Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine von Bergen
Издательство: Bookwire
Серия: Der Landdoktor Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959796675
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zustande. »Ich habe dir doch schon gesagt, wie schön ich die Gegend finde. Hier zu leben, könnte ich mir gut vorstellen. Zu wohnen«, verbesserte sie sich rasch.

      »Aber?« Er ließ ihr Gesicht los.

      »Kein aber.« Sie hob die Schultern. »Nur … Wir kennen uns erst so kurz.«

      Voller Verzweiflung rang sie damit, ihm die Wahrheit zu sagen. Konnte sie ihn in eine solche Falle laufen lassen? Konnte sie ihm eine Zukunft versprechen, die es vielleicht – oder wahrscheinlich – nie geben würde? Nein und nochmals nein. Andererseits … Sollte sie ihn mit der Wahrheit belasten? Übermorgen würde sie abreisen. Sie wollten sich morgen und am nächsten Wochenende wiedersehen. Aber wie viele Wochenenden würden sie noch zusammen verleben können? Das Wissen darum, ihm irgendwann schrecklich wehtun zu müssen, ließ sie jäh aufschluchzen.

      Thomas sah sie entsetzt an.

      »Was ist?«

      Er nahm sie in die Arme, drückte sie an sich, streichelte ihr Haar.

      »Warum weinst du denn?«, flüsterte er nah an ihrem Ohr. »Es ist doch alles gut. Morgen habe ich mir frei genommen. Meine Mutter wird mich im Geschäft vertreten. Dann verbringen wir den ganzen Tag zusammen. Und in sieben Tagen sehen wir uns schon wieder.«

      Tapfer schluckte sie die Tränen hinunter und hielt ihn dann mit beiden Händen auf Abstand.

      »Entschuldige, ich bin ja wirklich so dumm.« Mit verkrampftem Lächeln sah sie ihn an.

      Da zog er sie wieder an sich. »Du bist nicht dumm. Ich bin glücklich, dass es dir schwerfällt, mich ein paar Tage nicht zu sehen.«

      Während sie seinen Worten lauschte, strich ein warmer Wind durch die Zweige, Vögel zwitscherten, Bienen und Insekten summten. Eine Welt zum Träumen …

      »Liebst du mich?« Thomas schaute ihr in die Augen.

      »Ich liebe dich«, antwortete sie mit belegter Stimme. »Es ist wie ein Wunder, aber die richtige, die wahre Liebe ist ja auch ein Wunder.« Mit all der Zärtlichkeit, die sie für ihn empfand, erwiderte sie seinen Blick. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn.

      Thomas saß an einem Baumstamm gelehnt, ihr Kopf lag in seinem Schoß, sie hatte die Augen geschlossen. Ihr Herz schlug mit seinem im gleichen Takt, mit einem Gefühl, so schmerzlich und süß zugleich. Unendlich sanft und innig streichelten sie einander die Gesichter, verflochten die Finger fest ineinander, umarmten sich Wange an Wange, den Atem des anderen trinkend. Als sie sich schließlich aus der Umarmung lösten, sahen sie sich an. Voller Staunen über den Zauber, den sie erlebten, und selig lächelnd.

      Sophie las all die Liebe, die ihr aus den braunen Männeraugen so offen entgegenstrahlte, die Bereitschaft, sich ihr anzuvertrauen, alles auszuhalten, bedingungslos zu ihr zu stehen. Ein Leben lang. Da schlang sie erneut die Arme um ihn, presste ihr Gesicht gegen seine Brust, damit er ihre Augen nicht sehen konnte.

      Als die Dämmerung in den Wald einfiel, packten die beiden ihren Picknickkorb ein.

      »Morgen um zehn Uhr hole ich dich ab«, sagte Thomas, während er die Decke zusammenfaltete. »Ab dann gehört der Tag nur uns beiden.«

      Hand in Hand wanderten sie zurück zum Parkplatz, über dicht bewachsene, verwunschen anmutende Wege. Das Säuseln des Windes in den Fichten begleitete sie. Sie schwiegen, die Wärme des anderen spürend und mit dem Gefühl im Herzen, die Liebe gefunden zu haben. Sophie war zumute, als ob sich mit jedem ihrer Schritte Zeit und Raum mehr auflösen würden.

      So musste es sein, auf die Unendlichkeit zuzugehen.

      *

      Als Dr. Brunner zwei Tage später aus dem Schwarzwaldhaus zu seiner Praxis hinüber ging, funkelte noch der Tau in den Wiesen. Er blieb auf dem Parkplatz stehen und atmete die frische Luft tief ein. Die Sonne schien, die Vögel sangen, manche tanzten flügelschlagend durch das lichte Blau. Ein Bilderbuchmorgen. Matthias breitete die Arme aus, als wollte er die ganze Welt umarmen.

