Ich bin 85 Jahre alt. Ich habe mir das Recht erworben, Regeln zu brechen und bei einem Thema zu verweilen, wenn ich es will. Außerdem ist das mein Buch …
Und ich weiß, dass Anna nicht wirklich weg ist. Lesen Sie bitte weiter.
Dieses Buch ist die beste, wenn auch schwache Form, ihrer auf eine Weise zu gedenken, die sie verdient hat, und ich werde diese Gelegenheit voll ausnützen.
In diesem Sinne …
Am Sonntag, den 25. August 2013, enthüllten wir im Beisein der Familie und einiger Freunde Annas schönen Grabstein. Das war weder eine religiöse Zeremonie noch eine traurige Angelegenheit, sondern vielmehr eine Feier ihres Lebens und all dessen, was sie für uns bedeutet hat.
An diesem Tag weinte ich nur kurz, weil ich instinktiv wusste, dass wir bald wieder miteinander kommunizieren würden, und dieser Gedanke tröstete mich.
Und dieser Tag kam am 30. Dezember 2013.
Ich bin immer traurig, wenn ich über einen Friedhof gehe und so viele Grabsteine von dort ruhenden Menschen sehe, die aber keinerlei Angaben machen, wer diese Person wirklich war oder wie sie zur Verbesserung der Gesellschaft beigetragen hat. Und obwohl ich mich als recht religiösen Mann betrachte, habe ich es immer als etwas mangelhaft empfunden, wenn ein Geistlicher eine kürzlich verstorbene Person pries, einen Menschen, dem er nie begegnet war. Selbstverständlich hatte die Familie den Geistlichen mit Informationen versorgt, aber für mich gibt es nur einen Weg.
Und dieser ist, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen, so, wie ich es tat, als ich das Bestattungsinstitut anwies, dass Annas Grabstein aus Bronze und mit weißen Blumen verziert sein sollte.
Am 30. Dezember 2013, als ich auf Annas Grab zuging – und an vielen schwarzen und grauen Grabsteinen vorbeikam –, begannen die Tränen zu fließen, die ich am Tag von Annas Beerdigung zurückgehalten hatte.
Die Sonne schien, dennoch gab es da diesen besonderen Strahl, der mir zu folgen schien. Als ich die ganze Strecke zurückgelegt hatte und schließlich an Annas Grab ankam, traf der Lichtstrahl auf den bronzenen Grabstein, wurde davon reflektiert und fiel direkt auf mich.
Ich war überzeugt, dass dieser Lichtstrahl meine geliebte Anna war. Meine Liebste …
Das war das Unglaublichste, was ich in all meinen 85 Lebensjahren erlebt habe. Und als ich mehr als eine Stunde lang schluchzend dastand, erzählte ich ihr von diesem Buch. Während ihr Lichtstrahl auf mich fiel, versprach ich ihr, dass sie stolz auf mich sein würde. Wir sprachen wieder miteinander.
Seitdem habe ich keine Angst mehr vor dem Tod. Überhaupt keine.
Und ich habe auch nicht mehr geweint, weil ich weiß, dass es Anna gut geht und dass ihr Geist in mir lebt.
Dabei will ich es belassen. Während Annas Geist für immer nicht nur in meinem Herzen und meinen Gedanken weiterleben wird, sondern natürlich auch in denen unserer Familienangehörigen und vieler anderer, die sie gekannt haben, wird die Inschrift auf ihrem rosafarbenen Grabstein mit den weißen Blumen für immer an ihre Güte und das Glück erinnern, die sie auf diese Welt gebracht hat.
Anna Patricia Otis
International anerkannte Blindenlehrerin
Geliebt von ihrem Ehemann und ihrer Familie und allen, die sie kannten
1941–2012
Ich kann mich als sehr, sehr glücklichen Mann schätzen. Meine liebe Anna, ich werde dich immer lieben …
Wenn meine Erfahrung rund um Annas Tod etwas Gutes hatte – aber verstehen Sie mich nicht falsch, der Tod eines geliebten Menschen ist nichts, was man verstandesmäßig begreifen kann –, dann war es die Tatsache, dass ich 83 Jahre alt war, als sie starb, und endlich verstehen konnte, was mir andere in der Vergangenheit gesagt hatten: Tragödien führen gute Menschen zusammen.
Vorwort
Wenn junge Menschen und Leser mittleren Alters dieses Buch nicht zur Hand nehmen, dann habe ich vielleicht meine Zeit vergeudet – und das in meinem hohen Alter! Darüber muss ich ein bisschen nachdenken.
