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From: Alma Winter
To: Benjamin Lenk
Sent: Thursday, April 29, 2004 9:56 PM
Subject: Termin Weimar
Sehr geehrter Herr Dr. Lenk,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 26.04.2004.
Hiermit bestätige ich den von Ihnen vorgeschlagenen Termin Montag, 10. Mai 2004, 11:30 Uhr für die Besprechung in Ihrer Kanzlei in Weimar, Lincolnstraße 32.
Mit freundlichen Grüßen
Alma Winter
From: Benjamin Lenk
To: Alma Winter
Sent: Friday, April 30, 2004, 8:06 AM
Subject: Re: Termin Weimar
Sehr geehrte Frau Winter,
vielen Dank für die Terminbestätigung.
Ich schlage allerdings vor, dass wir uns zunächst unmittelbar an der Adresse Erfurter Straße 1 treffen. So kann ich Ihnen vor unserer Besprechung das Gebäude zeigen, das Bestandteil des Erbes ist. Wir verbleiben bei dem von Ihnen bestätigten Termin 10.05.2004, 11:30 Uhr.
Ich werde mir erlauben, Ihnen eine Übernachtung zum 11.05. in Weimar im Hotel Liszt zu reservieren, so dass Sie vor Ort hinreichend Gelegenheit zu Besichtigung und Information haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Benjamin Lenk
Rechtsanwalt
Kanzlei Rottloff und Kollegen
Weimar
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Ein hochgewachsener Mann in grauschwarzem Anzug stand in einigem Abstand vom Schalter auf der Verkehrsinsel. Er hatte kurze dunkle Haare und trug eine Brille mit getönten Gläsern. Auf dem Bürgersteig neben dem Haus stand jetzt ein schwarzer BMW.
Alma schaute den Riesen an und nickte. „Und Sie sind … Rechtsanwalt Dr. Lenk? Waren wir nicht vor einer halben Stunde verabredet?“
Herr Lenk erschien keineswegs verlegen und antwortete kühl: „Ich bedaure die Verspätung außerordentlich. Mein Sohn hatte einen kleinen Unfall. Leider waren Sie nicht auf dem Handy zu erreichen, ich habe es mehrfach versucht.“
Alma erinnerte sich sofort, dass sie ihr Handy im Zug demonstrativ aus der Handtasche genommen und abgestellt hatte, als ein Mitreisender ihr gegenüber sein drittes Telefonat in Serie begonnen und ihre vernichtenden Blicke konstant ignoriert hatte. Sie spürte, wie ihr Gesicht zu glühen begann.
„Ihrem Sohn ist doch hoffentlich nichts Schlimmes passiert?“
„Nur ein Sturz von der Schaukel. Aber zur Sicherheit sind wir doch in die Klinik zum Röntgen gefahren, auch, um die Kindergärtnerinnen zu beruhigen. Na, und die Schürfwunden an Knie und Ellenbogen wurden danach in der Ambulanz von ihrem Besitzer stolz vorgezeigt und von der Schwester aufwendig verbunden. Jetzt ist Paul wieder im Kindergarten und …“
„Und sicher der viel beachtete Mittelpunkt mit seinen Verbänden“, unterbrach ihn Alma.
Herr Lenk nickte mit der Andeutung eines Lächelns. „Also dann noch einmal von vorn: Willkommen in Weimar, Frau Winter. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise. Es ist gut, dass wir uns gleich hier, am locus delicti sozusagen, treffen. Ich sehe, Sie sind vor dem Verhungern bewahrt worden. Dann lassen Sie uns doch gleich zur Sache kommen. Darf ich mich Ihres Koffers annehmen?“
Er machte Anstalten, sich des Koffergriffes zu bemächtigen, doch Alma schüttelte den Kopf.
„Einen Moment, Herr Lenk. Ich muss noch schnell für den Gourmetimbiss bezahlen.“
Der Anwalt schaute irritiert von Alma zum Schalter, ließ aber den Koffer gehorsam stehen. Alma zahlte und sagte mit dem Anflug eines Lächelns zu Moni und Holger: „Toll – aber irgendwie kaum zu glauben! Auf Wiedersehen!“
„Immer gerne“, antwortete Moni, nickte ihr zu und musterte dabei den BMW samt seinem Besitzer argwöhnisch.
„Jetzt können wir. Und glauben Sie mir, ich bin schon sehr gespannt.“
Alma wollte nach ihrem Koffer greifen, aber Herr Lenk war schneller.
