»Ihre Frau…?« stammelte der Bursche.
»Nein«, sagte das Mädchen trotzig, »ich bin auch nicht seine Frau. Ich weiß überhaupt nicht, weshalb er sich so aufkrempelt. Ich bin nur eine Küchenhilfe hier. Nichts weiter.«
Jetzt begriff der Bursche John Elliot. »Well, Mister. Dann ist sie eben Ihre Freundin. Das geht mich nichts an.«
Der Boardinghouseowner sah sich um. Drüben im Küchenfenster war in diesem Augenblick der grauhaarige Kopf einer rundlichen Frau aufgetaucht.
»Mike! Was machst du wieder drüben an der Scheune? Komm sofort her! – Judy, du nichtsnutzige Schlampe, habe ich dir nicht gesagt, daß du im Hühnerstall nachsehen sollst, wie es mit Eiern aussieht?«
»Wir sprechen uns noch«, zischte der Mann dem Cowboy zu.
»Verschwinden Sie, sonst bricht er Ihnen sämtliche Knochen«, raunte das Mädchen ihm zu.
Elliot ging quer über den Hof und rief der Frau am Küchenfenster zu:
»Ihr Mann sagte mir, daß die Zimmer vorn im Haus alle besetzt seien. Aber für einen halben Dollar könnte ich in einer der Scheunenkammern übernachten.«
»So, sagte er das?« entgegnete die Frau.
»Das Mädchen sollte mir die Kammer zeigen.«
Die Frau nickte. »Well«, entgegnete sie mit keifender Stimme. »Aber mein Mann hat sich im Preis geirrt. Die Kammer kostet fünfundsiebzig Cents pro Nacht.«
Elliot nickte langsam. »All right, Madam.«
Dann wandte er sich um und ging wieder auf die Scheune zu.
Der Wirt sah ihn wütend an.
»Wir sprechen uns noch«, knurrte er noch einmal, als Elliot an ihm vorüberging.
Judy stand schon auf der Stiege.
Als sie oben in einer der Kammern standen, meinte das Mädchen: »Sie können nicht bleiben, Mister. Der Boß ist ein gewalttätiger Mensch. Sie wären nicht der erste, den er meinethalben verprügelt.«
Es war ihm gleichgültig…
Elliot war wie ein Stein auf das Lager gefallen und eingeschlafen.
Ganz leise quietschte das Scheunentor. Dumpfe Schritte kamen über den hartgestampften Lehmboden zur Stiege.
Der Schläfer hörte das Knarren der Stufen nicht. Auch nicht die Schritte auf dem kleinen Gang. Erst als seine Tür aufgerissen wurde, fuhr John Elliot aus bleiernem Schlaf hoch.
»So, Bursche«, kam es rollend von der Tür. »Ich hatte dir versprochen, noch mit dir zu sprechen. Hier bin ich.«
Der Cowboy riß sich hoch und stand sofort neben seinem Bett.
»Was wollen Sie?« keuchte er schlaftrunken.
»Ich hatte dir gesagt, daß du verschwinden sollst«, röhrte der Boardinghouse-Inhaber. »Und da du offenbar schwer hören kannst, werde ich dir jetzt Beine machen.«
Seine riesigen Hände spannten sich schon um Elliots Hals. »Du bist hinter Judy her, stimmt’s?«
»Unsinn!« keuchte der Cowboy. »Lassen Sie mich sofort los!«
Der Hüne schleppte ihn aus der Kammer in den Flur bis in die Stiege.
»Verdammter dreckiger Tramp. Verschwinde!«
Noch enger zogen sich seine Finger um Elliots Hals.
Da riß der Weidemann mit der letzten Kraft der Verzweiflung einen rechten Uppercut hoch, der genau die Kinnspitze seines Gegners traf.
Jess Simmons, der Boardinghouse-Besitzer, ließ sofort von seinem Gegner ab, warf die Hände in die Luft und kippte über die Absatzspitzen zurück, genau die Stiege hinunter. Er stürzte sieben Yards tief und schlug so unglücklich mit dem Schädel auf, daß er tot liegenblieb.
