Gesammelte Erzählungen und Gedichte. Joachim Ringelnatz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Ringelnatz
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783958555174
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      Nie bist du ohne Nebendir

      Eine Wiese singt.

       Dein Ohr klingt.

      Eine Telefonstange rauscht.

       Ob du im Bettchen liegst

       Oder über Frankfurt fliegst,

       Du bist überall gesehen und belauscht.

      Gonokokken kieken.

       Kleine Morcheln horcheln.

       Poren sind nur Ohren.

       Alle Bläschen blicken.

      Was du verschweigst,

       Was du den andern nicht zeigst,

       Was dein Mund spricht

       Und deine Hand tut,

       Es kommt alles ans Licht.

       Sei ohnedies gut.

      Die Guh gibt Milch und stammt aus Leipzig

      Die Guh gibt Milch und stammt aus Leipzig.

       Wer zuviel Milch trinkt, der bekneipt sich.

      Der Ochse gibt statt Milch: Spinat.

       Er spielt am Nachmittage Skat.

      Unter Wasser Bläschen machen

      Kinder, ein Rätsel! Hört mich an!

       Wer es herausbekommt, kriegt Geld! – Wie kann

       Man unter Wasser Bläschen machen?

       Das müßt ihr versuchen – unbedingt! –

       In der Badewanne. Und wenn es gelingt,

       Werdet ihr lachen.

      Kinder, spielt mit einer Zwirnsrolle!

      Gewaltigen Erfolg erzielt,

       Wer eine große Rolle spielt.

      Im Leben spielt zum Beispiel so

       Ganz große Rolle: der Popo.

      Denkt nach, dann könnt ihr zwischen Zeilen

       Auch mit geschlossenen Augen lesen,

       Daß Onkel Ringelnatz bisweilen

       Ein herzbetrunkenes Kind gewesen.

      Das Hexenkind

      Das junge Ding hieß Ilse Watt.

       Sie ward im Waisenhaus erzogen.

       Dort galt sie für verstockt, verlogen,

       Weil sie kein Wort gesprochen hat

       Und weil man ihr es sehr verdachte,

       Daß sie schon früh, wenn sie erwachte,

       Ganz leise vor sich hinlachte.

      Man nannte sie, weil ihr Betragen

       So seltsam war, das Hexenkind.

       Allüberall ward sie gescholten.

       Doch wagte niemand, sie zu schlagen.

       Denn sie war von Geburt her blind.

      Die Ilse hat für frech gegolten,

       Weil sie, wenn man zu Bett sie brachte,

       Noch leise vor sich hinlachte.

      In ihrem Bettchen blaß und matt

       Lag sterbend eines Tags die kranke

       Und stille, blinde Ilse Watt,

       Lächelte wie aus andern Welten

       Und sprach zu einer Angestellten,

       Die ihr das Haar gestreichelt hat,

       Ganz laut und glücklich noch: „Ich danke.“

      Den Unterschied bei Mann und Frau

      Den Unterschied bei Mann und Frau

       Sieht man durchs Schlüsselloch genau.

      Emanuel Pips

      (Zu seinem 81. Geburtstag)

      Den Kammerjäger Emanuel Pips

       Vom linken Ufer des Mississipps

       Mochte jedermann leiden.

       Er war äußerst bescheiden.

       Er trug acht Zentimeter Rips

       Als Anzug und einen Seiden-

       faden in Grün als Schlips,

       Fragte niemals nach Rennbahntips,

       Hatte überhaupt keinen Grips,

       Aß einmal am Tage (potato-chips),

       Trank alkoholfreie Salzwasserflips,

       Wurde trotz alledem magenkrank

       Und starb am Schwips.

       Seine kleine Büste aus Gips

       Steht unter anderen Nippes

       Heute auf meinem Bücherschrank.

      Berichtigung: Kammerjäger Pips

       Schrieb sich eigentlich innen mit Yps-

       ilon, doch war so bescheiden und lieb,

       Daß es ihm gleich war, wie man ihn schrieb.

      Arm Kräutchen

      Ein Sauerampfer auf dem Damm

       Stand zwischen Bahngeleisen,

       Machte vor jedem D-Zug stramm,

       Sah viele Menschen reisen

      Und stand verstaubt und schluckte Qualm,

       Schwindsüchtig und verloren,

       Ein armes Kraut, ein schwacher Halm,

       Mit Augen, Herz und Ohren.

      Sah Züge schwinden, Züge nahn.

       Der arme Sauerampfer

       Sah Eisenbahn um Eisenbahn,

       Sah niemals einen Dampfer.

      Ernster Rat an Kinder

      Wo man hobelt, fallen Späne.

       Leichen schwimmen in der Seine.

       An dem Unterleib der Kähne

       Sammelt sich ein zäher Dreck.

      An die Strähnen von den Mähnen

       Von den Löwen und Hyänen

       Klammert sich viel Ungeziefer.

       Im Gefieder von den Hähnen

       Nisten Läuse; auch bei Schwänen.

       (Menschen gar nicht zu erwähnen,

       Denn bei ihnen geht’s viel tiefer.)

      Nicht umsonst gibt’s Quarantäne.

      Allen graust es, wenn ich gähne.

      Ewig rein bleibt nur die Träne

       Und das Wasser der Fontäne.

      Kinder, putzt euch eure Zähne!!

      Kinder, ihr müßt euch mehr zutrauen

      Kinder, ihr müßt euch mehr zutrauen!

       Ihr laßt euch von Erwachsenen belügen

       Und schlagen. — Denkt mal: Fünf Kinder genügen,

       Um eine Großmama zu verhauen.

      Bist du schon auf der Sonne gewesen?

      Bist du schon auf der Sonne gewesen?