Ganz schmal waren die Augen des Bandenführers geworden. Heiser und fast leise preßte er hervor:
»Wie kommst du an diese Waffe?«
»Ich habe es dir doch gesagt. Er ist besiegt, der große Earp! Tot! Erschlagen!«
Im Gesicht des Ranchers ging eine merkwürdige Veränderung vor sich. Er schob das Kinn vor, drückte die Unterlippe über die Oberlippe, was seine Mundfalten vertiefte, legte den Kopf auf die Seite und stieß die Luft prustend durch die Nasenlöcher aus.
»Was hast du getan, Kirk McLowery?« fragte er mit mühsamer Beherrschung.
»Ich habe ihn besiegt«, stieß Kirk erregt hervor. »Meine Leute haben ihn gestellt, und Batko hat ihn mit einem Winchesterkolben erschlagen.«
Ganz weiß schienen die Lippen des Ranchers zu werden. Seine Nasenflügel blähten sich gefährlich. Aus Stein gehauen schien dieses Menschenantlitz plötzlich zu sein. Er trat zwei Schritte vor bis an die Verandakante und stieß tonlos hervor:
»Du verdammte Ratte! Einen stinkigen hirnlosen Mestizen hast du als Mörder gedungen, diesen Mann auszulöschen.«
Kirk wich unwillkürlich noch einen halben Schritt zurück.
»Du solltest doch froh sein, Ike. Er war doch dein größter Feind und ist jetzt bestimmt auch deinetwegen zurückgekommen!«
»Du armseliger Strolch!« keuchte der Rancher. »Einen feigen Mestizen hast du ihm in den Rücken geschickt!«
»Wieso in den Rücken?« suchte sich Kirk zu verteidigen.
»In den Rücken, sage ich!« donnerte ihn der Rancher an, »weil ich nämlich den Mann sehen möchte, der es gewagt hätte, Wyatt Earp von vorn mit einem Gewehrkolben anzugreifen. Armseliger Wurm! Wie einen räudigen Hund hast du diesen großen Fighter erschlagen lassen.«
»Du neidest mir ja nur den Erfolg!« schrie Kirk.
»Den Erfolg? So! Glaubst du, daß es ein Erfolg ist, den großen Wyatt Earp nachts hinterrücks von einem Meuchelmörder erschlagen zu lassen? Ja, es wird einen Erfolg haben und zwar den, daß Doc Holliday dir keine zwölf Stunden mehr geben wird. Und der Texaner wird Batko und deine anderen Freunde auseinandernehmen wie Revolverteile.«
Jetzt stieß Kirk den Kopf vor und giftete:
»Du neidest mir den Erfolg! Jetzt weiß ich es!«
»Aus meinen Augen!«
Die ruckhafte Bewegung, die der Rancher mit dem ausgetreckten Arm machte, deutete der Mann aus dem San Pedro Valley falsch. Der schwere Revolver in seiner rechten Faust ging los, und zu seinem Entsetzen sah er durch die Pulverwolke, die zwischen ihnen stand, an der rechten Stirnseite Ike Clantons eine fingerlange Blutspur.
Die Reaktion des Bandenführes war blitzartig.
Mit zornverdunkelten Augen hechtete er Kirk entgegen, riß ihn nieder, zerrte ihn mit der Linken wieder hoch und schickte ihn mit einem hämmernden Faustschlag von den Beinen. Dann packte er den Benommenen, schleppte ihn zur Pferdetränke, tauchte seinen Kopf ins Wasser, schob den prustenden und sich schüttelnden Mann zum Pferd und hob ihn in den Sattel. Dann klatschte er dem Rappen mit der flachen Hand eins über, und schon preschte das Tier mit seinem schwerbenommenen Reiter davon.
Oben im Haus wurde die Fliegentür aufgestoßen. Ein Mann trat heraus, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Ike Clanton hatte, aber nichts von dessen ausdrucksvollen Augen und kantigen Gesichtszügen besaß. Es war sein um ein Jahr jüngerer Bruder Phineas.
»Ike, wer hat geschossen? Damned, du bist ja verletzt!«
Der Rancher winkte ab und knurrte:
»Was stehst du da herum! Hast du nichts zu tun?«
Phin trollte sich knurrend vom Vorbau.
