Mitternachts-Thriller Sammelband 4001 - Vier Romane um Liebe und Geheimnis Juli 2019. Jan Gardemann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jan Gardemann
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783745209419
Скачать книгу
Er war ein Schatten seiner selbst und zumindest für mich lag es auf der Hand, dass er nie im Leben damit gerechnet hatte, dass sein Ritual eine derartige Wirkung haben konnte ...

      9

      Nach diesem Ereignis kam irgendwie nicht mehr die alte Stimmung unter den Gästen auf.

      Die meisten zogen sich auf ihre Zimmer zurück, andere debattierten in kleineren Gruppen über das Geschehene.

      Jim hatte sich einer dieser Gruppen zugesellt und hörte aufmerksam zu.

      "Ein Gag, der fast so gut war, dass man ihn für ein tatsächliches übersinnliches Phänomen halten könnte!", sagte einer der Gäste und das Schaudern war ihm noch anzumerken.

      "Woher wollen Sie sicher sein, dass ...", wollte die schrille Rothaarige einwerfen, wurde aber sogleich unterbrochen.

      "Geister! Meine Güte, so etwas gibt es in Märchen und Filmen, aber nicht im wirklichen Leben! Nicht einmal an einem so pittoresken Ort wie diesem!"

      Ich hatte das Bedürfnis, frische Luft schnappen zu müssen und ging deshalb in Richtung zur Tür. Ich durchquerte die Einganghalle.

      Die Tür stand offen und ein kühler Hauch wehte aus der Dunkelheit herein.

      Ich trat hinaus auf das Portal und bemerkte eine Gestalt, die sich gegen das Geländer gelehnt hatte und hinaus in die Nacht blickte.

      Es war Robert Clayton.

      Und er wirkte äußerst nachdenklich.

      Als er mich bemerkte, drehte er den Kopf herum. Der Mond stand wie eine runde, leuchtende Scheibe am Himmel.

      Sein fahles Licht ließ Roberts Gesicht bleich erscheinen.

      "Ich sehe, Sie haben auch einen gehörigen Schrecken bekommen", meinte er und lächelte verhalten dabei. Ich trat auf ihn zu und zuckte die Schultern. Da ich schon häufiger mit tatsächlichen übersinnlichen Phänomenen zu tun gehabt hatte, war mein Schrecken möglicherweise sogar deutlich kleiner als der seine. Denn ich wusste, dass es solche Dinge wirklich gab.

      Es gab Bereiche der Existenz, die von der herkömmlichen Wissenschaft noch nicht zu erklären waren.

      "Diese Erscheinung hat Sie direkt angesprochen, Robert ...", stellte ich fest.

      Er nickte düster und sein Blick ging in die Ferne – zu jenem Hügel hin, auf dem selbst in der Nacht die Ruinen von Mornsley Castle als düsterer Schattenumriss zu sehen waren ...

      "Ich weiß nicht, wie er es gemacht hat ..."

      "Wer?", fragte ich.

      "Ted McRory, unser ehemaliger Schlagzeuger ... Es sah wirklich so aus, als ob ..." Er schwieg.

      Ich sagte: "Ich glaube, Ted McRory war selbst erschrocken über die Wirkung dieses Rituals. Und dann die Gedankenstimme ..."

      Robert lachte kurz auf.

      "Ein passendes Wort dafür!", fand er. Er sah mich erstaunt an. "Mein Manager hat mir gesagt, dass Ihr Spezialgebiet eigentlich nicht die Musikbranche ist, sondern das Übersinnliche ... Sie haben viele Artikel über solche Phänomene geschrieben."

      "Das ist richtig", erwiderte ich.

      "Und Sie glauben wirklich, dass das hier kein Trick gewesen ist?"

      "Ja."

      "Seltsam ...", murmelte er. Auf seiner Stirn erschienen Falten. Sein Blick war nach innen gekehrt.

      "Was?", fragte ich.

