Camp 21. Rainer Wekwerth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Wekwerth
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783401805597
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sagt, dass er seine Sachen nicht findet, Sir«, erklärte John für ihn.

      Der Mann lächelte bösartig. »Bei dem Saustall wundert mich das nicht.«

      Mit beiden Händen fasste er in den Spind und riss die Klamotten heraus. Achtlos warf er alles auf den Boden.

      »Da sind sie ja«, knurrte er gehässig. »Ich gebe dir zwei Minuten Zeit, dann stehst du draußen vor der Tür oder gnade dir Gott.«

      Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging davon. Mike stand da wie erstarrt.

      John stieß ihn in die Seite. »Los jetzt.«

      So schnell es ging, schlüpfte Mike in seine Sachen, dann rannten sie nach draußen.

      Vor dem Schlafsaal befanden sich die Parkplätze des Camps. Die Sonne erschien gerade hinter den hohen Fichten und ihre warmen Strahlen ließen den feuchten Asphalt dampfen. In der Nacht hatte es geregnet und so sah es aus, als führten unsichtbare Geister einen Schleiertanz auf.

      Obwohl es nicht wirklich kalt war, fror Mike in seinen Shorts und dem kurzen T-Shirt. Den anderen Jungs schien es genauso zu ergehen, denn alle traten auf der Stelle, um sich warm zu halten. Kleine Atemwolken stiegen von den Mündern auf, Hände rieben Arme und Beine. Nach und nach bildeten sie geordnete Reihen.

      Überraschenderweise waren nicht nur Jungs auf dem Platz. In zehn Meter Entfernung verließen etwa zwanzig Mädchen ebenfalls ihren Schlafsaal und machten sich für den Morgenlauf bereit. Eine Betreuerin mit blondem Pferdeschwanz, klein und drahtig, stellte sich vor ihnen auf und wurde von der Gruppe mit einem lauten »Guten Morgen, Ma’am« begrüßt.

      Mike wandte sich an John, der neben ihm stand. »Hier gibt es auch Mädchen? Ich dachte, das wäre ein Camp nur für Jungen.«

      John sah ihn verwundert an. »Wie kommst du denn auf die Idee?«

      »Weiß nicht. Einfach so. Als ich gestern Nacht ankam, habe ich niemanden gesehen und der Campleiter hat nichts davon erzählt.«

      »Na, nun siehst du es ja.«

      »Machen wir auch was mit denen gemeinsam oder läuft das hier getrennt ab?«

      »Beim Morgensport teilen sie uns in zwei Gruppen ein, ansonsten sind wir ständig zusammen. Beim Essen und in der Freizeit sowieso, aber auch im Unterricht und bei der Therapie.« John grinste ihn an. »Aber mach dir keine Hoffnung, bei allem sind Betreuer dabei und passen auf, dass sich niemand absondert und etwas tut, was unseren Eltern gar nicht gefallen würde.«

      »Was meinst du?«

      »Na, stell dir mal vor, eines der Mädchen würde schwanger, da wäre die Hölle los. Das Camp könnte zumachen. Auch wenn es hier einigermaßen gemäßigt zugeht, wir sind nicht zum Spaß hier, sondern um etwas zu lernen und an unserer Persönlichkeit zu arbeiten.«

      »In sechs Monaten sind wir hier raus.«

      »Wer ist ›wir‹?«, wollte John wissen.

      »Mein Bruder Ricky und ich. Ihn haben sie auch hierhergeschickt, aber er hat auf der Fahrt ins Camp versucht abzuhauen. Jetzt haben sie ihn in den Isolationsraum geschickt.«

      »Scheiße.«

      Mike zuckte zusammen. Das klang nicht gut. Bisher hatte er sich vorgestellt, dass sein Bruder in eine Art Einzelzimmer gebracht worden war, wo er über sein Verhalten nachdenken sollte. Johns Reaktion zeigte ihm, dass es nicht so harmlos war.

      »Kannst du mir was dazu sagen?«

      »Das ist die Hölle.«

      »Was meinst du?«

      »Sag ich dir später. Besser, wenn uns keiner der Betreuer hört.«

      Mike spürte, dass er so nicht weiterkam. John würde ihm nicht mehr erzählen. Trotzdem war es wichtig, das Gespräch am Laufen zu halten. Der andere wusste, wie es hier im Camp ablief, und er brauchte Informationen, vielleicht sogar einen Freund, um Ricky helfen zu können.

