Evolution Bundle. Thomas Thiemeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Thiemeyer
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Детские приключения
Год издания: 0
isbn: 9783401809298
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wieder den Kopf schüttelte. Wahrscheinlich kein gutes Zeichen.

      »Das schaffen wir doch nie«, murmelte Jem. »Sieh dir mal die Warteschlange an. Das sind mindestens fünfzig Leute und die müssen alle noch durchgecheckt werden.«

      Connie deutete jetzt heftig gestikulierend in ihre Richtung. Der Beamte reckte den Hals, sah zu ihnen herüber und winkte dann eine Kollegin herbei. Die schwarz uniformierte Frau öffnete ein Absperrband.

      »Ich glaube, die wollen uns durchlassen«, sagte Lucie. »Beeilen wir uns. Sie wirkt furchtbar gelb …«

      Gelb? Jem runzelte die Stirn. Die Frau sah eigentlich ganz normal aus. Abgesehen davon, dass sie ein bisschen dicklich war und einen mürrischen Zug um den Mund hatte.

      »Kommen Sie, Herrschaften, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit«, rief sie und wedelte ungeduldig mit der Hand. Lucie und Jem hielten auf sie zu.

      Doch ihre Aktion erregte die Aufmerksamkeit anderer Fluggäste. Einige von ihnen machten sich ebenfalls auf den Weg.

      »Dieser Schalter ist geschlossen«, rief die Beamtin. »Bitte bleiben Sie in der Schlange.«

      »Und was ist mit denen da?« Ein älterer Herr deutete auf Lucie und Jem. »Die dürfen doch auch durch.«

      »Ist ein Notfall«, erklärte die Beamtin.

      Der Mann reckte sein spitzes Kinn vor. »Wir stehen hier schon eine halbe Stunde! Wird man jetzt auch noch fürs Zuspätkommen belohnt? Unerhört, so was!«

      Jem versuchte, die Schimpftiraden auszublenden, und konzentrierte sich auf die Sicherheitskontrolle. Zu Connie hatten sich inzwischen ein Junge und zwei Mädels in Jems Alter gesellt, wahrscheinlich andere Teilnehmer des Schüleraustauschs. Sie sahen ziemlich genervt aus. Jem spürte, dass sie ihm die Schuld für die Verzögerung gaben. Dabei konnte er gar nichts dafür! Signalstörung auf der Strecke Köln–Frankfurt. Eine halbe Stunde hatte sie das gekostet. Allerdings schien er der einzige Dunkelhäutige in der Gruppe zu sein. Jem hatte diese abschätzigen Blicke schon häufig spüren müssen. Gib dem Neger die Schuld. Na klar. Noch nicht mal richtig angekommen, war er mal wieder der Schwarze Peter. Haha.

      »Metallgegenstände, Schlüssel und Geldbeutel hier in die Wanne legen. Tablets und Notebooks daneben.«

      Mit raschen Bewegungen leistete Jem den Anweisungen der Beamtin Folge.

      »Haben Sie irgendwelche Flüssigkeiten dabei?«

      »Nein.«

      »Schuhe ausziehen.«

      Er runzelte die Stirn. Lucie war bereits durch das Tor hindurch und wurde abgetastet. Sie hatte ihre Schuhe anbehalten dürfen.

      »Beeilung, junger Mann, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.« Die Beamtin wippte mit dem Fuß.

      Jem beugte sich vor, um die Schnürbänder seiner Chucks zu lösen. Dabei fiel ihm die Sonnenbrille runter.

      »Brille und Gürtel ebenfalls in die Wanne.«

      Ihm wurde warm. Schweiß trat auf seine Stirn. Kaum hatte er seinen Gürtel rausgezogen, merkte er, wie seine Hose zu rutschen anfing. Er trug seine Jeans gerne ein paar Nummern zu groß. Aber in diesem Moment hätte er viel lieber eine eng sitzende Hose angehabt. Den Bund mit der einen Hand festhaltend, watschelte er in Richtung Schranke.

      »Durchgehen, bitte.«

      PIEEEP!

       Na toll.

      »Bitte kommen Sie zu mir.« Ein Beamter hielt ihm ein kellenförmiges Gerät entgegen. »Arme ausbreiten.«

      Jem streckte seinen Bauch raus und versuchte, seine Hose oben zu behalten – vergeblich. Wie in Zeitlupe rutschte das verdammte Ding dem Erdmittelpunkt entgegen. Und mit ihm sein letzter Rest von Würde. Von der anderen Seite der Sicherheitskontrolle ertönte Gelächter. »Schicke Unterhose, Alter.«

      Der da rief, war schätzungsweise eins achtzig groß, muskulös und mit blondem Strubbelkopf. Eine echte Kante. Er trug ein Muscleshirt mit der Aufschrift UCLA – Westwood Los Angeles. Zwei hübsche Mädchen standen neben ihm, eine blond, die andere dunkelhaarig. Die Blonde hatte sich ziemlich aufgestylt.