Das ist die Krux an der Sache: Trotz meines Aussehens, der Witze, der Fragen, des Mitleids … Auch ich war einmal jung. Alles war gut, Sie wissen schon.
Aber es gibt einen weiteren Haken: Schwere Krankheiten und Todesfälle treffen leider nicht nur alte Menschen.
Wenn ich meine Aufgabe so gut mache, wie ich hoffe (ich bin jetzt 85 Jahre alt, schreibe dies in einem Seniorenheim und gebe mein Bestes), dann werden Sie mit nützlichen Einblicken in den Alterungsprozess ausgestattet, den ich am liebsten als Die Reise des Lebens bezeichne. Diese Einblicke werden es Ihnen nicht nur ermöglichen, richtig für die Zukunft zu planen (falls Sie ein junger Leser sind), sie werden Ihnen, falls Sie bereits älter sind, helfen, sich mit den zahlreichen altersbedingten Problemen auseinanderzusetzen.
Ich bitte Sie ungeachtet Ihres Alters um Folgendes: Bleiben Sie für neue Ideen aufgeschlossen, seien Sie nicht starrköpfig. Lernen Sie aus Ihren Fehlern. Teilen Sie anderen Ihre gewonnene Weisheit mit. Bleiben Sie ein Individuum, und leisten Sie Ihren Beitrag, wie nur Sie ihn leisten können. Gehen Sie vertretbare Risiken ein. Hören Sie mehr zu, als Sie sprechen, und predigen Sie nicht – Sie würden diejenigen, die Sie belehren wollen, nur verprellen.
Beenden Sie das Spiel auf Ihre Weise.
Habe ich etwas vergessen?
Irgendjemanden?
Also dann …
Ich hoffe, Ihnen gefällt mein Buch, und ich vertraue darauf (und hoffe), dass Sie es sehr informativ und inspirierend finden werden.
Wie Die Reise des Lebens ist auch mein Buch eine Reise mit mehr Drehungen und Wendungen, Tragödien und Triumphen, als jeder Kinofilm oder Roman je aufbieten könnte. Wenn es nur so einfach wäre.
Leiten Sie an, predigen Sie nicht
Erlauben Sie mir, Ihnen eine kleine Geschichte zu erzählen. Ich habe sie einmal von einer jüngeren Frau gehört. Sie war damals etwa 81 Jahre alt.
»Also Bernard …«
»Nenn mich Bernie.«
»Also … Bernard. Ein älterer Mann – etwa 87, 88 Jahre alt – fuhr mit einem großen Auto über einen verkehrsreichen Highway, auf dem Beifahrersitz saß eine 83 Jahre alte Frau. Sie waren beide ziemlich klein und konnten kaum über das Armaturenbrett schauen. Haben Sie mich soweit verstanden?«
»Alles klar.«
»Glückwunsch! Als sie an eine Kreuzung kamen, überfuhr der Fahrer eine rote Ampel. Die Beifahrerin wollte ihn nicht verletzen, deshalb sprach sie mit sich selbst. Wissen Sie, was sie sagte?«
»Keine Ahnung.«
»Dachte ich mir. Sie flüsterte sich selbst zu – der Fahrer war ohnehin ein wenig schwerhörig, wissen Sie: ›Ich glaube, wir haben gerade eine rote Ampel missachtet. Ich hoffe natürlich, dass ich mich täusche.‹ Sind Sie noch bei mir?«
»Noch stehe ich da, nicht wahr?«
»Stehen? Nicht mehr lange, glauben Sie mir. Jedenfalls nicht ohne Hilfsmittel …«
»Nicht?«
»Nein. Also dieser Fahrer und seine Beifahrerin – und Bernard, bitte unterbrechen Sie mich nicht mehr – kamen an eine weitere Kreuzung. Und der Fahrer missachtete wieder die rote Ampel. Dieses Mal meinte die Beifahrerin, dass sie sich das nur einbildete, deshalb sagt sie nichts. Sie richtete sich jedoch auf, so gut es ging, und sah genau hin. Und er tat es wieder.«
»Noch mal?«
»Noch einmal! Bernard, bitte! Deshalb meldet sie sich zu Wort. Und sie sagt zu ihrem Freund, dem Fahrer:›Weißt du, dass du jetzt drei Mal über rote Ampeln gefahren bist?‹ Und, Bernard, was glaubst du, hat er geantwortet?«
»Ich