      »Was hat dich hierhergebracht?«, fragte er.

      »Stress mit meinen Eltern.«

      »Wie lange bist du schon da?«

      »Sechs Monate. Ich bin im Winter hergekommen. Glaub mir, da war es eiskalt und bei den Morgenläufen sind wir oft durch kniehohen Schnee gewatet.« John nickte in Richtung eines großen, bulligen Jungen mit wirren roten Haaren. »Das ist Steve, der ist schon über ein Jahr hier. Fällt immer wieder auf. Widersetzt sich den Betreuern. Jedes Mal, wenn er kurz davorsteht, hier rauszukommen, gibt die Campleitung seinen Eltern den Rat, ihn noch hierzulassen. So verlängert sich sein Aufenthalt jeweils um drei Monate. Seine Familie hat ihn hier regelrecht geparkt, weil er zu Hause auch nur Schwierigkeiten macht. Dabei ist das Camp scheißteuer.«

      »Sie müssen Geld dafür bezahlen?«

      »Ja, so ist das bei den meisten von uns. Ein dreimonatiger Aufenthalt kostet um die sechstausend Dollar. Steve scheint nicht aus einer reichen Familie zu kommen, aber vielleicht erhalten seine Eltern Unterstützung von irgendeiner Stiftung. Du bist ein Staatlicher?«

      »Was meinst du?«

      »Der Staat hat dich hierhergeschickt, richtig?«

      »Ja.«

      »Dann trägt er die Hälfte der Kosten, die andere Hälfte müssen deine Eltern aufbringen.«

      Das überraschte Mike. Sein Vater musste also für Ricky und ihn eine Menge Geld bezahlen.

       Dadurch wird seine Meinung uns gegenüber auch nicht gerade besser, und wenn er jetzt noch mitbekommt, dass Ricky Schwierigkeiten macht …

      Seine Gedanken wurden von Salisbury unterbrochen, der sich vor die Gruppe stellte. Auch er trug Sportkleidung.

      »Guten Morgen«, rief er den Jungs zu.

      »Guten Morgen, Sir«, antworteten alle wie aus einem Mund.

      »Mr Hancock ist beim Direktor, daher übernehme ich den Morgenlauf. Ist das für euch in Ordnung?«

      »Ja, Sir!«, kam die Antwort.

      Salisbury grinste. »Hatte ich auch nicht anders erwartet.«

      Er nickte in Richtung der Mädchen. »Ausnahmsweise laufen wir heute gemeinsam. Also reißt euch zusammen und macht mir vor den Mädchen keine Schande. Wer zurückfällt oder den Lauf abbricht, hat die nächsten zwei Wochen Dienst im Waschraum.«

      »Er meint die Scheißhäuser«, raunte John. »Das will keiner, also halt dich ran.«

      Mike war ihm für den Tipp dankbar, auch wenn er bei einem Zehnmeilenlauf keine Probleme erwartete. In der Highschool war er Cornerback im Footballteam und Ausdauerläufe standen ständig auf dem Trainingsplan.

      Wieder dachte er an Ricky. Innerlich betete er dafür, dass sein Bruder keinen weiteren Mist baute und ihn der Campleiter davon überzeugen konnte, sich in sein Schicksal zu fügen. Vielleicht konnten sie die Sache hier einigermaßen glimpflich hinter sich bringen.

      Salisbury blies in seine Trillerpfeife und die ganze Gruppe setzte sich in Bewegung. Als sie an den Mädchen vorbeikamen, scherten die hinter ihnen ein. So ging es an den Gebäuden vorbei zum Camptor hinaus. Vor ihnen erstreckte sich ein leichter Hügel, dahinter begann der Wald.

      Mike fiel in einen gleichmäßigen Rhythmus und achtete auf seine Atmung. Der Hügel stellte kein Problem dar und kurz darauf bogen sie auf einen Waldweg ab.

      Die nächsten zwei Meilen liefen sie noch geordnet zwischen den hohen dunklen Fichten entlang, dann begannen sich die beiden Gruppen aufzulösen und zu vermischen.

      John trabte neben ihm, hinter ihnen war ein Mädchen mit braunen Haaren und Augen aufgetaucht. Sie hielt das Tempo gut mit, schnaufte aber schwer.

      Untrainiert, dachte Mike.

      »Ist es erlaubt, gemeinsam zu laufen?«, wandte er sich an John.

      Der Junge wischte