Er verließ das Office, um nicht noch weiteren Besuchern Zugeständnisse machen zu müssen. Vor allem aber suchte er jetzt einen Mann, der als Helfer bei ihm arbeiten würde. Das aber stieß auf große Schwierigkeiten. Jeder in der Stadt war fest davon überzeugt, daß Luke Short hier nicht sehr lange Sheriff bleiben würde, und wer dann als Deputy bei ihm gearbeitet hatte, mußte damit rechnen, später eine Menge Feinde gegen sich zu haben. Daher fand der Hüne niemanden, der als Helfer bei ihm hätte arbeiten wollen.
Mißmutig kehrte er gegen zwölf Uhr ins Office zurück.
Er hatte Pech.
Es standen schon wieder drei Männer vor der Tür, die auf ihn warteten.
Einer von ihnen, ein großer, breitschultriger Bursche mit braunem, zerfurchtem Gesicht, sprach ihn sofort an: »Sheriff, Sie müssen mal heraus auf unsere Ranch kommen. Mir ist eine ganze Menge Vieh gestohlen worden.«
»Wann?« fragte Luke mürrisch.
»In einer der letzten Nächte.«
»So«, entgegnete Luke, »und warum sind Sie nicht vorgestern gekommen oder gestern, da war euer Freund Jonny Behan doch noch da!«
Der Viehzüchter winkte ab.
»Ha, Jonny Behan«, sagte er verächtlich, »zu dem wäre ich nie gekommen. Was hätte das für einen Sinn gehabt!«
»Ja, ja. Ich weiß. Ist gut. Wo ist die Ranch?«
»Es ist die Scott Ranch, Sheriff.«
»Draußen vor den Hills?«
»Ja, Sie sehen die Ranch schon vom Silver Creek aus.«
»Gut, ich komme.«
»Wann?«
»Das kann ich noch nicht genau sagen, irgendwann im Laufe des Tages.«
»All right.«
Die drei Männer gingen zu ihren Pferden, stiegen auf und ritten aus der Stadt.
Ärgerlich betrat Luke das Office und sah sofort wieder nach seinen Gefangenen. Sie waren noch da.
Hal Flanagan stand vorn am Gitter.
»He, Short. Wie lange wollen Sie uns hier noch festhalten?« knurrte er.
»Halt die Klappe, Junge, sonst hole ich dich raus. Dann sage ich dir, wie lange du noch hier bleibst.«
Da sprang sein Bruder Ed wie eine Pantherkatze gegen das Gitter und fauchte:
»Ihr werdet das büßen!«
Aber da fiel oben schon die schwere Bohlentür zum Office zu.
Luke suchte den Mayor auf. Der stand inmitten seiner Zeitungsdruckerei und redigierte einen Artikel.
»Hallo, Sheriff!« rief er dem Riesen freundlich entgegen.
Luke winkte ab. »Hat sich was mit Sheriff! Der Teufel soll den Job holen!«
»Nanu, schon Ärger gehabt?«
»Ich brauche einen Deputy, Mr. Clum.«
»Aber natürlich, es wird sich doch ein Hilfssheriff für einen Mann wie Sie finden lassen.«
»Das bezweifle ich sehr. Die Leute hüten sich alle, später meinen Stern übernehmen zu müssen.«
»Haben Sie denn nicht die Absicht, zu bleiben?«
»Haben Sie im Ernst angenommen, daß ich hierbleiben würde?«
»Nun, nicht unbedingt, Mr. Short«, mußte John Clum zugeben. »Aber so bald werden Sie ja auch nicht weiterreiten.«
»Ich reite, wenn der Marshal Tombstone verläßt, wenn er mit diesem Pack hier aufgeräumt hat.«
»Ja, ja, ich verstehe«, entgegnete Clum, »warum sollten Sie auch in einer solchen Stadt bleiben. Ich kann mich ja selbst nicht verstehen, daß ich immer noch hier bin. Ich sagte es dem Marshal schon.«
Der Hüne schob sich eine lange braune Strohhalmzigarre zwischen seine weißen, ebenmäßig gewachsenen Zähne, riß ein Zündholz an der Decke an und stieß eine blaue Tabakwolke über den Kopf des Mayors.
