Wenige Fuß vor ihm bot sich ihm ein seltsamer Anblick. Mit dem Rücken gegen einen Baum gedrängt, machte sich ein großer Wolf bereit, sein Leben zu verteidigen. Aus tiefen Rissen an seiner Schulter troff Blut, und vor ihm duckte sich ein Panther zum Sprung. Cororuc fragte sich, was die beiden Herrscher der Wälder zum Kampf bewogen haben mochte. Und vor allem wunderte er sich über das Fauchen der Raubkatze. Es war wild und blutdürstig, enthielt jedoch einen Unterton der Furcht. Außerdem schien sie den Sprung hinauszuzögern.
Warum Cororuc Partei für den Wolf ergriff, hätte er wohl nicht zu sagen vermocht. Zweifellos war es auf die unbekümmerte Ritterlichkeit des Kelten in ihm zurückzuführen, auf seine Bewunderung für die Haltung des Wolfes gegenüber seinem viel mächtigeren Gegner. Jedenfalls zog er sein Schwert und stellte sich mit einem Satz dem Panther entgegen. Aber er kam nicht dazu, seine Waffe zu gebrauchen, denn die Raubkatze stieß ein erschrecktes Kreischen aus und verschwand so rasch zwischen den Bäumen, daß sich Cororuc fragte, ob er wirklich einen Panther gesehen hatte. Er wandte sich dem Wolf zu. Das Tier beobachtete ihn geduckt, machte einige Schritte rückwärts, drehte sich dann um und verschwand in sonderbarem Trott im Unterholz. Den Krieger beschlich ein unheimliches Gefühl. Er hatte schon viele Wölfe gesehen, er hatte sie gejagt und war von ihnen gejagt worden; einem solchen Wolf war er jedoch noch nie begegnet.
Er zögerte und folgte dann vorsichtig dem Tier. Die Spuren waren in dem weichen Lehmboden deutlich zu erkennen. Nach wenigen Schritten hielt er jäh an, und seine Nackenhaare schienen sich zu sträuben. Es waren nur noch die Abdrücke der Hinterpfoten zu sehen – der Wolf ging aufrecht!
Cororuc warf scheue Blicke um sich. Nichts war zu hören. Er verspürte den Drang, umzukehren und diesen Ort so rasch wie möglich weit hinter sich zu lassen, doch die Neugier hinderte ihn daran. Er folgte den Spuren. Unter einer mächtigen Eiche hörten sie unvermutet gänzlich auf. Cororuc fühlte kalten Schweiß auf der Stirn. In was für einen Wald war er da geraten? Versuchte irgendein unmenschliches Monstrum der Wälder ihn in die Irre zu führen? Cororuc zog sein Schwert und nahm den Weg zurück, den er gekommen war. Und nur sein Stolz hielt ihn davon ab, zu laufen. Endlich erreichte er den Baum, bei dem sich der Wolf gegen den Panther verteidigt hatte. Er schlug seinen alten Pfad wieder ein und beeilte sich, aus der Gegend zu verschwinden, in der ein Wolf zuerst auf zwei Beinen gegangen und dann gänzlich verschwunden war.
Der Weg machte mehr Windungen denn je zuvor, und das gereichte Cororuc zum Vorteil, denn so hörte er zuerst die Stimmen der Männer, die ihm entgegenkamen, bevor sie ihn sahen. Rasch erkletterte er einen Baum und schmiegte sich an einen Ast.
Drei Männer kamen den Pfad entlang. Einer war ein massiver Kerl, der weit über sechs Fuß maß, einen langen, roten Bart und einen wilden, roten Haarschopf hatte. Im Gegensatz dazu waren seine Augen klein und schwarz. Er war in Leder gekleidet und mit einem mächtigen Schwert bewaffnet.
Der zweite war ein hagerer, übel aussehender Schurke mit nur einem Auge, der dritte klein und runzlig und schielte auf beiden Augen.
Cororuc erkannte sie nach den Beschreibungen, die er von den Bewohnern von Cornwall erhalten hatte. In seinem Eifer, den berüchtigsten Mörder Britanniens genauer zu betrachten, verlor er den Halt und stürzte mitten unter die Räuber.
Augenblicklich sprang er auf und riß das Schwert aus der Scheide. Er konnte keine Gnade erwarten, denn der Rothaarige war Buruc der Grausame, der Schrecken von Cornwall.
Der Räuberhauptmann stieß einen schrecklichen Fluch aus und zog ebenfalls sein Schwert. Er entging dem wilden Stoß des Briten durch einen raschen Sprung rückwärts, und dann begann der Kampf. Buruc griff den Krieger unter Einsatz seines ganzen Gewichtes von vorn an, während der hagere, einäugige Kerl versuchte, Cororuc in den Rücken zu gelangen. Der dritte hatte sich zum Waldrand zurückgezogen. Die Kunst des Fechtens war diesen frühen Kämpfern unbekannt. Da regnete es bloß Hiebe und Stiche, und jedesmal lag die gesamte Kraft des Armes dahinter. Die fürchterlichen Hiebe, die Cororuc mit dem Schild auffing, ließen ihn in die Knie gehen, und der Einäugige sprang vor, um ihm den Rest zu geben. Cororuc wirbelte herum, ohne sich zu erheben, führte einen Streich gegen die Beine dieses Gegners, erstach ihn, als er fiel, warf sich zur Seite, um Burucs Hieb auszuweichen, und sprang wieder auf die Beine. Wiederum fing er einen Schlag des Banditen mit dem Schild auf, wirbelte seine Bronzewaffe mit aller Macht und schlug zu. Burucs Kopf sprang von seinen Schultern.