Der Bursche lauschte in die Scheune hinunter.
»He, Mister. Auf diesen Trick falle ich nicht herein. Ich werde jetzt meinen Revolver holen, und dann können wir weiterreden.«
Aber er holte seinen Revolver nicht. Er blieb oben an der Stiege stehen.
Nicht der mindeste Laut drang vom Scheunenboden zu ihm herauf. Eine sonderbare Beklemmung ergriff ihn.
»Mister…!«
»He, Mister!«
Plötzlich hastete der Cowboy, durch eine furchtbare Ahnung getrieben, die knarrende Stiege hinunter und riß unten sofort ein Zündholz an.
Links neben der Leiter lag der Körper Jess Simmons!
Elliot bückte sich mit dem Zündholz und ließ den flackernden Lichtschein über das Gesicht des reglosen Mannes huschen.
Dann wich er zurück und starrte entgeistert auf die offenstehenden, glasigen Augen seines Gegners.
»Er ist tot«, kam es tonlos von seinen Lippen.
Ganz steif stand der Bursche da. Das Zündholz war längst verloschen, hatte seine Finger angesengt und war seiner Hand dann entglitten. Tiefes, lähmendes Dunkel umgab ihn.
Plötzlich hastete er los, rannte hinauf in seine Kammer, nahm Hemd, Stiefel und Jacke, Waffengurt und Hut und floh.
Er kam ungesehen aus dem Haus, schlich durch die Gasse zur Mainstreet und kletterte über das Tor des Mietstalles.
Als er sein Pferd aus dem Stall geholt hatte und den Torriegel aufschob, tauchte plötzlich neben ihm die Gestalt des Mietstallowners auf.
»Was wird das denn, Cowboy? Du willst dich doch nicht wie ein Dieb in der Nacht davonschleichen? Ich habe doch gleich gewußt, daß du ein dreckiger Tramp bist.«
John Elliot reagierte blitzartig. Er hatte den Colt aus dem Halfter gerissen und hieb den schweren Lauf dem anderen über den Schädel. Mit einem röchelnden Laut brach der Mann zusammen.
John Elliot zog sich in den Sattel und ritt davon.
Es war eine Stunde nach Mitternacht, als er die Stadt verließ. Es war die zweite Stadt, die er berührt hatte, und der zweite Tote, den er zurückließ.
*
Er war durch das Whitevalley an den Hängen der Houserange entlang nach Süden geritten.
Endlich am Sevierlake fand er klares, sauberes Wasser für sich und den völlig erschöpften Braunen.
Er schleppte sich in ein Ufergebüsch und sank ermattet auf den feuchten Boden nieder. Zwei Tage und zwei Nächte war er geritten, ohne etwas zu essen.
Er mußte in einen ohnmachtsähnlichen Erschöpfungsschlaf gefallen sein, als er plötzlich durch ein sonderbares Geräusch hochgeschreckt wurde.
Kaum acht Yards vor ihm auf einem Uferstein saß ein großer Berghahn. Elliot sah fassungslos zu dem Tier hinüber. Wie jeder Cowboy wußte er, daß ein Berghahn den köstlichsten Braten abgab, den man sich denken konnte.
Elliot zog den Revolver und stieß ihn nach vorn. Aber die Mündung schwankte hin und her.
Heavens! Wenn er den Vogel fehlte! Wenn er ihn mit dem ersten Schuß nicht traf, war das Tier mit zwei Flügelschlägen aus der Reichweite des Revolvers.
Wie ein Indianer richtete Elliot sich auf und zog die Spencerbüchse aus dem Scabbard.
Zounds! Das Durchladen würde Lärm machen und den Vogel aufscheuchen.
Elliot zitterte, aber immerhin lag der Gewehrlauf ruhiger als der Revolver in seiner Hand.
Er hielt die Mündung zwei Fingerbreit über dem Berghahn, da er damit rechnete, daß das Tier von dem Durchladegeräusch hochgescheucht würde.
Dann riß er den Bügel durch.