Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Ужасы и Мистика
Год издания: 0
isbn: 9783745201185
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dass Roswitha durch ihren Bruder finanziell unterstützt wurde. Aber dafür kann ich keine Belege bringen. Ich reime mir das eher selbst zusammen. Warum sollte Roswitha Delgado ansonsten die Bemühungen ihres Bruders hintertreiben wollen, ein neues Leben anzufangen?“

      „Die Schweigegeldzahlungen wären dann jedenfalls verebbt“, stellte Nick fest. „Und sollte Roswitha davon etwas abbekommen haben, wäre das ein Motiv, um den Kontakt zwischen ihrem Bruder und der Justiz zu hintertreiben.“

      „Sie hätte ihn immer wieder hingehalten, hat Delgado mir gesagt“, erklärte Bischoff. „Es wurden Treffen mit Personen vereinbart, deren Namen im Justizministerium niemand kennt und die dann natürlich geplatzt sind, sodass Jochen Delgado zwischenzeitlich schon den Eindruck hatte, dass die andere Seite gar nicht ernsthaft interessiert sei.“

      „Vielleicht wollte Roswitha das, damit der Geldstrom nicht versiegt!“, sagte Rudi.

      „Delgado war schon fast so weit, die ganze Sache abzubrechen, weil er glaubte, dass man ihm in Wahrheit nur eine Falle stellen wollte, um ihn doch noch ins Gefängnis zu bringen“, fuhr Bischoff fort. „Und als ich mit im sprach, war er immer noch sehr misstrauisch und vorsichtig. Nicht nur, weil er natürlich überall damit rechnete, dass die Killer seiner ehemaligen Auftraggeber ihn zu erledigen versuchten, sondern auch aus Angst davor, irgendwie gelinkt zu werden. Ich musste da einiges an Überzeugungsarbeit leisten.“

      „Hat Delgado den Namen Vladi Gruschenko erwähnt?“, fragte Kriminaldirektor Bock schließlich.

      Bischoff schüttelte den Kopf. „Wer soll das sein? Einer seiner ehemaligen Geschäftspartner vielleicht? Er wäre dumm gewesen, die Karten auf den Tisch zu legen, bevor der Deal mit der Justiz nicht perfekt gewesen wäre.“

      ​ 28

      Nachdem die Befragung von Bischoff beendet war, verließ er das Büro. Wir besprachen anschließend noch kurz unter uns den aktuellen Stand der Ermittlungen.

      „Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, dass die Hypothese von Herrn Bischoff stimmt und Roswitha Delgado regelmäßig von den an ihren Bruder gezahlten Schweigegeldern profitierte?“, wandte sich Kriminaldirektor Bock an den Kollegen Nörtemöller.

      „Nein, bisher nicht – aber das liegt vielleicht daran, dass wir bisher keine Handhabe hatten, ihre finanziellen Verhältnisse genau genug unter die Lupe nehmen zu können.“

      „Die Möglichkeit werden wir jetzt haben“, kündigte Kriminaldirektor Bock an. „Und zusammen mit dem Anschlag, der auf sie verübt wurde, gibt das alles Sinn...“ Kriminaldirektor Bock wandte sich an Rudi und mich. „Statten Sie Roswitha Delgado noch einmal einen Besuch ab und kitzeln Sie nach Möglichkeit alles das aus ihr heraus, was sie uns bisher verschwiegen hat.“

      „Ja, Chef“, sagte ich.

      Eines der Telefone auf Kriminaldirektor Bocks Schreibtisch klingelte. Unser Chef ging an den Apparat.

      „Hier Bock, was gibt es?“ Kriminaldirektor Bock hörte eine Weile zu. Dann sagte er schließlich: „Ich schicke gleich jemanden hin.“ Nachdem er das Gespräch beendet hatte, wandte er sich an Jürgen und Olli.