Cororuc wandte sich um und sah, wie der Kleine im Unterholz verschwand. Er verfolgte ihn einige Schritte, sah aber bald die Sinnlosigkeit dessen ein und rannte den Pfad entlang. Er wußte nicht, ob sich in dieser Richtung noch mehr Banditen befanden, wohl aber wußte er, daß er, wollte er den Wald lebend verlassen, dies rasch tun mußte. Zweifellos würde der Entflohene die übrigen Banditen alarmieren.
Nachdem er eine Zeitlang gelaufen war und kein Anzeichen des Feindes erkannt hatte, erklomm er den höchsten Baum in der Nähe. Auf allen Seiten war er von einem Blättermeer umgeben. Im Westen erkannte er die Hügel, denen er ausgewichen war. Im Norden erhöben sich weit weg andere Hügel, im Süden befand sich Wald, soweit das Auge reichte. Weit im Osten jedoch erspähte er die Linie, die den Übergang des Waldes in fruchtbare Weiden kennzeichnete. Dort würde er auf Dörfer stoßen, auf Angehörige seines Volkes. Er war überrascht, so weit sehen zu können, doch befand er sich auf einem wirklichen Riesen unter den Bäumen.
Ehe er hinabkletterte, betrachtete er seine nähere Umgebung. Er folgte mit den Blicken den Pfad, der sich nach Osten schlängelte. Da ließ ihn ein Aufblitzen aufmerksam werden. Eine Gruppe von Männern betrat soeben eine Lichtung, durch die der Weg führte. Nun bemerkte er rings umher, wie sich die Büsche bewegten, wie sich die Sonne in blankem Metall spiegelte. Der schielende Räuber hatte also bereits seine Genossen benachrichtigt. Cororuc befand sich mitten unter ihnen. Rasch glitt er den Baum hinab und floh in den Wald.
Dann begann die aufregendste Jagd, an der Cororuc jemals beteiligt gewesen war, denn er war das Wild, und die Räuber waren die Jäger. Von Busch zu Busch schleichend, von Baum zu Baum huschend, manchmal rennend, sich manchmal im Gesträuch versteckend, floh Cororuc stets ostwärts. Oft wurde er zu Umwegen gezwungen, doch gelang es ihm jedesmal wieder, weiter nach Osten vorzudringen.
Manchmal, wenn er sich im Unterholz verbarg oder sich auf einen Baum gegen einen Ast schmiegte, kamen die Verfolger so nahe an ihm vorbei, daß er sie hätte berühren können. Zweimal bekamen sie ihn zu Gesicht, und er floh Hals über Kopf, über gefällte Baumstämme und Sträucher springend, in Dickichten Haken schlagend.
Dann gelangte er in hügeliges Gelände, und als er einen Blick zurückwarf, stellte er fest, daß die Banditen angehalten hatten, obwohl sie ihn deutlich sehen mußten. Ohne lange über dieses seltsame Verhalten nachzudenken, hetzte er um einen Felsblock, spürte, wie er über eine Wurzel oder etwas Ähnliches stolperte, und fiel. Gleichzeitig schlug ihm etwas gegen den Kopf, und der junge Mann verlor das Bewußtsein.
Als Cororuc wieder zu sich kam, stellte er fest, daß er an Händen und Füßen gefesselt war und getragen wurde. Er öffnete die Augen und sah, daß er von einigen Männern auf den Schultern geschleppt wurde, doch waren es Männer, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Der größte maß kaum vier Fuß, alle besaßen eine dunkle Hautfarbe und schwarze Augen, und die meisten gingen vornübergebeugt, als hätten sie sich das ganze Leben lang geduckt, und spähten unruhig umher. Bewaffnet waren sie mit kleinen Bogen, Pfeilen, Speeren und Dolchen, und die Spitzen und Schneiden bestanden nicht aus grober Bronze, sondern aus geschliffenem Feuerstein. Ihre Kleidung war aus den Häuten von Hasen und anderem Kleintier sowie grobem Stoff gefertigt, und viele waren von Kopf bis Fuß blau und gelb tätowiert. Insgesamt waren es vielleicht zwanzig Männer. Cororuc hatte ihresgleichen noch nie gesehen.
Sie kletterten in eine Schlucht hinab. Zu beiden Seiten erhoben sich steile Felswände. Nach einiger Zeit gelangten sie an eine glatte Mauer, die die Schlucht anscheinend begrenzte. Auf ein Kommando