»Wenn er bezahlbar ist.«
»Das denke ich schon. Ich spreche mit ihm und rufe dich an.«
Sie zögerte: »Nur falls er das wissen will, frage ich. Wobei hattest du kein Glück gehabt?«
Baldur holte tief Luft: »Ein unqualifizierter Kollege hat mir meinen Traumjob weggeschnappt. Aus Wut vergraulte ich meine Freundin. Nun nervt mich das Doppelpech.«
»Wer weiß, wofür es gut war. In jedem Unglück steckt der Keim des nächsten Glücks.«
Baldur schloss die traurigen Augen und atmete tief aus: »Das ist das Glaubensbekenntnis der Optimisten. Allein, mir fehlt der Glaube. Wenn du mit deinem Helfer geklärt hast, ob er mir helfen will, rufe mich an, bitte auch im negativen Fall.«
4
Sobald Wilma wieder zuhause war, rief sie Herrn Rathge an. Sie vereinbarten, dass er am Samstagvormittag zu ihr kommen werde. Durch die Vermittlung eines potenziellen Neukunden wollte sie sich für den Rat mit dem verlorenen Schlüssel beim Spökenkieker bedanken und gleichzeitig durch die Kontaktanbahnung auch bei dem Finder Baldur. Den großen Blonden mit dem traurigen Blick hätte sie ohne den Köder nicht kennengelernt.
Am Samstag klingelte Herr Rathge pünktlich bei Wilma. Auf dem Weg in ihr Büro fistelte er: »Heute bitte nicht dort unten.«
»Warum das denn nicht? Dort unten gaben Sie mir einen ausgezeichneten Rat.«
»Das freut mich zu hören. Ich fühlte mich dort unten allerdings äußerst unwohl.«
»Dann gehen wir meinetwegen in meine Wohnung.«
Wilma hörte ihn erleichtert seufzen. Im Esszimmer setzten sie sich gegenüber. Er beobachtete sie wieder scharf bei ihrer Schilderung von Baldurs Doppelpech in Firma und Liebe.
Mit geschlossenen Augen grübelte er so lange, dass Wilma befürchtete, er sei eingeschlafen. Endlich flüsterte er: »Ich müsste mit Baldur persönlich sprechen, um sicher zu beurteilen, ob ich ihm helfen kann. Geben Sie ihm meine Telefonnummer, um einen Besuchstermin bei ihm zu vereinbaren.«
»Er wird Sie nur abends oder an Wochenenden empfangen können.«
»Kein Problem, für mich gibt es keine tariflichen Arbeitszeitvorschriften,« Dabei umfasste er sich wieder und rieb die Oberarme, als ob er fror.
Wilma fragte: »Fühlen Sie sich hier auch so unwohl wie neulich unten im Büro?«
Mit verdrehten Augen nickte er: »Hier ist es schlimmer. Ich werde das genauer prüfen müssen. Das bin ich Ihrer Großmutter schuldig. Hat sie Ihnen erzählt, dass ich das Haus für sie vor dem Umbau untersucht habe? Mit dieser Störung hätte ich dringend davon abgeraten. Ist es Ihnen recht, wenn ich das erst am Montag inspiziere?«
»Wenn es zu verantworten ist, dass wir uns diesem miesen Karma weitere zwei Tage aussetzen.«
»Seien Sie froh, dass Sie nicht darunter leiden. Das ist kein Spaß.«
5
Am Samstagmittag rief Wilma bei Baldur an, um ihm Herrn Rathges Telefonnummer zu geben. Baldur hatte zwar oft an die attraktive Wilma gedacht, aber nicht ernsthaft mit ihrem Anruf gerechnet. ›So wie sie aussieht, gekleidet ist und sich selbstsicher benimmt, spielt sie in einer höheren Liga als ich. Bei der bin ich chancenlos.‹
Er notierte die Nummer und bedankte sich: »Vielen Dank, dass du Herrn Rathge für mich gewinnen konntest. Ich werde dir über das Treffen und etwaige Fortschritte berichten.«
»Darüber würde ich mich wirklich freuen. Es interessiert mich sehr, was Rathge bei dir bewirkt. Vergiss das bitte nicht! Du kannst mich jeder Zeit anrufen.«, frohlockte Wilma.
