»Ja, drüben im Hotel.«
Callaghan wurde eingesperrt und hatte zunächst ausgespielt.
Als Doc Holliday zurück ins Hotel kam, sah er oben vor seiner Tür den Marshal stehen.
»Callaghan?«
Holliday nickte. »Ja, Callaghan.«
»Dann ist der Halunke uns gefolgt.«
»Anzunehmen. Jedenfalls versuchte er, uneingeladen bei mir Eintritt zu nehmen. Das war sein Pech.«
»Sie haben ihn zum Sheriff gebracht?«
»Ja, Sie werden morgen früh, ehe wir weiterreiten, dort noch kurz vorsprechen, damit der Bursche sicher sitzt.«
»Vielleicht hätte man ihm folgen sollen, um mehr zu erfahren. Denn es ist doch anzunehmen, daß er hinauf in die Mountains geritten wäre.«
»Ganz sicher. Das hatte ich auch vor. Aber er selbst war anderer Ansicht. Er hat einen ziemlich kostspieligen Besuch bei mir gemacht.«
»Wie meinen Sie das?«
Holliday zog den Ring vom Finger und reichte ihn dem Marshal.
»Wenn wir Glück haben, sind Sie auf der Versammlung ein großer Mann, Mister Earp.«
Wyatt betrachtete den großen Siegelring und fuhr mit dem Nagel des kleinen Fingers durch das eingravierte Dreieck.
»Das wäre ja ein phantastischer Gedanke!«
*
Der Desperado Callaghan kauerte auf dem Schemel in seiner Zelle und stierte aus spaltengen Augen durch die Gittertür zum Sheriff hinüber, der an seinem Schreibtisch saß und eine Eintragung machte.
Im Gesicht des Verbrechers arbeitete es.
Plötzlich sprang er auf und kam mit federnden Schritten an die Tür.
»He, Sheriff«, sagte er mit drohendem Unterton in der Stimme, ohne aber laut zu werden, »ich habe mit Ihnen zu sprechen.«
Der Hüter des Gesetzes tat, als habe er nichts gehört.
»Ich habe mit Ihnen zu sprechen!«
Auch jetzt schien der Sheriff nicht zu hören.
»Well, dann werden Sie mich kennenlernen, Mister. Mein Name ist Callaghan.«
»Ja, das hörte ich«, entgegnete der Sheriff. »Doc Holliday hat es schon gesagt.«
»Pusten Sie sich nur nicht auf mit dem Marshal und mit Doc Holliday. Wir sind stärker.«
Der Sheriff blickte verblüfft in das Gesicht des Verbrechers.
Das wagte ihm dieser Mann so offen zu sagen!
Wie stark mußten sie sich fühlen, diese Banditen.
»Sie werden uns kennenlernen, Sheriff. Schätze, daß es die letzte Bekanntschaft ist, die Sie dann auf dieser Erde gemacht haben.«
Dem Sheriff traten plötzlich viele kleine Schweißperlen auf die Stirn.
»Was wollen Sie damit andeuten?« knurrte er.
»Wenn Sie sich einbilden, gegen den Strom schwimmen zu können, dann haben Sie sich geirrt. Sie wären nicht der erste Sheriff, der unter der großen grauen Walze zermalmt würde.«
Der kleine Griffith stand auf und kam zornbebend an die Gitterstäbe. Er machte keine besonders eindrucksvolle Figur, als er jetzt vor der Zelle stand mit seinem etwas zu schweren Leib, seinen dünnen Beinen und der engen Hose, die von alten, zerfransten Trägern bis fast unter die Achseln hinaufgezogen wurde, dem verwaschen-grünen Hemd, dem stoppeligen Gesicht und struppigem grauem Haar.
»Was haben Sie da eben gesagt, Callaghan?«
»Ich habe gesagt, daß Sie sich wundern werden. Mit Ihnen machen wir kurzen Prozeß, Griffith.«
Da schlug der Sheriff plötzlich zu. Seine Hand zuckte durch die Gitterstäbe und fuhr klatschend ins Gesicht des Verbrechers.
Callaghan wich keinen Zoll zurück.
