Von Brunsbüttel nach Kiel
Zuverlässig weisen uns die Schilder „NOK-Route“ den Weg entlang der meist befahrenen Wasserstraße der Welt. Eigentlich, so sollte man meinen, sind diese Schilder überflüssig, denn die „dicken Pötte“, die sich neben uns auf dem Kanal entlang schieben, sind unübersehbar. Aber die Schilder tun Not, denn sie führen uns ebenfalls zu kleineren oder größeren Abstechern ins Hinterland. Das ist schon allein von den Streckenangaben nicht überraschend, denn der Kanal ist „nur“ 100 km lang, während unsere beschilderte Tour mehr als die dreifache Länge misst.
Als Start-Ort bietet uns Brunsbüttel eine schöne Altstadt, die mit den Kirchen Paulus, Jacobus und Maria Meeresstern gleich drei Gotteshäuser zu bieten hat, die in strahlendem rotem Stein gewandet sind. Das Matthias-Boie-Haus ist neben dem Rathaus und den Kanalschleusen eine weitere wichtige Attraktion. Wenn sich dann noch so bedeutende Kreuzfahrtschiffe wie die Queen Mary 2 durch die Schleusen quetschen, ist Volksfeststimmung angesagt. Genau an dieser Stelle gibt es auch das „Atrium“, das als Museum alles Wissenswerte über den Kanal und die Schleusen vermittelt. Auf der entsprechenden Homepage können wir uns auch vorab informieren, ob sich während unseres Aufenthaltes gerade einige bedeutende Kreuzfahrtschiffe zum Schleusen angemeldet haben.
Flussradwege Info:
325 km inklusive Abstecher, durchgehende Beschilderung. Außer ein paar Hügeln bei Abstechern keine Steigungen. Die Route führt meist abseits des Straßenverkehrs über separate Rad- oder Feldwege, daher perfekt für Familien. Aufgrund des meist vorherrschenden Westwindes, am Besten von Brunsbüttel Richtung Kiel radeln.
Start: Brunsbüttel,
Ziel: Kiel oder die Kieler Bucht.
Info: Touristische Arbeitsgemeinschaft
Nord-Ostsee-Kanal, Rendsburg,
Tel.: 04331/6963844
Begegnungen auf dem Nord-Ostsee-Kanal
Die Kapitäne nutzen den genau 98,5 km bzw. 53,3 Seemeilen langen Nord-Ostsee-Kanal gern, denn er erspart ihnen eine neunmal längere Tour um Dänemark herum. Nochmehr Zahlen? Nun gut: Bei nur 11 m Wassertiefe und 162 m Breite ist Präzisionsarbeit auf der Brücke angesagt. Dafür kann man nur staunen, welche Leistung 1895 beim Bau der Fahrrinne erbracht wurde. Damals wurde sie nach 8 Jahren Bauzeit noch als „Kaiser-Wilhelm-Kanal“ getauft. Inzwischen laden uns 10 Brücken und 14 Fähren ein, beide Uferseiten zu erkunden.
Tipp: Ein recht neuer Höhepunkt im herbstlichen Kalender ist die NOK-Romantika. Dabei werden die Kanalufer mit Laternen, Fackeln und Kerzen illuminiert, während es in vielen Ortschaften Feiern und Unterhaltungsprogramme gibt. Der Höhepunkt passt zu diesem Buch: Von Kiel und Brunsbüttel fahren jeweils Fahrradgruppen los, die sich dann in Schacht-Audorf treffen.
Unser Magen freut sich, wenn wir es schaffen, zu den „Dithmarscher Kohltagen“ im Ort zu sein. An der längsten Kohltafel der Welt wird schnell jeder zum Fan gesunden Essens.
Erst 1948 erlangte der Ort, der einst Brunsbüttel-Eddellaker-Koogs hieß, die Stadtrechte. Ob das wohl daran lang, dass die Hamburger Kaufleute früher von den Brunsbütteler Bürgern regelmäßig ausgeraubt wurden? Jedenfalls ist dies in den Analen von 1286 nachzulesen, als feierlich gelobt wurde, dass diese Überfälle aufhören sollen.
Tipp: Ein wahrer Augenschmaus ist ein Besuch in der werktags nachmittags geöffneten Galerie Rusch. Hier gibt es verschiedene Werke des am 26.April 1950 im benachbarten Neufeld geborenen Künstlers zu sehen. Gemälde mit viel Aussagekraft und Detailgenauigkeit finden wir hier ebenso, wie Radierungen oder Plastiken.
