Weltmeister! - Kann man davon leben???. Axel Beyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Axel Beyer
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783347008427
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daraufhin mit mir zum Einlassdienst. Sie erklärte nett und freundlich die Situation und bat um so ein Sitzkissen zur Erhöhung der Sitzposition, wie das in manchen Theatern und Freizeitparks üblich ist. Im Phantasialand hatte ich das auch schon mal bei einer Show bekommen und das half wirklich super.

      Der Einlassdiensthabende, ein eigentlich imposanter Mann in einer dunklen Uniform, der meine Mutter „noch“ nicht kannte, schlug ihr diesen Wunsch vergleichsweise knapp und nicht gerade freundlich ab – man hätte hier keine solchen Kissen und überhaupt, warum sie denn mit einem Kind in diese Show käme. Das sei schließlich eher für Erwachsene gedacht. Das hätte sie doch wissen müssen. Dann wandte er sich ab.

      Das war die falsche Antwort.

      Ich hingegen wusste etwas, dass dieser arme Mann nicht wissen konnte. Ich ahnte was jetzt passieren würde - und zog schon mal meinen Kopf ein. Vielleicht war er auch der Meinung, dass seine Unform Menschen einschüchtern würde. Nun ja, bei manchen Menschen mochte das vielleicht sogar so sein, nicht hingegen bei meiner Mutter. Meine Mutter ist alleinerziehend, das heißt sie hat genug Kraft für beide Elternteile und nun lernte er diese Kraft kennen und erlebte damit diese eben noch sehr nette Dame von einer ganz anderen Seite. Also wie soll ich das beschreiben… hast Du mal erlebt, wie eine Löwenmutter um ihr Junges kämpft? - Ok, also das ist absolut harmlos gegen meine Mutter.

      Sie holte einmal tief Luft und faltete den Kartenkontrolletti dermaßen zusammen, dass dem armen Mann Hören und Sehen verging. Sie drohte mit der Presse, dem Hallenchef, der Menschenrechtskommission und der Polizei! Gleichzeitig! Puh - sie machte ein solches Drama, dass man das offensichtlich überall in der Arena mitbekam. Mir war das alles schon enorm peinlich, denn wir erregten einiges Aufsehen. Die Leute schauten alle neugierig zu uns herüber, eine Traube sammelte sich an der Tür und die Stimme meiner Mutter war nach wie vor deutlich vernehmbar. Meine Mutter gibt nicht so schnell auf!

      Offensichtlich bekam man das nicht nur in der Halle mit, sondern auch Backstage. Denn kurze Zeit später kam ein junger Mann, der - wie sich dann herausstellte - ein Mitglied von Copperfields Managementcrew war. Wahrscheinlich fürchtete dieser David Copperfield inzwischen wohl um seinen Auftritt oder er hielt eine durch meine Mutter erzeugte Massenpanik für wahrscheinlich. Echt, ich konnte ihm das nicht verdenken.

      Dieser Mann jedenfalls redete mit dem wachhabenden Schließdienst und sagte etwas zu meiner Mutter, das ich nicht verstand, weil ich mir gerade noch wegen des Krachs die Ohren zugehalten hatte. Und das Wunder geschah - sie holte Luft, lächelte dem jungen Mann augenblicklich zu und nickte. Dann sagte sie zu mir - sehr laut und für den zerknirschten Türsteher deutlich zu hören - dass dieser nette Freund von Herrn Copperfield uns sehr freundlich einen Platz in der ersten Reihe angeboten habe. Und als Entschädigung, dürfte ich nachher sogar auf die Bühne. Und dann stellte der Mann mir die entscheidende Frage: „Hast du Lust nachher mit Herrn Copperfield auf der Bühne zu zaubern?“ – „Ja, hat er!“, sagte meine Mutter wie aus der Pistole geschossen. Und zu mir gewandt:. „Freust du dich?“ – „Auf gar keinen Fall gehe ich auf die Bühne“, sagte ich zu meiner Mutter. Sie erwiderte nur: „Pech, ich habe schon für dich zugesagt“. Wo waren die Löcher im Erdboden, wenn man sie brauchte?

      Darauf nickte der junge Mann aus dem Team und hängte mir ein rotes Fernglas um. Mir. Nur mir. Ein rotes Fernglas! Hey, das war nun wirklich ein mega hässliches, äh, ich meine enorm knallrotes Teil, das ich natürlich voller Stolz trug. Allein dafür hatte sich das ganze Theater eben gelohnt, denn niemand sonst hatte sowas - wie ich nach einem sofortigen Check der Umgebung mit Freuden bemerkt hatte. Ich wurde gleich ein paar Zentimeter größer. Was für unseren alten Platz auch noch nicht gereicht hätte, aber wir durften uns ja jetzt in die erste Reihe setzen. Ganz, ganz vorn! Triumphierend sah ich mich zu den Riesen um, die irgendwo dahinten saßen.

      Und dann irgendwann wurde es langsam dunkel im Saal und die Show begann.

      Wow!

