Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Ужасы и Мистика
Год издания: 0
isbn: 9783745201185
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meinte mein Kollege Rudi Meier. “So Pi mal sonstwas.”

      “Ja und was haben Sie beede jetzt mit dieser Sache in Wien zu tun, wo Sie doch Kommissare hier in Berlin sind?”, fragte der Currywurst-Mann, denn die Sache schien ihm keine Ruhe zu lassen.

      Ich sah ihn an.

      “Neugierig, was?”

      “Icke?”

      “Wer sonst?”

      “Ja, wat soll ick da sagen? Sie nich?”

      “Doch. Berufsbedingt.”

      “Na eben! Dann verstehnse mir doch!”

      “Nur darf ich darüber leider nicht mehr sagen”, sagte ich.

      “Wat?”

      “Dienstgeheimnis!”

      “Also nachdem Sie schon die eine Hälfte vom sogenannten Dienstgeheimnis hinausgeplärrt haben, dass ik mir schon gar nich mehr auf mein Curry-Saucen-Rezept konzentrieren konnte, könnense auch noch die andere Hälfte erzählen”, meinte der Currywurst-Mann. “Finde icke jedenfalls.”

      “Wir hatten ja keine Ahnung, dass Sie so gute Ohren haben”, sagte Rudi.

      “Gute Ohren und gute Wurst”, sagte ich.

      Aber das war alles später.

      Vorher geschah auch noch was.

      Ich werde Ihnen erzählen, wie es dazu kam, dass sich zwei Kriminalkommissare aus Berlin mit einem Mord in Wien beschäftigen mussten.

      “Irgendwie habe icke jetze das Gefühl, dass Sie mir nichts mehr erzählen werden, Herr Kubinke” sagte der Currywurst-Mann seufzend und sichtlich enttäuscht, nachdem Rudi Meier und ich nun schon ein paar Augenblicke konsequent geschwiegen hatten.

      “Hm”, sagte ich.

      “Seiense jetzt nicht so gehemmt, nur weil Sie denken, dat icke alles mithöre!”, meinte der Currywurst-Mann. “Sonst quasselnse doch auch völlig ungeniert!”

      *

      EIN PAAR TAGE ZUVOR...

      Norbert Artlinger zog sich die Krawatte zurecht und blickte auf die Uhr. Es würde kein Problem sein, pünktlich am Flughafen Berlin Tegel zu sein. Er ging auf Socken zum Computer und begann, ihn hochzufahren.

      „Das darf doch wohl nicht wahr sein! Ich dachte, wir müssen gleich los!“, meldete sich eine weibliche Stimme in seinem Rücken. Sie gehörte Jarmila Mohnheim, seiner Lebensgefährtin. Zusammen bewohnten sie ein Loft im Berliner Stadtteil Charlottenburg. Artlinger sah sie kurz an. Sie war bereits vollkommen fertig und trug ein eng anliegendes Kleid, das in einem schrillen Farbgemisch gehalten war. „Meinst du der Flieger nach Wien wartet auf uns, Norbert?“

      „Wir kommen schon pünktlich. Ich möchte nur kurz sehen, wie das Wetter in Wien so ist.“

      Artlinger hatte eine Seite mit Webcams angewählt, die in verschiedenen Städten in aller Welt installiert waren. In Wien gab es gleich drei. Eine zeigte den Platz vor dem Stephansdom, eine das Rathaus und die dritte war in der Nähe des Donauufers angebracht. Artlinger wählte letztere aus. Per Mausklick konnte man den Bildausschnitt schwenken.

      Artlingers Gesichtszüge gefroren plötzlich.

      „Das gibt's doch nicht“, murmelte er.

      „Was hast du denn da für perverses Zeug angeklickt!“, stieß Jarmila Mohnheim hervor und trat näher. „Da wird ja jemand umgebracht!“

      ​ 1

      Norbert Artlinger zoomte einen bestimmten Bildausschnitt heran. Zwei Männer waren zu sehen. Der eine Ende dreißig und dunkelhaarig. Er trug einen Anzug. Der zweite war größer und kräftiger. Er hatte rotes Haar und trug Jeans und Lederjacke. Artlinger hatte gesehen, wie die beiden sich auffällig heftig gestikulierend gegenübergestanden hatten. Der Rothaarige hatte den Anzugträger an der Schulter gefasst. Dieser schüttelte die Hand von sich und wandte sich zum Gehen.

      Mit einer blitzschnellen Bewegung nahm der Rothaarige dann etwas aus seiner Jackentasche. Artlinger hatte erst nicht sehen können, was es war. So fein war dann die Auflösung der Webcam wohl doch nicht.

      Aber im nächsten Moment wurde klar, dass es sich um eine Art Schlinge handeln musste.

      Mit einer raschen, geübten Bewegung schlang sie der Rothaarige um den Hals seines Opfers, das verzweifelt ersuchte, sich zu wehren. Es dauerte nur einen Augenblick, dann sank der Anzugträger zu Boden und blieb regungslos liegen. Der Rothaarige beugte sich über ihn und schien sich zu vergewissern, dass das Opfer auch wirklich tot war.

      Dann begann er, die Taschen des regungslos daliegenden Mannes zu durchwühlen. Er holte ein Klappmesser hervor und fing damit an, die Etiketten aus der Kleidung heraus zu trennen.

      Er ging dabei sehr ruhig vor.

      „Meine Güte, wie ist das möglich? Das ist mitten in einer großen Stadt von mehr als einer Million Einwohner!“, stieß Jarmila hervor, die noch immer kaum fassen konnte, was sie da zu sehen bekam.

      „Das ist eine ziemlich einsame Stelle am Donauufer“, sagte Artlinger. „So etwa gibt es in Berlin auch. Auf der einen Seite sind ein paar Lagerhallen, wo anscheinend nicht mehr gearbeitet wird und von der anderen Seite schützen den Mörder die Pfeiler einer Donau-Brücke.“

      „Wieso bringt denn dort jemand eine Webcam an, Norbert?“

      „Weil man eine prima Aussicht auf die UNO-Gebäude in Wien hat, wenn man die Kamera virtuell etwas schwenkt – und außerdem natürlich auf die Donauschiffe, deren Kais ein Stück weiter liegen.“

      Quälend lange Augenblicke des Schweigens vergingen.

      Der Mörder schleifte indessen sein Opfer zum Ufer und warf den reglosen Körper in den Fluss. Dann blickte sich der Rothaarige nach allein Seiten um.

      „Norbert, wir müssen etwas tun!“

      „Und was, wenn ich fragen darf? Was wir sehen geschieht tausend Kilometer von uns entfernt in einem anderen Land...“

      „Lass uns die Polizei anrufen.“

      „Welche Polizei? Die in Wien? Bis die am Ort des Geschehens sind, ist der Kerl längst auf und davon. Und wenn ich 110 hier in Berlin wähle...“ Artlinger machte eine wegwerfende Handbewegung. „Denen traue ich nicht mehr viel zu!“

      Der Mörder war unterdessen aus dem Bildausschnitt herausgegangen.

      Artlinger versuchte durch einen virtuellen Kameraschwenk seinem Weg zu folgen, was aber unmöglich war. Für einen kurzen Moment war der Mörder noch einmal im Erfassungsbereich der Webcam zu sehen. Er hatte ein Handy am Ohr und gestikulierte fast genauso heftig wie in seinem Gespräch mit dem Ermordeten.

      Dann war er verschwunden.

      Artlinger ließ sich in den Drehsessel fallen, der vor dem Computer stand.

      „Jedenfalls weißt du jetzt, wie das Wetter in Wien ist“, sagte Jarmila.

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