      „Wir haben Mackendorff.“

      „Wo ist er?“

      „Auf einer der alten DDR-Müllkippen in Brandenburg.“

      „Wir sind schon unterwegs“, versprach Jürgen.

      ​ 29

      Die Möwen machten Höllenlärm und der Gestank war so furchtbar, dass man kaum zu atmen wagte. Jürgen und Olli näherten sich dem Müllberg, bei dem Roger Mackendorff gefunden worden war.

      Der Gerichtsmediziner Dr. Bernd Claus war bereits dort und hatte eine erste Inaugenscheinnahme der Leiche vorgenommen.

      „Das Opfer hat einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen, der für eine Betäubung ausgereicht haben dürfte. Todesursache sind zwei Schüsse aus nächster Nähe. Ich vermute, dass kein Schalldämpfer benutzt wurde, sondern der Täter ein Kissen aufgelegt hat. Da ist typisches Füllmaterial und Gewebe in die Wunde gedrungen. Ich kann das erst im Labor genauer untersuchen.“

      „Ein Kissen?“, fragte Jürgen.

      Dr. Bernd Claus legte den Kopf schief und meinte dann einschränkend: „Naja, was ich Ihnen gesagt habe, ist mehr oder minder Erfahrungswissen und noch kein vorläufiger Obduktionsbericht. Aber ich sehe schließlich viele Schusswunden und mit der Zeit entwickelt man einen Blick dafür. Die Leiche braucht jetzt anderthalb Stunden bis sie bei uns in der Berlin ist. Dann brauche ich nochmal gut zwei bis drei Stunden für eine Standard-Obduktion und wenn sich nicht irgendetwas ganz Außergewöhnliches zeigt, dass noch weitere Untersuchungen erforderlich macht, haben Sie dann das Ergebnis, dass ich Ihnen zumindest mündlich zusammenfassen kann. Die schriftliche Fassung gibt es nicht vor morgen früh.“

      „Kissen gab es in Mackendorffs Haus“, sagte Olli.

      Jürgen nickte. „Dann ist er noch dort gestorben.“

      „Und anschließend hier hin geschafft und abgelegt worden wie ein Sack Abfall.“

      „Vielleicht bringt es etwas, Mackendorffs Nachbarn nochmal zu befragen. Vielleicht ist irgendjemandem etwas aufgefallen.“

      Die Nachbarn waren bereits von Kollegen eingehend befragt worden - nur war so gut wie nichts dabei herausgekommen. Mackendorff hatte sich extra eine Wohngegend ausgesucht, in der der nachbarschaftliche Kontakt nicht allzu eng war. Für die meisten Leute der Gegend waren ihre Häuser in erster Linie Schlafstätten. Es gab kaum Familien mit Kindern oder alte Leute, sondern vorwiegend Angestellte, die in Berlin Mitte ihren Zeit fressenden Jobs nachgingen, sich eine Wohnung in der Nähe ihrer Geschäftsadressen aber nicht leisten konnten.

      Trotzdem lohnte der Versuch vielleicht.

      „Eine viel interessantere Frage ist doch, wonach der Täter gesucht hat“, meinte Jürgen. „Das Haus war schließlich vollkommen auf den Kopf gestellt worden.“

      Jürgen und Olli waren froh, als sie die Müllhalde endlich verlassen und sich wieder auf den Weg Richtung Berlin machen konnten.

      „Diesen Geruch bekommt man doch selbst nach Wochen nicht mehr aus seinen Klamotten heraus!“, beschwerte sich Olli. Unser Kollege war bekannt dafür, stets wie aus dem Ei gepellt zum Dienst zu erscheinen und sehr viel Wert auf sein Outfit zu legen. Inoffiziell war er längst zum bestangezogendsten Dressman des Präsidiums gekürt worden.

      Manchmal ärgerte ihn Jürgen damit. Ob er sich gerade für einen Undercover-Einsatz in einer Schwulen-Bar