      Ehrlich, so etwas hatte ich noch nicht gesehen. Ich war hin und weg. Da fanden sogar Tricks gleichzeitig auf der Bühne und auf einer riesigen Leinwand statt. Ich wusste manchmal gar nicht, wo ich zuerst hinsehen sollte. Und ich wollte absolut nichts verpassen! Knallige Lichteffekte, laute Musik die in meinem Bauch rumorte, ein unglaubliches Tempo! Absolut irre! Ich war total fasziniert, saß da mit offenem Mund und kreisrunden Augen. Meine Mutter hat mir hinterher erzählt, dass sie ein paarmal versucht hatte mich anzusprechen, aber ich war wie hypnotisiert oder wie weggetreten und komplett auf das Bühnengeschehen konzentriert.

      Ja, und dann passierte es – David Copperfield sagte dem Publikum, dass er sich nun einen Kandidaten unter den Zuschauern aussuchen wolle. Ich schaute mit großen Augen rings um mich herum und fragte mich, wen er sich denn wohl aussuchen würde. Ein Spot kreiste unaufhörlich über die Köpfe der Zuschauer im Innenraum. Copperfield sagte, er suche einen Kandidaten, der ein rotes Fernglas umhängen habe. . „Anybody here in the audience who wants to come with on stage with me, wearing a pair of red binoculars …”

      Na, da konnte er lange suchen, hier hatte ja keiner ein rotes Fernglas in der Arena, das hatte ich ja schon überprüft. Da findet er sicher kei…

      Moment Mal, ich erstarrte. ICH hatte ja ein rotes Fernglas um! Himmel, ich wollte schon zwischen den Sitzen versinken, aber da stand auch schon wie aus dem Nichts dieser Mensch aus Copperfields Crew vor mir, ergriff meine Hand und zog mich hoch.

      Meine Mutter schob mich auch noch mit sanfter Gewalt Richtung Gang, die Verräterin. Und dann nahm mich dieser Mann mit nach oben auf die Bühne und stellte mich neben diesen unglaublichen Giganten, der eben noch Tiere und Menschen verschwinden und wieder auftauchen ließ. Neben mir stand David Copperfield und lächelte mir zu - und ich stand da, hatte zehn Arme und Beine und war genau dort, wo ich eigentlich ü-ber-haupt nicht hinwollte - auf der Bühne.

      Nun stand ich da. Extrem unsicher und mit eingezogenen Schultern. Aber David bat die Zuschauer, für mich zu applaudieren. Für mich! Ich hörte den Jubel und den Applaus und plötzlich fühlte ICH mich wie ein Riese. Diese enorme Menge an Zuschauern, die uns beide ansah, jubelte und applaudierte. Meine Mutter applaudierte auch, ich hatte das genau gesehen.

      Aber jeder Applaus endet einmal. Und dann? Wie bitte? Ach so - David Copperfield fragte nach meinem Namen. Wie, Name? Hatte ich einen? Und wie heiße ich denn nochmal auf Englisch? Also in dem Moment hatte ich absolut keine Ahnung, wie ich eventuell heißen könnte.

      Ich schaute nach unten zu meiner Mutter und sie soufflierte irgendwas, aber im Lippenlesen war ich noch nie gut. Blöd, das hätte mir in der Schule manchmal echt geholfen. „My name is Marc“, fiel mir dann glücklicherweise dabei wieder ein und ich nahm mir vor, künftig doch etwas mehr englische Vokabeln zu pauken.

      David gab mir einen Filzstift, krempelte einen Ärmel seines Hemdes hoch und bedeutete mir, dass ich meinen Namen auf seinen Unterarm schreiben sollte. Glücklicherweise fiel mir im selben Moment auch wieder ein, wie man eigentlich „Marc“ schreibt. Und ich konnte tatsächlich ohne zu zittern meinen Namen auf seinen Arm setzen. Sah toll aus! Leider schob er den Hemdärmel wieder runter.

      Im selben Moment gab es einen grellen Blitz, dass ich mir fast die Augen zuhalten wollte und dazu einen ohrenbetäubenden einen Knall - und ich stand allein auf der Bühne. Kein David Copperfield mehr da. Ich blickte völlig verwirrt um mich, sah meine Mutter ratlos an. Sie zuckte nur mit den Schultern, das Publikum war offensichtlich ebenso verwirrt wie ich. Copperfield war weg!

      Wie aus dem Nichts tauchte auf der Leinwand ein Bild auf, man sah Bilder von einem Strand irgendwo auf der Welt. Meine Mutter sagte mir später, das sei Hawaii gewesen. Woher auch immer sie das wusste. Man sah ein paar Mädchen mit wenig an, hauptsächlich nur mit einem Blütenkranz bekleidet, die sich zu einer mir unbekannten, merkwürdigen Musik bewegten.

      Hey, sagte ich mir, cooler Trick! Aber wo ist denn der Typ jetzt abgeblieben? Eben stand der doch noch neben mir - und nun war ich es, der irgendwie neben mir stand. Und dann - ohne Vorwarnung und durch einen Zauber - tauchte David Copperfield plötzlich auf der Leinwand unter den hübschen tanzenden Mädchen auf. Moment mal, wie war das möglich, er war doch eben noch…

      Und während ich erneut verblüfft reagierte, sah er lächelnd in meine Richtung, winkte mir zu und schob den Ärmel