„Ich schlage vor“, sagte er, „wir verstauen Ihren Koffer im Auto und besichtigen zunächst das Haus. Danach fahren wir in die Kanzlei und besprechen alles Notwendige. Sie haben dann bereits einen ersten Eindruck vom Gegenstand der Nachlasssache und können mithilfe der Informationen, die Sie von mir erhalten, erste Überlegungen anstellen. Ich darf Ihnen meine Karte geben?“
Alma nahm die Visitenkarte. „Benjamin Lenk, Rechtsanwalt, Kanzlei Rottloff und Kollegen, Rechtsanwälte und Notare“ las sie.
Als sie aufblickte, ging Herr Lenk bereits auf das Haus zu. Alma beeilte sich, zu ihm aufzuschließen. Er zog einen Sicherheitsschlüssel aus der Hosentasche und bog um die Ecke in Richtung Hauseingang.
„Vorsicht!“, wollte Alma noch rufen, aber sie sah, dass auf dem Bürgersteig neben der Ampel im Moment keine Gefahr drohte, alles stand auf Rot und nichts bewegte sich.
KAPITEL 2
Im Zug von Berlin nach Weimar hatte Alma die beiden Briefe mehrmals aus dem Rucksack geholt und durchgelesen. Doch das Schreiben des Nachlassgerichts sagte ihr ebenso wenig wie das der Anwaltskanzlei.
Sicher, sie erinnerte sich an Onkel Ewald, der eigentlich der Onkel ihrer Mutter gewesen war. Damit war er ihr Großonkel, oder? Und der Bruder ihrer Oma, oder der Halbbruder? In Omas Familie gab es, so fiel ihr wieder ein, einige „Brüche“, wie ihre Mutter bisweilen mit verschmitztem Lächeln zu bemerken pflegte. Oma hatte auch zwei unterschiedliche Familiennamen besessen, bevor sie Opa heiratete, einen als Kind und einen als junge Frau. Das hatten die Kränzchentanten einmal ausgeplaudert, als Alma bei Oma war. Opa lebte zu dieser Zeit wohl schon nicht mehr.
Omas Mutter, also auch Onkel Ewalds Mutter, hieß auch Alma und war, so der einhellige Tenor aller Erzählungen „von früher“, eine wunderbare Frau und exzellente Köchin gewesen. Sie hatte im Haus des Direktors einer bekannten Porzellanfabrik in Thüringen gedient und gekocht, woran ein Großteil des guten Geschirrs in Omas Büfett erinnerte. So war Almas Vorname eigentlich feinsten menschlichen Ursprungs, was sie allerdings in ihrer Kindheit nicht immer anzuerkennen imstande war. In einer Zeit, in der die Mädchen Angela, Jacqueline (Schacklin gerufen und auf der ersten Silbe betont) oder Mandy hießen, hätte Alma lieber auch einen „modernen“ Namen gehabt. Später allerdings, als die Generation der Paulas, Lucies und Marias heranwuchs, war sie als Alma unauffällig geworden.
Onkel Ewald, daran erinnerte sie sich inzwischen, war „ein hohes Tier“, das jedenfalls pflegten Opa und Oma von ihm zu sagen. Ab und zu war sein Name in der Zeitung zu lesen, manchmal sogar neben oder unter einem Bild. Auf den Fotos stand Onkel Ewald an einem Rednerpult oder schüttelte anderen Männern die Hand, immer in Schlips und Anzug. Sein wallender weißer Haarschopf hob ihn meist aus den älteren und schütteren Köpfen hervor.
Nachdem ihre Großeltern gestorben waren, hatte es keines der großen Familienfeste mehr gegeben, bei denen sich die Generationen trafen. Und nach dem Tod ihrer Mutter hatte Alma nichts mehr von Onkel Ewald gehört. Sicherlich war er nach der Wende auch aus den Zeitungsberichten verschwunden, aber das vermutete Alma mehr, als sie es wusste. Sie war nach Göttingen zum Studium gegangen und hatte ihr Leben an anderen Orten weitergelebt. Nach Thüringen war sie seit Jahren nicht mehr gekommen.
Dass sie jetzt seine Erbin sein sollte, war schwer zu glauben. Kinder hatte Onkel Ewald nicht gehabt, das stimmte, aber Tante Lise war doch seine Frau gewesen, oder? Möglicherweise war sie aber vor ihm gestorben, offensichtlich sogar. Und wieso besaß Onkel Ewald ein Haus in Weimar? Ein „Torhaus“? Er hatte doch immer in der Bezirksstadt gelebt, in seiner großen Blockwohnung im neunten Stock, mit Fahrstuhl, wie Oma nicht ohne Neid zu erzählen wusste.
Onkel