»Es geht darum, daß ich auf zwei umliegende Höfe gerufen worden bin. Auf Callhauns Farm sollen zwei Pferde gestohlen worden sein. Und dann war Scott in der Stadt.«
»Irvin Scott?« fragte der Mayor stirnrunzelnd.
»Ja, er sagt, bei ihm sei Vieh gestohlen worden.«
»Bei dieser Bande ist doch immer was los«, entgegnete der Mayor.
»Aber könnten Sie den Leuten nicht den Gefallen tun und mal nachsehen?«
»Das würde mir nichts ausmachen. Schließlich werde ich ja für den Job bezahlt, Mayor. Aber ich habe den Stern Wyatt Earp zuliebe angenommen, weil ich nämlich auf seine Gefangenen im Jail aufpassen möchte.«
»Ach, Sie meinen, daß Sie nicht wegreiten können, weil Sie befürchten, daß die Flanagans und die beiden anderen befreit würden?«
»Das muß ich leider befürchten.«
»Well, dann müssen wir einen Deputy finden. Warten Sie.« Der Mayor wandte sich um und blickte einen der Drucker an. »He, Herward! Wie sieht es mit Ihrem Bruder Jim aus?«
Herward winkte ab: »Ich glaube, den Weg kann sich der Sheriff ersparen. Jim denkt wie die anderen.«
»Da haben wir es«, knurrte der Tex.
Der recht temperamentvolle Clum stampfte mit dem Fuß auf.
»Warten Sie, Luke, wir werden einen finden. Kommen Sie mit!«
Sie verließen das Haus, gingen hinunter zur Allenstreet und betraten den Oriental Saloon.
Der Salooner lag immer noch krank im Bett, der Mann, der hinterm Schanktisch stand, blickte ihnen forschend entgegen.
Der Mayor durchquerte den Raum, stieß die Hoftür auf und rief: »Jonny!«
Hinten aus dem Stall kam ein mittelgroßer, untersetzter Mann mit indianischem Gesichtsausdruck.
»Jonny, was hältst du von einem Posten als Hilfssheriff?«
»Oh, gut!« Plötzlich aber verdunkelte sich das Gesicht des Peons. »Hilfssheriff? Wo?«
»Bei Luke Short.«
Der Mestize wich einen Schritt zurück.
»Oh, Mr. Short groß, Mr. Sheriff guter Sheriff! Bestimmt guter Sheriff! Aber Jonny nicht guter Hilfssheriff für…«
Der Texaner winkte ab, wandte sich um und stampfte hinaus.
John Clum folgte ihm.
Als sie auf dem Vorbau standen, meinte der Riese: »Wir werden am Schluß noch Nellie Cashmans Neger Sam nehmen müssen.«
»Ja, soweit kommt es noch«, meinte der Mayor. »Aber warten Sie, ich könnte mir vorstellen, daß Rozy Ginger Rat weiß.«
»Rozy Ginger?« fragte der Texaner verblüfft. »Ausgerechnet sie?«
»Ja, Rozy kennt eine ganze Menge Leute, und möglicherweise ist einer darunter, den man für den Job brauchen kann.«
Der Tex zuckte mit den Schultern: »Sie müssen es wissen, Mayor.«
Sie gingen zu der gekrümmten Gasse hinunter, in der Rozy Gingers Bar lag.
Die junge Frau blickte dem riesigen Sheriff unsicher entgegen.
Aber der Mayor sprach sie freundlich lächelnd an: »Miß Ginger, unser Sheriff braucht einen Hilfsmann.«
Die Frau atmete sichtlich auf.
Clum