      »In Ordnung und jetzt umdrehen.«

      Jem zog die Hose bis zum Anschlag. Doch kaum wurde er aufgefordert, die Beine zu spreizen und die Arme vom Körper wegzustrecken, fing das Spiel von Neuem an.

      Er stieß einen Seufzer aus. So hatte er sich die erste Begegnung mit seinen Mitreisenden nicht vorgestellt. Lucie war die Einzige, die Mitleid mit ihm zu haben schien, und warf ihm ein aufmunterndes Lächeln zu. Er wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken.

      »In Ordnung, junger Mann. Sie dürfen jetzt weitergehen.«

      Danach ging alles ganz schnell: anziehen, packen, rennen – er hatte nicht mal Gelegenheit, den anderen Hallo zu sagen.

      Der Wartebereich vor ihrem Gate hatte sich bereits geleert. Die anderen Passagiere befanden sich sicher längst alle im Flugzeug. Am Boardingschalter saß eine Stewardess und trommelte mit den Fingern auf das Pult. Kaum standen sie vor ihr, setzte sie ein maskenhaftes Lächeln auf.

      »Herzlich willkommen bei der Lufthansa.«

      Rechts neben ihr hockten drei Gestalten am Boden und spielten ein Spiel. Das Mädchen trug eine schwarze Nerd-Brille und eine umgedrehte Baseballkappe, unter der sich braune Locken hervorkringelten. Die beiden Jungs waren noch seltsamer. Der eine war winzig und trug eine Nickelbrille, dazu ein Minions-T-Shirt mit der Aufschrift Banana. Seine dunkelblonden Haare standen wirr vom Kopf ab. Der andere war ziemlich pummelig und wirkte, als wäre er aus der Zeit gefallen. Wer bitte schön trug denn heute noch Weste, Cordhose und Lederschuhe? Und war das etwa eine Taschenuhr, die da an einem Goldkettchen in der Westentasche verschwand?

      Die drei nahmen keinerlei Notiz von ihnen. Sie schienen vollkommen in ihr Kartenspiel vertieft.

      Jem trat näher und warf einen Blick auf die Karten. Irgendwelche Monster, Zaubersprüche und Fantasyländer. Er selbst fand sich mit seinen fünfzehn Jahren schon lange zu alt für so etwas, aber in seiner Klasse gab es einige, die sich dafür interessierten.

      Connie hatte hektische rote Flecken im Gesicht, als sie in die Hände klatschte und rief: »Zusammenpacken, ihr drei. Lucie und Jem sind eingetroffen, finally!« Ihr amerikanischer Akzent klang, als hätte sie ein Kaugummi im Mund.

      Die drei schenkten ihr keinerlei Aufmerksamkeit. Das Spiel beanspruchte sie voll und ganz.

      »Na los, Beeilung«, sagte Connie nachdrücklich. »Und seht zu, dass ihr nichts vergesst!«

      »Gleich«, rief der Winzling mit der Brille. »Olivia versucht gerade einen Großangriff mit ihren Goblins. Wenn ich nicht aufpasse …«

      Das Muscleshirt trat vor. »Habt ihr nicht gehört, ihr Hobbits? Steckt euch eure Goblins dahin, wo die Sonne nicht scheint, und steht auf. Oder soll ich euch Beine machen?« Er griff nach einem ihrer Rucksäcke und trat dabei versehentlich auf ein paar Karten.

      Jem hätte beinahe laut aufgelacht, als das Mädchen mit der Baseballkappe aufsprang und wie eine Furie auf den Blonden losging. Dass der sie um mehr als einen Kopf überragte, schien sie nicht im Mindesten zu beeindrucken.

      »Runter von meinen Karten«, zischte sie. »Du stehst da auf einem Tarmogoyf.«

       »So what?«

      »Die Karte ist über fünfzig Euro wert.«

      Der Blonde schnaubte verächtlich. »Glaubst du, das interessiert mich?« Vorsichtshalber machte er aber doch einen Schritt zurück. Diese kleine Furie schien ihm nicht geheuer zu sein. »Eins sage ich euch. Wenn ich wegen euch Kröten meinen Flieger verpasse, gibt’s Ärger, verstanden?« Er warf Jem einen finsteren Blick zu. »Das Gleiche gilt auch für dich, Compadre. So ein Rumgetrödel will ich nicht noch mal sehen! Und jetzt los.« Mit diesen Worten machte er sich mit den beiden Mädchen im Schlepptau auf den Weg zum Schalter. Jem