      Ihm ging es gut. Verdammt gut.

      Die Praxistür stand einladend offen. Unten in Ruhweiler schlug die Kirchenuhr sieben Mal. Im Fenster seines Sprechzimmers erschien der graue Kopf von Schwester Gertrud, die ihn kopfschüttelnd ansah. Er lachte ihr zu. Er wusste, was sie dachte: Was macht denn der schon wieder so früh hier? Aber ab halb acht kamen die ersten Patienten, und vorher gab es für ihn immer noch Schreibtischarbeit zu erledigen. Denn Ulrike achtete strengstens darauf, dass er ab mittags die Praxis nicht mehr betrat.

      Matthias nahm noch einmal einen tiefen Zug der guten Morgenluft zu sich, rieb sich voller Elan die Hände und ging beschwingten Schrittes die Stufen zur Praxis hinauf. Da kam ein Auto auf dem Weg zu dem alten Schwarzwaldhof heruntergefahren. Mit viel zu hoher Geschwindigkeit. Er blieb stehen und sah sich um.

      Thomas Seeger.

      Der Uhrmacher sprang aus dem Jeep.

      »Herr Doktor! Kann ich Sie einen Moment sprechen?«

      Matthias sah ihm an, wie aufgeregt er war.

      »Grüß dich, Thomas. Was gibt’s denn?«

      »Ich komme gerade aus dem Hotel Schwarzwaldblick. Ich wollte Sophie einen Blumenstrauß zum Frühstück bringen. Da sagte mir der Hotelier, dass sie abgereist wäre. Gestern Abend noch.« Thomas schnappte nach Luft. »Ich kann mir gar keinen Reim darauf machen. Sie hat mir nichts hinterlassen. Keine Nachricht, keine Telefonnummer, keine Adresse. Unsere Handy­nummern haben wir nicht ausgetauscht«, fügte er in verzweifeltem Ton hinzu. Er räusperte sich, straffte sich, bevor er weitersprach. »Herr Kerner will mir ihre Adresse nicht geben. Datenschutz, sagte er. Da kam mir die Idee, dass Sie Sophies Patientendaten haben. Vielleicht würden Sie …?« Bittend sah er ihn an.

      »Ich habe die Daten von Frau Wittmer gar nicht aufgenommen«, erwiderte er. »Für diese Kleinigkeit wollte ich keine Rechnung schreiben.«

      Thomas ließ die breiten Schultern hängen. »Was mache ich denn jetzt?« Dann hob er den Kopf. In seinen Augen blitzte ein Hoffnungsschimmer auf. »Könnten Sie vielleicht …?«

      Matthias ahnte, was er dachte. Er kannte den Hotelbesitzer recht gut. Aber er wusste auch, dass Norbert Kerner ein gewissenhafter Mann war, der nicht einfach die Daten seiner Gäste preisgab.

      »Ich frage nur ungern …« Thomas sah ihm fest in die Augen. »Aber könnten Sie sich bei Herrn Kerner für mich verwenden? Ich wüsste sonst nicht, wie ich Sophie in Karlsruhe finden sollte. Zumindest nicht schnell und unkompliziert.«

      »Hast du eine Idee, warum sie zwei Tage früher abgereist ist, ohne dir Bescheid zu sagen?«

      »Nein. Ich habe nicht die geringste Ahnung. Wir haben uns gestern Abend verabschiedet, und alles war in Ordnung.« Thomas lachte hart auf. »Was sage ich denn? Es war mehr als in Ordnung. Wir wollten heute den Tag miteinander verbringen und uns am kommenden Wochenende wiedersehen.«

      Eine Nachricht zum Abschied kann man selbst in der größten Eile hinterlegen, dachte Matthias, behielt seine Meinung aber tunlichst für sich. Irgendetwas musste geschehen sein, was Sophie Wittmer zu dem übereilten Aufbruch veranlasst hatte. Sei es beruflich oder privat.

      »Vielleicht ist sie doch gebunden«, sagte Thomas in seine Gedanken hinein. »Sie hat zwar das Gegenteil behauptet, aber womöglich hat sie mich ja belogen.«

      »Das musst du herausfinden.«

      »Helfen Sie mir dabei?«

      Der junge Mann tat ihm leid. Er stellte sich vor, sein Sohn Thorsten würde vor ihm stehen. Unglücklich verliebt, voller Zweifel, ob er seine Gefühle an die richtige Frau verschenkte, und voller Ungeduld, sich darüber Klarheit zu verschaffen.

      Er legte die Hand auf Thomas’´ Schulter.

      »Fahr jetzt erst mal wieder nach Hause. Ich will sehen, was ich tun kann.«

      »Versprochen?« Voller Vertrauen richtete sich der Blick aus den braunen Männeraugen auf sein Gesicht.

      Beruhigend lächelte