Los geht´s in Brunsbüttel. Von hier rollen wir teils direkt neben dem Kanal, teils auf so genannten Entdeckertörns durch die Wilstermarsch. Beides ist gleichermaßen reizvoll und bringt uns über Hochdonn und Oldenbüttel hinter zwei weiteren Exkursen nach Rendsburg.
Es geht durchs Marschland, aber was ist das überhaupt? Der Begriff bezieht sich auf den abgelagerten Boden: Kommt er aus den Tideflüssen, ist es Brackmarsch, kommt er aus dem Gezeitenmeer, ist es Seemarsch.
Die Wilstermarsch ist vor allem wegen zweier Themen bekannt: Durch das Kernkraftwerk Brokdorf, das viele Jahre in der Presse präsent war. Und durch den Ort Neuendorf-Sachsenbande. Welcher Ort? Nun, der Ortsname ist vielleicht nicht so geläufig, dennoch ist er von Bedeutung, denn hier steht bei 3,54 m unter (!) Normalnull ein Holzschild, das uns erläutert: „Tiefste Landstelle der B.R. Deutschland“. Die niederländischen Siedler, die im 12. und im 16. Jahrhundert hierher kamen, ahnten davon vermutlich noch nichts. Allerdings brachten sie ihr Fachwissen ein – erst durch deren Entwässerungsmühlen konnte die Gegend urbar gemacht werden. Fast schon eine Klischee-Befriedigung ist, dass sie auch die Milchwirtschaft und die Käseherstellung mitbrachten.
Die Windmühlen brachten die Holländer mit
Ganz typisch für die Wilstermarsch sind die hübschen Häuser, deren Reetdächer weit hinunter gezogen sind. Sie werden in dieser Region „Barghus“ genannt.
Da wir hier im Norden auf viele „Büttels“ treffen, sei erwähnt, dass dieses Anhängsel an viele Ortsnamen die im nordgermanischen Bedeutung von „Haus und Hof“ oder „Siedlungsgebiet“ hat.
In Hochdonn ist sie wirklich „hoch“ – 42 m nämlich ist die Brücke über den Kanal. Sie ist gemeinhin als „Marschbahn“ bekannt.
Auch historische Schiffe kreuzen unseren Weg
Die nächste Hochbrücke finden wir in Rendsburg. Die 2,5 km lange Konstruktion ist heute das Wahrzeichen der Stadt. Gleich darunter gibt es mit der Schwebefähre eine weitere technische Rarität, von der es nur noch zwei in Deutschland gibt. Sie ist auch nutzbar, wenn der Kanal zugefroren ist und verbraucht zudem weniger Energie als eine herkömmliche Fähre. Auf der anderen Kanalseite liegt Osterrönfeld, das mit rund 2.500 Einwohnern der größte Ort des Amtes Eiderkanal ist.
Um 1199 wurde an der Stelle des heutigen Rendsburg eine Siedlung nachgewiesen. Das schmucke Rathaus am Altstädter Markt entstand um 1566. Die Nähe zu Dänemark sorgte nicht nur für den Bau von Verteidigungsanlagen, sondern auch immer wieder für größere Zerstörungen. So wurden unter dänischer Hoheit ab 1852 gleich vier Stadttore abgerissen. Dennoch gibt es viel zu sehen – an den wichtigsten Punkten führt uns der „blaue Weg“ vorbei, der auf der „blue-line-Karte“ zusammengefasst ist. So spazieren wir vom Rathaus aus u.a. zum Schiffsbrückenplatz, zur Marienkirche, zur ehemaligen Synagoge und zum Jüdischen Museum.
In Rendsburg kreuzen wir den Verlauf des Ochsenweges. Dieser führt in südlicher Richtung bis nach Wedel bei Hamburg und in Nordrichtung bis nach Flensburg an der dänischen Grenze. Den eigentümlichen Namen verdankt der Fernradweg der Tatsache, dass genau auf dieser Trasse über 100 Jahre lang der Herr- und Ochsenweg verlief. Auf dieser als sicher geltenden Route tummelten sich Viehtreiber, aber auch Pilger, Kaufleute und Soldaten. Überall entlang der Strecke gab es Viehmärkte. Damit es nicht langweilig wird, können wir ab und an zwischen zwei Alternativrouten