wie eine Rosenknospe und auch eben so verheißungsvoll. Ich erinnere mich, daß der alte Andries und ich einen großen Theil unserer Zeit im Lager mit Gesprächen über unsre beiderseitigen Lieblinge zubrachten; er sprach von seiner Nichte und ich von meiner jüngeren Schwester. Natürlich hatte ich im Sinne nie zu heirathen, sondern Kate und ich wollten zusammenleben, sie als meine Haushälterin und Gesellschafterin, und ich als ihr älterer Bruder und Beschützer. Als das einzige große Gut des Lebens galt uns Allen der Friede neben dem Besitz der Unabhängigkeit, und wenn man einmal so weit gekommen, war Keiner, wenigstens in unsrem Regimente, ein so schlechter Patriot, daß er an der Zukunft gezweifelt hätte. Es war zum Lachen, mit wie viel Geschmack und Einfalt der alte Kettenträger auf all diese knabenhaften Pläne und Entwürfe einging. Seine Nichte war eine Waise, wie es schien das einzige Kind einer einzigen