Ike ging zur Pferdetränke, wusch sich die Wunde aus und schlenderte dann hinüber zum Corral.
*
Es war kurz vor zwei Uhr, als Doc Holliday und der Texaner rechts am Wegrand das verwitterte Holzschild mit dem eingebrannten großen C entdeckten.
»Jetzt sind es noch zwei Meilen«, meinte der Georgier. »Wir befinden uns bereits auf Ikes Land.«
Nach einer Viertelstunde tauchte hinter flachen Kaktusfeldern die blecherne Wassermühle auf, die typisch für die Clanton Ranch war, und schließlich auch die Dächer der
Ranchgebäude.
Die beiden Reiter zogen eine Doppelfontäne weißen Staubes hinter sich her, als sie in den Hof sprengten.
Phin, der in der Fliegentür erschien, verhielt den Schritt und stierte die beiden wie Gespenster an.
»He, das muß doch… ein Spuk sein!«
»Ist Ike auf der Ranch« fragte Holliday ohne jeden Gruß.
Der gerissene Phin hatte seinen Schrecken überwunden. Er zog die Brauen zusammen und hob die Schultern. »Ich weiß nicht, Doc. Aber wenn Sie einen Augenblick ins Haus kommen wollen, ich glaube, ich habe noch so eine Art Whisky da. Das heißt, wenn Ike ihn mir nicht weggeschüttet hat. Das kommt manchmal vor. »Er lachte blechern und kratzte sich im Genick.
»Wo ist Ike?«
Die Worte des Spielers sprangen ihm wie Geschosse entgegen.
»Ich weiß es nicht, Doc. Wenn Sie wollen, sehe ich mich mal um.«
»Tun Sie das, Phin«, rief ihm Luke Short zu, »und möglichst noch vor Weihnachten!«
Da wurde die hinter Phin wieder zugefallene Fliegentür aufgestoßen, und der Rancher stand im Türrahmen.
Doc Hollidays Blick flog sofort zu der verkrusteten Blutspur an seiner Stirn.
Die Männer blickten einander einen Moment stumm in die Augen.
Als hätte er einen Ladestock im Kreuz, so steif saß der Spieler im Sattel. Ohne Übergang schoß er dem Rancher die Frage entgegen:
»Wo ist Wyatt Earp?«
»Ich weiß es nicht.«
In den eisblauen Augen des Georgiers blitzte es auf.
»Hören Sie zu, Ike, es ist vielleicht nicht wichtig, was wir beide voneinander halten, aber ich hatte bis heute geglaubt, daß Sie zu stolz wären, zu lügen.«
»Ich lüge nicht, Doc!«
»Können Sie mir dann vielleicht sagen, woher Sie die Wunde an Ihrer Stirn haben?«
»Ich glaube nicht, daß Sie das interessieren wird.«
»Es interessiert mich sogar sehr, Ike, denn als Wyatt Earp heute nacht überfallen wurde, schoß er noch auf den Mann, der ihn hinterrücks mit einem Gewehrkolben niedergeschlagen hat. Der Mann wurde an der Stirn verletzt. Das ist von einem Augenzeugen ganz deutlich beobachtet worden.«
Eine dunkle Röte trat in das Gesicht des einstigen Bandenführers. Er schob Phin wie einen lästigen Stuhl beiseite und trat an die Kante des Vorbaus, wo sein Gesicht etwa in gleicher Höhe mit dem des Spielers war.
»Ich habe nichts mit dieser Sache zu tun, Doc Holliday. Ich will Ihnen nur noch sagen, wenn mir jemand erzählen würde, Doc Holliday hätte einen Mann mit einem Gewehrkolben von hinten niedergeschlagen, daß ich das nicht glauben würde.«
Holliday preßte die Linke um den Sattelknauf; forschend ruhte sein Blick auf dem Gesicht des Ranchers.
Da wandte Isaac Clanton sich um und ging ins Haus zurück.
»Damit ist das für ihn erledigt«, knurrte Luke Short ärgerlich.
»Sie können ja zu ihm hineingehen und noch ein paar Stunden mit ihm reden«, meinte der Georgier. »Sie werden doch nichts aus ihm herausbringen.«
»Sie glauben ihm also?«
»Glauben? Ich weiß nicht, aber ich komme mir