Baldur vereinbarte mit Herrn Rathge ein Treffen bei ihm in der Wohnung im Mühlenkamp 7 am 1. Mai um 11 Uhr. Er freute sich, dass der Feiertag akzeptiert wurde, und wunderte sich, dass Herr Rathge am Telefon nur den Termin und Treffpunkt besprechen wollte. Wenn Baldur das Problem oder Honorar ansprach, wurde er unterbrochen und auf das persönliche Gespräch vertröstet.
›Ich wünschte, das könnte ich bei redseligen Kundenanfragen auch so praktizieren.‹
6
Am Montag ließ Wilma Herrn Rathge herein. Weil er bei seinen vorherigen Besuchen fröstelte, hatte sie ihn im warmen Wintermantel erwartet. Stattdessen trug er nur ein, dem Wetter angepasstes, mausgraues Sakko, das schon vor Jahren hätte gegen ein neues ausgetauscht werden müssen. Auch dass er mit leeren Händen kam, überraschte sie. Mit einer Wünschelrute hatte sie mindestens gerechnet.
Er bat sie: »Als Erstes prüfe ich das Treppenhaus. Wenn es Ihnen recht ist, alleine, um die Quelle der Störung eindeutig ohne Ablenkung zu lokalisieren.«
»Einverstanden. Ich habe im Büro zu tun. Wielange werden Sie brauchen?«
»Die Zukunft kennt keiner. Grobe Ortungen sind nach wenigen Minuten möglich. Gesicherte Erkenntnisse gibt es erst nach Stunden.«
»Na gut, Sie wissen, wo Sie mich finden. Ich sage Oma Bescheid, dass Sie im Treppenhaus umherspökern. Nicht, dass Sie sich gegenseitig zu Tode erschrecken.«
»Ihre Großmutter würde ich gerne begrüßen. Sie müsste inzwischen über achtzig Jahre alt sein. Ich liebe Menschen mit so langer Lebenserfahrung.«
»Klopfen Sie doch einfach bei ihr, wenn Sie fertig sind. Ich warne Oma vor. Sie mag keine Überraschungen. Ich komme dann dazu, so brauchen Sie Ihren Befund nicht zweimal vortragen.«
Eine knappe Stunde später brachte Oma in ihrem alltäglich, blauen Wollkleid Herrn Rathge in Wilmas Büro.
»Na, haben Sie die Quelle des Übels gefunden?«, fragte Wilma.
»Ich habe sie jedenfalls eindeutig eingekreist. Die Traurigkeit strahlt nur aus dem dritten Stock.«
»Komisch, das ist seit Monaten unbewohnt.«
»Genau das habe ich Herrn Rathge auch schon gesagt.«
Rathge flüsterte: »Das spielt offenbar keine Rolle oder ist der eigentliche Grund.«
»Was machen wir denn nun?«, fragte Oma.
»Was passiert, wenn wir gar nichts machen?«
»Die Strahlung blockiert das Glück im Haus. Deshalb friere ich hier. Wirksame Maßnahmen kann ich nur vorschlagen, wenn ich die exakte Quelle gefunden habe. Ich müsste das Stockwerk detailliert untersuchen.«
Oma rief: »Dafür brauchen wir die Zustimmung deiner Eltern.«
»Die werden gewiss nichts dagegen haben. Ich rufe Mama kurz an.« Wilma stand auf, strich über das Handydisplay, drückte es ans Ohr und verließ den Raum.
»Hallo Mama, darf Herr Rathge eure Wohnung im dritten Stock untersuchen?«
»Was sucht der alte Spökenkieker denn?«
»Die Quelle der Bad Vibration, die er sogar unten bei mir im Büro gespürt hat, lokalisierte er im 3. Stock.«
»Na, dann lass ihn mal rein. Er soll aber nichts durchwühlen.«
Mit nach oben gestrecktem Daumen kehrte Wilma zurück.
»Mir würde es nächsten Montag am besten passen. Das kann Stunden dauern. Heute schaffe ich das nicht mehr. Ich bin auch schon zu erschöpft von der Hausinspektion.«
7
Am Mittwochvormittag, den 1. Mai, empfing Baldur Herrn Rathge in seiner Wohnung. Sie setzten sich am Sofatisch gegenüber. Verlegen rührte Baldur in seinem ungesüßten Kaffeebecher: »Ich weiß nicht, was Sie über mich bereits erfahren haben. Über Sie weiß ich gar nichts, außer dass Wilma mir empfahl, Sie zu konsultieren, um wieder glücklich zu werden. Was wird das kosten?«
»Glück