„Noch einen Schritt nach links“, sagt der Mann vor ihm fast gemütlich. „Los, beweg dich!“
Washburn tritt zurück. Der Kerl öffnet die Schublade und zieht einen kleinen Schlüssel heraus.
„Der?“
„Ja“, haucht der Bankier.
„Gut. Geh vor mir her. Gus, bring die Lampe mit, wir werden sie brauchen.“
Gus nimmt die Lampe vom Schreibtisch. Er geht hinter Washburn auf eine Tür zu, die zum Kassenraum der Bank führt.
Der Bankier geht bis zum Panzerschrank in der Ecke neben dem Fenster. Er will hinausblicken, aber Gus stößt ihm den Lauf des Revolvers zwischen die Rippen.
„Wir machen das ganz allein“, knurrt er drohend. „Die da draußen brauchen wir nicht.“
„Hier hast du den Schlüssel“, meint der andere. „Schließ den Laden auf!“
Washburn nimmt den Schlüssel. Fast wäre er ihm aus den klebrigen Fingern gefallen.
„Habt ihr euren Mörder schon gehenkt?“, erkundigt sich Gus grinsend.
Washburn schaut ihn verblüfft an.
„Ach so. Du dachtest, wir wüssten das nicht, wie? Wir wissen alles, was in Collins passiert. Nun schließ endlich auf!“
Washburn schiebt den Schlüssel ins Schloss, dreht ihn herum und bewegt dann das mit Messing überzogene Handrad.
Mit einem saugenden Geräusch öffnet sich die schwere Tür.
„Gus, einen Postsack. Unter der Theke müssen welche liegen.“
Gus stellt die Lampe auf den Panzerschrank und geht auf die Theke zu.
In diesem Moment greift der Bankier in die Tasche, weil er glaubt, der andere würde auf das Geld starren. Seinen Irrtum bemerkt er erst, als ein brennender Hieb ihn trifft, der ihn gegen die Wand schleudert und dort zu Boden schickt.
„Blöder Kerl“, knurrt der Bandit.
Gus bringt den Sack, in den sie alles schieben, was sich an Geld im Panzerschrank befindet.
Washburn versucht auf die Beine zu kommen und schaut auf seinen Colt-Derringer, der auf dem Boden liegt.
„Ich wollte wissen, ob ihr den Mörder Berton Keefes schon am Halse hochgezogen habt?“, meint Gus. „Willst du nicht antworten?“
„Wir warten auf den Richter“, sagt der Bankier schwach.
„Warum denn das?“
„Weil wir mehr Gerechtigkeitssinn haben als ihr.“
„Ach so“, grinst Gus. „Wunderbar, wie du das gesagt hast. Tally, was machen wir nun mit ihm? Er schlägt Krach, ehe wir das gebrauchen können.“
„Ja. Ich werde das erledigen. Aber so, dass es eine Weile anhält.“ Tally schnürt den Sack zu und wirft ihn auf die Schulter. Als er auf die Tür zugeht, hört er hinter sich ein hallendes Geräusch, und dann noch einen dumpfen Laut.
„Alles klar“, sagt Gus. „Wenn ich gewusst hätte, wie leicht das ist, hätten wir es schon früher gemacht.“
38
Das Donnern des Schusses schallt durch die Stadt und weht zwischen den Hauswänden hin und her. Erregte Rufe sind zu hören und überall Männer, die nach allen Seiten blicken.
„Überfall!“, ruft eine kreischende Stimme.
„Das ist Washburn!“, schreit jemand.
Dann hasten die Männer alle zur Bank, deren Tür offen steht und aus der eine lange Lichtbahn fällt, die bis mitten auf die Straße reicht.
Der Schreiner kommt als erster bei dem Bankier an, der am Pfosten der Tür lehnt und seinen Kopf reibt.
„Was ist?“, fragt er.
Washburn berichtet mit sich überschlagender Stimme. Alle Leute reden durcheinander. Bis eine kreischende Stimme alle anderen übertönt:
„Mein Geld! Mein ganzes Geld!“
„Holt die Pferde“, sagt der Schreiner sachlich. „Bryant, wie fühlst du dich?“ Er merkt gar nicht, dass sein Ton dem Bankier gegenüber sehr nachgelassen hat.
„Schlecht.“
„Dann bleibst du da. Nimm dein Gewehr und setz dich ins Office! Einer muss den Gefangenen bewachen. Ihr anderen holt die Pferde. Harlin, du suchst inzwischen nach Spuren!“
Die Männer laufen auseinander. Der Sattler Harlin umkreist suchend die Bank.
„Hier!“, hören sie ihn rufen, als sie nach wenigen Minuten mit den Pferden zurückkommen.
Sie folgen dem Ruf hinter das Bankgebäude. Und gleich darauf trommelt der Hufschlag der Pferde in die Prärie hinaus.
39
Dallas ist aus dem leeren Saloon gekommen. Hier und da sieht sie Lichtschein hinter einem Fenster, und manchmal ist der Schatten einer Frau zu sehen. Dallas geht zum Mietstall hinüber. Suchend blickt sie umher.
Der Stallmann ist nicht zu sehen. Er scheint mit den anderen geritten zu sein.
Dallas sattelt selbst ihre Schimmelstute und führt sie hinaus. Sie läuft zum Office und tritt ein.
Washburn sitzt am Schreibtisch und hat den Kopf gehoben. Vor ihm liegt sein Gewehr.
„Ah, Dallas“, murmelt er.
„Ja“, sagt sie und schaut zu Roger in die Zelle, der ebenfalls den Kopf gehoben hat.
Washburn greift nach dem Gewehr.
„Was ist?“, fragt er argwöhnisch. „Was wollen Sie hier?“
Dallas tritt näher an den Schreibtisch heran. Direkt vor ihr liegt der Schlüssel für die Zellentür.
„Ich kündige“, sagt sie.
„Kündigen?“
„Ja, ich habe mir überlegt, dass Collins auch keine gute Stadt ist. Womöglich gibt es keine gute Stadt. Aber vielleicht finde ich doch noch eine.“
„So, keine gute Stadt also. Und warum nicht?“
„Das wissen Sie doch, weil Sie meine Meinung kennen. Er ist kein Mörder.“
„Aha. Und warum behaupten Sie nicht, Andy Keefe wäre auch kein Mörder? Nicht wahr, er ist doch unschuldig? Sie waren sehr gut mit ihm bekannt.“
„Doch, Andy ist ein Mörder. Ja, ich war mehr als bekannt mit ihm. Sie werden das wohl nicht verstehen, weil Sie niemals auf der Stufe gestanden haben wie ich. Geben Sie mir meinen Lohn?“
„Jetzt?“
„Ja, jetzt. Ich reite gleich fort.“
„In der Nacht? Allein?“
„Ich bin schon oft nachts geritten und war fast immer allein.“
„Aber ich kann jetzt nicht weggehen“, murmelt der Bankier unsicher und schielt auf den Gefangenen.
In diesem Moment greift Dallas nach dem Schlüssel und wirft ihn mit einer ruckartigen Handbewegung durch die Gitterstäbe hindurch.
Washburn fährt hoch und herum. Alles Blut scheint aus seinem Kopf gewichen zu sein.
„Lassen