Genau in diesem Buch findet sich auch Tertullians bekanntestes Zitat, das sich in der Geschichte der Christenheit als so oft zutreffend erwiesen hat:
Wir werden jedes Mal zahlreicher, so oft wir von euch niedergemäht werden; ein Same ist das Blut der Christen.
Tertullians Apologetik brilliert durch eine prägnante Zusammenfassung philosophischer Ansichten (Kap. 47), eine ausführliche Beschreibung darüber, wie die Zusammenkünfte der Christen stattfinden (Kap. 39). Tertullian überrascht durch Kenntnis der Entwicklung römischer Gesetze (Kap. 5-9), und zeigt so auf, dass die Verfolgung der Christen ein Zustand ist, der eines zivilisierten Römischen Reiches unwürdig ist: In jedem anderen Fall, foltert man einen Verbrecher, bis er sein Verbrechen bekennt. Bei den Christen geht man jedoch anders um. Obwohl sie bekennen, werden sie weiterhin gefoltert! Spannend ist auch, wie Tertullian das Alter des christlichen Theismus als Argument verwendet. Moses Offenbarungen sind älter, als nicht nur alle Philosophen des Altertums, sondern auch alle ihre Götter. Im Besten Fall profitierten die Philosophen der Antike von den Propheten der Heiligen Schriften.
Kurz: Der Christ ist der vernünftigere Bürger. Warum wird er dann noch verfolgt?
Ich glaube, es ist angenehmer, sich nicht gebundener, loser und von allen Seiten frei herabhängender Blumen zu bedienen. Aber auch dann, wenn sie zu einem Kranze gebunden sind, so nehmen wir den Kranz mit der Nase wahr; mögen andere meinetwegen mit den Haaren riechen.
Liest man den Autor hat man das Gefühl, sowohl mit dem Humor und der Illustrationsfähigkeit Luthers, mit der Argumentationskraft Kierkegaards, wie auch mit der Exaktheit (und vielleicht manchmal auch die Weitschweifigkeit) der ersten Kirchenväter zu tun zu haben. Das macht Tertullian, diesen lebenslangen Streiter für "das reine Christentum" auch für die heute Zeit sehr interessant. 150 nach Christus in Karthago geboren, erhält er eine juristische und rhetorische Ausbildung. Daher darf auch der Stil seiner Schriften herrühren, die sich oftmals wie ein Plädoyer lesen.
Die Breite seiner Streitschriften deckt zahlreiche Themen ab: Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Häresien, mit den Gnostikern und den Juden. Ähnlich brillant verteidigt Tertullian die Taufe und kritisiert, was man wenig erwarten würde, eine zu frühe Taufe! Tertullian ist also ein Täufer durch und durch. Doch auch Trösten kann er und verfasst 202 n.Chr. eine Trostschrift an die Märtyrer im Kerker. Es ist zwar unklar, ob Tertullian selbst Montanist wurde, doch sympathisierte er lange mit dieser charismatischen Heiligungsbewegung am Rande (und später außerhalb) des orthodoxen Christentums. Die Montanisten waren eine radikale Gruppe, die rigorose Moralvorstellungen vertraten. Z. B. galt Ehebruch bereits als eine unvergebbare Todsünde für Christen. Vor allem zeichneten sich die Montanisten durch den Anspruch auf prophetische Gaben aus, die sie offensichtlich auch als auf einer Ebene mit dem niedergeschriebenen Wort Gottes betrachteten. Diese Radikalisierung Tertullians wirft leider einen irritierenden Schatten auf sein reiches und fruchtbares Werk. Zu den bereits oben genannten gehören dabei seine Pioniertätigkeit zur Dreieinigkeit, seine Auslegung des Vater-Unsers und vor allem der große Verdienst die griechischen Werke latinisiert zu haben. Tertullian bleibt somit der Kirchenvater an der Pforte vom Wandel der Kirche als griechisch sprechende Gemeinschaft zu einer lateinisch sprechenden.
Sergej Pauli, Königsfeld
1 John Piper; Specatucalr Sins, 2008 Crossway Books, Wheaton, Il.
1. Unkenntnis des Christentums ist die Ursache, warum es gehasst und verfolgt wird.
Ihr Spitzen der römischen Reichsregierung, die ihr an augenfälliger und erhabenster Stelle, sozusagen auf dem höchsten Punkt der Stadt den Vorsitz führt, um Recht zu sprechen, – wenn es euch nicht gestattet ist, offen zu untersuchen und vor aller Augen zu prüfen, was an der Sache der Christen Gewisses sei, – wenn eure Würde bei diesem einen Rechtsfalle allein vor einer sorgfältigen öffentlichen Rechtspflege zurückschreckt oder sich der Untersuchung schämt, – wenn endlich, wie kürzlich geschehen, bei den geheimen Prozessen im Palast die allzu sehr beschäftigte Feindschaft gegen diese Genossenschaft der Verteidigung den Mund verschließt, – so möge es der Wahrheit vergönnt sein, wenigstens auf dem verborgenen Wege stummer Schriften zu euren Ohren zu gelangen.
