Nach der Operation bot man mir eine Anschlussheilbehandlung an, die ich eigentlich nicht wollte. Da bei der Bypassoperation jedoch der Brustkorb geöffnet wird, war allein dadurch eine längere Heilungsphase von ca. drei Monaten erforderlich, in der ich nicht schwer heben und tragen dufte und zudem kein Auto fahren sollte. Die Operation fand zum Ende des Jahres statt und so war es mir, jahreszeitlich bedingt, nicht möglich, nach diesen drei Monaten meiner gewohnten Freizeitaktivität, dem Mountainbike fahren, nachzugehen. Daher stimmte ich einer dreiwöchigen Anschlussheilbehandlung zu.
In den ersten beiden Wochen war ein Vertretungsarzt auf der Station, mit dem ich gut zurechtkam. In der letzten Woche kam der Stationsarzt, ggf. aus einer Krankheits- oder Urlaubsphase zurück auf die Station. Mit diesem kam kein guter Kontakt und kein Vertrauensverhältnis zustande. Er war autoritär, wirkte unfreundlich und war wenig empathisch. Was ich mitteilte, wurde von ihm argumentativ gegen mich verwendet, weshalb ich mich von Arztgespräch zu Arztgespräch mehr und mehr von ihm innerlich distanzierte.
Im weiteren Verlauf traten Herzrhythmusstörungen auf, die nicht ungewöhnlich sind nach einer solchen Operation. Dass diese auch meinen Erfahrungen (Erleben) und/oder der Kliniksituation geschuldet sein könnten, wurde nicht erwogen, da dies in der biomedizinischen Sichtweise keine Relevanz hat. Der nun zurückgekehrte Arzt veranlasste (verordnete), der biomedizinischen Logik, Routine und Notwendigkeit folgend, weitere Diagnostik. Da ich drei Wochen allein in der Klinik war und keinen Besuch erhielt, zudem diese Diagnostik (24 Std. EKG mit 24 Std. Blutdruckmessung) öfter erfolgte, bemerkte ich häufiger beiläufig, dass mich diese Diagnostik in „Angst und Schrecken“ versetzte, vor allem weil sie mehrfach erfolgte, ein Befund war doch bereits erhoben! Seitens des behandelnden Personals wurde nicht darauf reagiert. Zu diesem Zeitpunkt war ich bezüglich meiner möglichen Ursachenerwägungen nicht sicher, ob und inwieweit diese tatsächlich fundiert waren, da dieser Prozess ja erst im Entstehen war. Zu diesem Zeitpunkt wurde zudem die Einnahme von Blutverdünner verordnet, um einem möglichen Hirninfarkt vorzubeugen.
Ich verlängerte, wie man erahnen konnte, meinen Aufenthalt in der Rehaklinik nicht, der mir wie den meisten anderen angeboten wurde.
Die ersten Tage nach der Entlassung hielten die Herzrhythmusstörungen noch an. Als ich an meinem Wohnort den Hausarzt aufgesucht hatte, dachte ich, da die Herzrhythmusstörungen noch da waren, ich müsste nun wieder zu dem gleichen Kardiologen gehen, der die Herzkatheteruntersuchung durchführte. Tatsächlich bot meine Hausärztin mir diesen „alternativlos“ an. Aus biomedizinischer Sicht standen nun, wie dies der Arzt in der Rehklinik bereits angedeutet hatte, eine Verödung an, um die elektrischen Zentren, die die Herzrhythmusstörungen bedingen würden - so der Eingriff erfolgreich sein würde - zu beseitigen.
Als ich das erste Mal in der Klinik zur Bypassoperation war, habe ich auf einem Türschild in der Rehaklinik des Krankenhauses gelesen, da ich einen Mitpatienten besuchte, bei dem die AHB früher umgesetzt wurde, dass in dieser eine Professorin für Psychokardiologie tätig war.
Zu meinem zweiten Aufenthalt am selben Ort, nun jedoch in einer Rehaklinik der DRV, wollte ich die Gelegenheit wahrnehmen, zu einer Vorlesung der Psychokardiologin gehen. Besonders interessierte mich der Zusammenhang von Stress und koronaren Herzerkrankungen. Zu dieser Zeit wurde jedoch ein Vortag zu Emotionen und koronaren Herzerkrankungen angeboten. Die Möglichkeit einer Teilnahme wurde vereitelt, da an diesem Tag ein Vortag in der Rehaklinik, der zum Behandlungsprogramm gehörte, den eigentlich vorgesehenen Zeitrahmen bei weitem übertraf, sodass eine Teilnahme nicht möglich war.
Ich beschäftigte mich daher, als ich zu Hause war mit dieser Thematik. Nun wurde für mich deutlich, dass zwischen meinen Erfahrungen in der Rehaklinik und den aufgetretenen körperlichen Störungen ein möglicher Zusammenhang bestehen könnte, der in der Fachliteratur beschrieben und erklärt wird, jedoch in der Biomedizin nicht in Erwägung gezogen wird. Durch die Fachliteratur (u.a. Herrmann-Lingen & Albus 2014) fühle ich mich nun in meinem „intuitiven Verständnis“ bzw. in meiner Profession bestätigt, dass Zusammenhänge zwischen den Systemebenen (Körper, Psyche und Umfeld) zu betrachten, durchaus als seriös anzusehen sind.