»Das wirst du mir ganz persönlich büßen, Dreckskerl«, zischte ihm der Bandit entgegen. »Ich selbst werde dich fertigmachen, verlaß dich drauf. Du hast ja keine Ahnung, was hier geschieht. Armseliger Wicht. Bildest du dir etwa ein, zwei Figuren könnten eine ganze Bewegung aufhalten? Wir marschieren vorwärts. Wir sind nicht aufzuhalten.«
»Wir?« stotterte der Sheriff.
»Ja, wir! Die Organisation. Es ist die größte Organisation, die es jemals in diesem Land gegeben hat. Und sie wird von einem fähigen Mann angeführt, der alles niederwalzen lassen wird, was ihm im Wege steht!«
Der Sheriff wich einen Schritt zurück und starrte den Outlaw entgeistert an.
Mit dämonischer Stimme fuhr Callaghan fort:
»Du wirst mich jetzt sofort hier rauslassen, Junge, wenn dir noch irgend etwas an deinem armseligen Leben liegt.«
Da schüttelte der Sheriff wild den Kopf.
»Nein, nein, ich laß dich nicht raus, Bandit. Du bleibst da, wo du bist. Und wenn ihr nach Hunderttausenden zählt – ich stehe auf der Seite des Marshals, auf der Seite des Gesetzes.«
In Callaghans Gesicht war plötzlich nicht mehr die gleiche Zuversicht, die eben noch darin gestanden hatte.
Heimlicher Schrecken hatte ihn erfaßt.
Wie, wenn dieser Griffith ihn nicht laufen ließ? Was geschah dann? Dann ging er den Weg, den andere Kumpane schon vor ihm gegangen waren, die Wyatt Earp und Doc Holliday gestellt hatten. Einige von ihnen saßen schon in den berüchtigten Zwangslagern von Fort Worth.
Diesen Weg wollte er nicht gehen.
Aber dieser kleine beharrliche Sheriff würde ihn nicht gehen lassen.
Da versuchte Callaghan eine andere Tour.
»Hör zu, Griffith. Ich mache dir einen Vorschlag. Du sollst es nicht umsonst tun. Ich gebe dir dreihundert.«
Der Sheriff schwieg. Er schüttelte nur den Kopf.
»Armseliges Schwein!« brüllte der Verbrecher da. »Ich gebe dir sechshundert. Das wird’s dir doch wohl wert sein.«
»Nein, Callaghan. Es ist mir keine tausend und keine dreitausend wert!«
»Was?« Der Verbrecher wich einen Schritt zurück. »Bist du verrückt, Mensch? Was verdienst du denn hier? Sechzig oder siebzig Dollar höchstens den Monat. Dafür kannst du dich abknallen lassen. Und du wirst abgeknallt! Das schwöre ich dir! Meine Boys werden dich fertigmachen.«
»Spiel dich nicht auf, Callaghan.«
»Schweig! Du bist ein gelieferter Mann.«
Der Sheriff wandte sich ab und ging in die Schlafkammer. Keine Chance mehr für Callaghan. Er stand immer noch am Gitter, hatte die behaarten Fäuste darum gespannt und starrte in den jetzt dunklen Raum des Bureaus. Plötzlich ließ er die linke Hand los und griff mit dem Daumen an die Stelle, an der sonst der Ring zu finden war.
Er war weg!
»Damned!« entfuhr es dem Banditen. Er wandte sich um und lief zur Pritsche, tastete sich ab, bückte sich und tastete den Boden Zoll für Zoll ab.
Vergebens!
Ich habe den Ring verloren! dachte er. Aber wo: heute morgen hatte ich ihn noch. Auch heute mittag – wo habe ich ihn verloren? Ganz sicher vorhin, als sie mich hierher schleppten.
Hölle und Teufel, wenn der Marshal ihn findet! Nicht auszudenken…
Als der Morgen graute, stand der Sheriff auf, wusch sich im Hof und kam ins Office zurück, wo er die Lampe anzündete und dann Feuer in dem kleinen Kanonenofen machte.
Ein Geruch von dünnem Kaffee zog durch den Raum.
Der