Sie sucht nicht durch Bitten ihre Sache zu bessern, weil sie über ihre Lage nicht einmal verwundert ist. Sie weiß wohl, dass sie als Fremdling auf Erden weilt und unter Fremden leicht Feinde findet, dass sie im Übrigen aber ihre Herkunft, Heimat, Hoffnung, ihren Lohn und ihre Würde im Himmel hat. Eins nur wünscht sie für jetzt: nicht ungekannt verdammt zu werden. Was können denn hierdurch die Gesetze, die in ihrem eigenen Gebiete herrschen, verlieren, wenn sie Gehör erhält? Wird etwa deren Macht dadurch in höherem Glänze erstrahlen, dass man die Wahrheit sogar unverhört verurteilt? Wenn man sie übrigens unverhört verdammt, so wird man neben der Gehässigkeit dieses ungerechten Verfahrens sich auch noch den Verdacht zuziehen, von der Sache doch eine gewisse Kenntnis zu besitzen, indem man nicht anhören will, was angehört man nicht verurteilen könnte.
So legen wir euch denn als ersten Beschwerdepunkt vor: den ungerechten Hass gegen den Namen "Christ". Diese Ungerechtigkeit wird durch eben denselben Titel erschwert und bewiesen, der sie zu entschuldigen scheint, nämlich durch die Unkenntnis. Denn was ist ungerechter als hassen, was man nicht kennt, gesetzt auch, es verdiente Hass? Eine Sache verdient erst dann Hass, wenn man erkennt, ob sie ihn verdient. Fehlt die Erkenntnis, ob der Hass ein verdienter sei, womit wird dann die Gerechtigkeit des Hasses dargetan? Dieselbe ist ja doch nicht aus dem Ausgang, sondern aus der genauen Kenntnis der Sache zu erweisen. Wenn man also deswegen Hasst, weil man nicht weiß, wie der Gegenstand, den man Hasst, beschaffen ist, warum sollte er denn nicht so beschaffen sein können, dass man ihn nicht hassen darf?!
So überführen wir sie des einen durch das andere, dass sie in Unkenntnis sind, wenn sie Hass hegen, als auch, dass ihr Hass ein ungerechter sei, wenn sie sich in Unkenntnis der Sache befinden. Beweis für ihre Unkenntnis, durch welche die Ungerechtigkeit, wenn sie sich damit entschuldigt, erst recht verdammlich wird, ist der Umstand, dass alle, die ehedem, weil sie in Unkenntnis waren, sich dem Hasse überließen, aufhören zu hassen, sobald ihre Unwissenheit aufhört. Aus solchen werden die Christen, sicherlich nach genauer Prüfung, und sie fangen an zu hassen, was sie früher waren, und zu bekennen, was sie Hassten, und ihre Zahl ist gerade so groß, als, was ihr mit Unwillen bemerkt, groß unsere Zahl ist.
Die Stadt, schreit man, sei ganz damit erfüllt, auf dem Lande, in den Burgflecken, auf den Inseln seien Christen, man beklagt es als einen Nachteil, dass Leute jeden Geschlechts, jeden Alters und Standes, ja sogar Leute von Rang zu diesem Bekenntnis übergehen. Und doch erhebt man sich infolgedessen auch nicht einmal dazu, in ihm irgendeinen verborgenen Vorzug zu vermuten. Man darf nicht richtiger denken, man darf es nicht näher erforschen; hier allein bleibt der Wissenstrieb der Menschen untätig; man gefällt sich darin, unwissend zu bleiben, während andere sich der gewonnenen Erkenntnis freuen.
Um wieviel mehr hätte Anacharsis diese gebrandmarkt, weil sie als Unkundige über Kundige zu Gericht sitzen wollen. Sie wollen lieber in Unkenntnis verharren, weil sie schon von Hass erfüllt sind. Somit sprechen sie im Voraus das Urteil aus, die Sache sei derart, dass sie, wenn sie sie kennten, sie sie nicht zu hassen vermöchten, weil, wenn kein Grund für den Hass gefunden wird, es dann, jedenfalls das Beste ist, den ungerechten Hass aufzugeben, wenn aber die Schuld ausgemacht ist, dann der Hass nicht nur nichts verliert, sondern dazu noch zu seiner Fortdauer der Ruhm der Gerechtigkeit erworben wird.
Doch, sagt man, eine Sache wird noch nicht deswegen im Voraus als gut beurteilt, weil sie Anziehungskraft für die Leute besitzt; denn wie viele lassen sich zum Schlechten verbilden, wie viele laufen der Verkehrtheit in die Arme! – Wer kann das leugnen? Allein, was wirklich schlecht ist, das wagen auch nicht einmal diejenigen, welche sich haben anlocken lassen, als gut zu verteidigen. Alles Schlechte hat die Natur mit Furcht und Scham übergossen.
So wünschen z. B. die Übeltäter, verborgen zu bleiben, sie meiden die Augen der Leute, sie zittern bei ihrer Ergreifung, leugnen bei der Anschuldigung, bekennen nicht einmal auf der Folter leicht und jedes Mal, sie trauern sicherlich bei ihrer Verurteilung, sie durchgehen unter