      "Vielleicht ist es ein glücklicher Umstand, dass Sie hier sind ... Auch deshalb, weil Sie mehr über diese Dinge zu wissen scheinen."

      "Es ist lediglich so, dass ich mich nicht weigere, Tatsachen anzuerkennen, die ungewöhnlich sind ..."

      Er lächelte.

      Seine braunen Augen sah mich einen Moment lang an und sagte dann: "Ich habe bislang mit kaum einem Menschen darüber gesprochen, aber ... Wissen Sie, nach der wilden Zeit mit der Band geriet ich in eine Art Krise. Eine Sinnkrise. Ich habe mir über alles mögliche Gedanken gemacht und nach Antworten gesucht. Ich habe mich auch in eine sogenannte Reinkarnationstherapie begeben ... Ich nehme an, dass Sie wissen was das ist!"

      Ich nickte.

      "Ja. Man wird mittels Hypnose in frühere Lebensphasen versetzt. Der Prozess wird so weit getrieben, dass er über den Zeitpunkt der Geburt hinausgeht ..."

      "Bis in frühere Leben!", vollendete Robert. "Es gibt Psychotherapeuten, die meinen, dass die Schwierigkeiten, die man in diesem Leben hat, aus ungelösten Problemen vorhergehender Leben resultieren ... Nun, in einem meiner früheren Leben trug ich den Namen Sir Henry of Gilford ..."

      Ich sah ihn erstaunt an.

      Sein Lächeln wirkte matt.

      "Der Herr von Gilford Castle?"

      "Ja. Ich residierte als Ritter auf diesem Schloss und ..."

      Er schluckte. "Ich sah Szenen von Gewalt und Kampf, aber ich wusste nicht, wer gegen wen zu Felde zog. Und dann war das Gesicht jener Frau, die uns heute erschienen ist ..."

      "Joanne."

      Er nickte.

      "Ja. Ich liebte sie, aber sie mich nicht." Er seufzte hörbar. "Sehen Sie, nachdem ich in diesen Hypnosesitzungen war und von meiner Existenz als Sir Henry erfuhr, konnte ich einfach nicht widerstehen, als Gilford Castle zum Verkauf angeboten wurde. Es war beinahe ein innerer Zwang, wenn Sie verstehen, was ich meine."

      Er nahm meine Hand und ein prickelndes Gefühl lief mir den Arm hinauf.

      "Patricia ...", sagte er dann. Der Blick seiner braunen Augen ging mir durch und durch. Ich musste unwillkürlich schlucken. "Ich bin froh, dass Sie mir zugehört haben ... Die meisten halten einen nur für verrückt."

      "Nach diesem Erlebnis heute Abend wohl kaum ..."

      Er zuckte die Schultern.

      "Die meisten dieser Leute werden noch immer an irgendeinen Trick glauben ..."

      Ich sah ihn ernst an.

      "Es war eine unverhohlene Drohung, die diese Erscheinung ausgestoßen hat!", erklärte ich. "Wir sollten sie ernst nehmen ..."

      "Meinen Sie wirklich?"

      Seine Stimme hatte ein dunkles, tiefes Timbre.

      Ein Klang, der sehr angenehm war.

      Fast unmerklich waren wir etwas näher gerückt. Ich konnte sein Aftershave riechen.

      Die Nähe dieses Mannes verwirrte mich etwas und versetzte mich in einen Zustand angespannter Erregung. Ich wusste nicht genau, was ich empfand. Irgendwie zog er mich an. Zwischen uns existiere eine prickelnde Spannung. Ich hatte das Gefühl, als könnte jeden Moment ein Funke von einem zum anderen überspringen ...

      Unsere Blicke verschmolzen und ich fühlte mich in diesem Moment Robert Clayton sehr nahe.

      Und das, obwohl ich ihn im Grunde kaum kannte. Und doch war da bereits ein Gefühl großer Vertrautheit. So als hätten wir uns früher gut gekannt und uns nun, nach langer Zeit, wiedergefunden. In gewisser Weise stimmte das ja auch.