Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: G. K. Grasse
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Die Legende vom Hermunduren
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347035836
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Dann höre zu! Scribonius nahm die Anklage an. Er muss den Treverer, um uns zu täuschen, unter Bedeckung aus dem Castellum bringen lassen. Wir sollen glauben, er bringt den Mann nach Rom… Das wird jedoch so nicht geschehen… Vermutlich landen Julius Tutor und eine Botschaft vom Statthalter beim Praefectus Alae der Treverer. Julius Tutor wird nicht sehr lange im Vicus verweilen… Vermutlich werden ihn Treverer, noch immer als Gefangenen, aus dem Feldlager bringen, dann aber frei lassen. Ich würde mich wundern, wenn nicht der Präfekt der Treverer selbst zum Handeln verpflichtet wird…“

      Legat und Obertribun lauschten den Worten des Hermunduren, begriffen aber nicht das Ziel. Zumindest dies ließen ihre Blicke vermuten.

      „Wenn dir wohlgesinnte Auxiliaren ein Auge auf das Tor des Feldlagers hätten, würden wir zweifellos davon erfahren, träten derartige Ereignisse ein… Uns gäbe dies die Sicherheit, dass unser Spion Julius Tutor abgereist wäre…“

      Langsam hellten sich die verständnislosen Mienen von Legat und Obertribun auf…

      „Das ist dein Teil, Obertribun! Legat, du wirst zur dritten Stunde des neuen Tages den Pilus Prior Gaurus, mit seinen Centurionen Flaminius und Ofilius, zu dir rufen… Zu diesem Zeitpunkt werde ich zurück sein. Du teilst Gaurus mit, dass du Flaminius Centurie für einen sehr wichtigen Auftrag benötigst. Dann löst du deine Männer hier im Praetorium alle ab und behältst nur zwei Schreiber bei dir, die ich dir noch zeigen werde. Die Abgelösten übergibst du Gaurus und setzt an deren Stelle Flaminius und seine Centurie ein. Dann entlässt du Gaurus mit dem Hinweis, dass für den Fall einer Notwendigkeit, dies kann ein Ruf von dir, Tremorinus oder mir nach Centurio Ofilius sein, dieser sofort, mit dreißig seiner besten Männer, am Praetorium zu Erscheinen habe. Mit Flaminius und Ofilius sprechen wir beide dann, wenn Gaurus von dir entlassen wurde.“

      „Was soll das?“ warf Verginius Rufus ein.

      „Es ist doch eindeutig, unter den Männern, die dir bisher hier dienten, befinden sich Spione. Aus Spionen Mörder zu machen, dürfte nicht schwer fallen… Also wird deinen Schutz der Offizier übernehmen, der die größte Erfahrung darin besitzt. Flaminius schützte einst deinen Imperator und weil dieser bemerkte, dass von seinen gesamten Prätorianern nur ein Munifex eine ehrliche Haut trug, behielt er ihn in einer Krise bei sich, machte ihn dann zum Decurio und erteilte ihm einen schier unlösbaren Auftrag…“

      Gerwin beließ es dabei und merkwürdigerweise begegneten ihm keine Fragen oder Bemerkungen. Einen Augenblick stutzend, überging er diese Erkenntnis.

      Sowohl der Legat Verginius Rufus, als auch sein Obertribun Tremorinus, versanken in höchst eigenen Erinnerungen und Überlegungen. Der Legat wusste zu genau, wovon Gerwin sprach.

      Tremorinus erfuhr vom Geheimnis, dem er schon länger auf der Spur war. Das war es also, was bisher bezüglich Kaeso Flaminius vor ihm verborgen blieb…

      Gerwin erzwang erneut ihre Aufmerksamkeit.

      „Centurio Flaminius ist nicht nur eine ehrliche und treue Haut, er ist klug, mutig und entschlossen. Sein dritter Vorteil ist der, dass jeder in seiner Centurie ihn achtet. Folgen die Männer Ofilius, weil er ein erwiesener Held ist, gehen Flaminius Legionäre für ihn, ohne Ausnahme, durch jedes Feuer. Was in den Legionen seltener geworden sein soll, gibt es in dieser Centurie. Ich weiß das aus berufenem Mund und weil ich es selbst sah.