Meine Herzrhythmusstörungen verschwanden nun doch, nach einigen Tagen, ohne biomedizinische Behandlungen, da ich von Angst und Schrecken befreit und wieder in meiner häuslichen Umgebung war oder sie doch Folge der Operation gewesen sind.
Im Frühjahr fuhr ich wieder Fahrrad und baute meine Kondition auf. Es dauerte sehr lange bis ich wieder so fit war, wie vor der Operation.
Die Entscheidung zur Bypassoperation war richtig, vor allem auch die lange Zeit, die ich mir nahm, um eine fundierte Entscheidung über diese beiden möglichen Behandlungsverfahren herbeizuführen. Dieser Zeitraum war zudem wichtig, um mich innerlich auf diesen großen Eingriff vorzubereiten, dies erfuhr ich innerlich sehr deutlich. Ich fühle mich zudem, drei Jahre nach der Operation, bekräftigt, dass die „Herz-Hirn-Connection“, wie Rüegg (2012) sie nennt, besteht und meiner Ansicht zufolge, ihre Berechtigung hat.
Auf anderen Systemebenen die möglichen Ursachen für diese Erkrankung zu eruieren, ist für mich auch deshalb bedeutsam, da die in der Biomedizin in Frage kommenden Ursachen für eine Koronare Herzkrankheit (KHK): Fettstoffwechselstörung, Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes mellitus, mangelnde Bewegung, Rauchen (Herrmann-Lingen & Albus 2014), nicht vorlagen.
Zum Abschluss noch eine „Anekdote“: Ein Assistenzarzt im Krankenhaus erfand nach der OP, vermutlich aus den soeben genannten Gründen einen Bluthochdruck, der so beeindruckend und eineindeutig durch Messwerte auf der Intensivstation begründet gewesen sein sollte, dass er mir eine diesbezügliche Diagnose stellte. Ich hatte jedoch in den vergangenen Jahren lange Messreihen über den Blutdruck vorliegen. Daher wusste ich und teilte dies dem Arzt mit, dass ich eher eine Hypotonie anstelle einer Hypertonie habe. Der Assistenzarzt sah dies seinerzeit als Infragestellung seiner ärztlichen Fähigkeiten. Damals bin ich nicht darauf eingegangen und habe eher beschwichtigt. Heute möchte ich sagen, ja es war eine Infragestellung, die berechtigt gewesen ist.
Literatur:
Egger, Josef W. (2017): Theorie und Praxis der biopsychosozialen Medizin. - Körper-Seele-Einheit und sprechende Medizin.
Herrmann-Lingen, Christoph & Albus, Christian (20142): Psychokardiologie. - Ein Praxisleitfaden für Ärzte und Psychologen (Neuauflage vorhanden).
Rüegg, Johann Caspar (2012): Die Herz-Hirn-Connection. - Wie Emotionen, Denken und Stress unser Herz beeinflussen.
2. Historische Begrenzung auf den Körper
In der Zeit der frühen Entwicklung der Naturwissenschaften wird der im 17-ten Jahrhundert lebende René Descartes (Mathematiker und Philosoph) genannt, nach dem „Geist und Materie (Anm.: Körper, Gehirn) nicht nur radikal verschieden, sondern auch strikt getrennt sind und grundsätzlich unabhängig voneinander existieren können“. Der Geist („res cogitans“) sei von „unserer physischen Existenz unabhängig“, nicht materiell, eine unteilbare Einheit, der Körper („res extensa“) hingegen beliebig teilbar (Falkenburg 2012 S.9, S.35).
Antonio R. Damasio, Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie und Leiter des Brain and Creativity Institute der Universität von Südkalifornien, geht davon aus, dass Descartes in vielerlei Hinsicht auf die weitere Entwicklung Einfluss genommen hat.
So liegt die „Vorstellung eines körperlosen Geistes möglicherweise auch der Auffassung jener Neurowissenschaftler zugrunde, die behaupten, Geist lasse sich ausschließlich durch Gehirnereignisse erklären, sodass man den Rest des Organismus sowie die physische und soziale Umwelt getrost ausklammern könne - einschließlich des Umstands, dass ein Teil der Umwelt das Ereignis vorausgehender Handlungen des Organismus ist“ (Damasio 2004, S.295).
„Die Vorstellung von einem körperlosen Geist scheint auch … die westliche Medizin (beeinflusst zu haben), infolgedessen die psychischen Folgen von Erkrankungen des Körpers … und die körperlichen Auswirkungen psychischer Konflikte“, vernachlässigt werden (Damasio 2004, S.295).
„Da der Geist in einem Gehirn entsteht,