      „Was wirst dann du tun?“ Verginius Rufus fand, dass der Hermundure auch seinen Einsatz erwähnen sollte.

      „Julius Tutor kennt den Handelshof, in dem ich die verletzten Treverer unterbrachte. Daraus ergeben sich Möglichkeiten, die er nutzen könnte… Er könnte es Scribonius anzeigen. Dieser wäre dann in der Lage den Handelshof zu zerstören und die Treverer zu töten… Selbst wenn der Treverer dies nicht ausführt, könnte er sich selbst Zugang verschaffen und die Verletzten überraschen. Schon zwei oder drei tapfere und entschlossene Männer reichten dafür aus… Letztlich möchte ich nicht den leisesten Verdacht auf den Händler fallen lassen. Sollten Legionäre von Scribonius auftauchen, darf keinerlei Spur gefunden werden. Deshalb muss ich dorthin.“

      „Du wirst zur dritten Stunde zurück sein?“

      „Ja, Herr, und keiner wird bemerken, dass ich außerhalb des Castellum war… Wir sollten sofort beginnen!“ Gerwin drehte sich um und verschwand hinter dem Türvorhang.

      „Herr, habe ich mir das alles jetzt ausgedacht oder erlebte ich es wirklich?“ Tremorinus schüttelte sich.

      „Du hast es erlebt! Führe aus, was Gerwin von dir fordert. Er erklärte und ich befehle es dir!“

      Tremorinus erhob sich, grüßte seinen Legat und schob ebenfalls den Vorhang zur Seite. Er stieg von der Empore herab, blieb neben Belletor stehen, vergewisserte sich, dass niemand seine Worte verstand und sprach leise und eindringlich auf seinen Freund ein.

      „Du weißt vom Anschlag gestern. Das Leben des Legats ist bedroht. Der Germane will, dass wir ihn schützen. Du schützt ihn, weil ich noch eine andere Sache bereinigen muss… Lass keinen der Wache und erst recht keinen Fremden an den Legat heran. Misstraue selbst unseren Legionären… Wo ist der Hermundure hin?“

      „Er verschwand in seinem Zimmer.“

      „Gehe jetzt du in das Zimmer des Germanen, lass dessen Tür auf und jeder der zum Legat möchte, muss an dir vorbei. Ich bin bald zurück. Nur wundere dich nicht, wenn du den Germanen nicht vorfindest…“

      Belletor nickte nur. Er wusste wann unnütze Fragen nur hinderten. Langsam stieg er zur Empore hinauf, musterte den Vorhang eindringlich und schwenkte dann auf die ihm bezeichnete Tür zu. Er öffnete die Tür. Der Raum war leer. Wie konnte das gehen? Er sah den Hermunduren doch eintreten… Sein Blick kreiste durch den Raum. Es gab nur die Tür und ein kleines, schmales Fenster. Dann sah er es. Ein mit Leder bezogener Rahmen lehnte an der hinteren Seite des einzigen Tisches.

      Der Legionär trat an das Fenster heran und blickte hinaus. Der Kerl konnte doch unmöglich hinab gesprungen sein? Wie wollte er dann, auf gleichem Weg, zurückkehren. Als Belletor seinen Blick, mehr durch Zufall, nach oben richtete, erkannte er das Hilfsmittel des Germanen. Ein Seil hing so vom Dachansatz herab dass es auf halber Höhe zwischen der oberen Kannte des Fensters und dem Dachansatz endete. Stellte sich der Hermundure in das offene Fenster, konnte er das Seil erfassen und sich hochziehen. Auf die gleiche Art, nur mit entgegen gesetztem Verlauf, würde Gerwin zurückkehren.

      Belletor griff sich den einzigen Hocker im Raum und stellte ihn so vor die offen gelassene Tür, dass er jede Bewegung am schweren Vorhang des Legats spüren würde und selbst den Aufgang zur Empore im Auge behielt. Er wappnete sich für eine lange Nacht…

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