Unsere Bekanntschaft war eine angenehme Überraschung, denn an einem schwülen Mittag verbringen die Franzosen ihre Zeit lieber nicht in den Mauern einer stickigen Stadt, sondern an den Ufern der Côte d‘Azur oder auf den Außenterrassen von Straßencafés und genießen ein Glas Roséwein oder ein kleines Glas kalten Pastis. Wir haben versucht, so viele französische Metaphern wie möglich in Erinnerung zu rufen, um unsere Bewunderung für ihr unbestreitbares Talent und ihre außergewöhnlichen Gemäldesammlungen zu vermitteln. Die Besitzerin bewundert die Kreativität von Kindern und daher basiert ihre Arbeit auf der Version einer Welt, die durch Kinderaugen wahrgenommen wird.
Jedes der Bilder wurde wie durch ein bestimmtes Prisma aus „rosa Brillen“ gemalt, voller kindlichen Hoffnungen und Erwartungen, weshalb ihre Gemälde wahrscheinlich die Stimmung heben und die Menschen zum Lächeln bringen. Die talentierte und gastfreundliche Gastgeberin verwöhnte uns mit Kaffee und bot einen kleinen Rundgang durch ihre Galerie an. Die Perle der Sammlung war, laut der Künstlerin selbst, das Porträt einer Mutter und eines Kindes vor dem Hintergrund der Altstadt von Ramatuelle.
Es stellt die Geschichte eines kleinen Mädchens dar, das seine Eltern ziemlich früh verloren hat und in den Wänden eines Waisenhauses gelandet ist. Elf Jahre lang träumte das Kind von einer neuen Familie und der Wärme der Hände seiner Mutter. Das Mädchen bat Maria Magdalena, die Beschützerin und Schutzpatronin der Waisenkinder, um ein neues Haus voller Liebe und Kinderlachen, zeichnet die Silhouette ihrer Mutter in ihrer Fantasie und hoffte auf ein Wunder.
Die Künstlerin drückt die Kindheitsträume durch leuchtende Farben, flüchtige Gefühlsausbrüchen und positive Bildern aus. Es verging eine geraume Zeit und die Gebete des Kindes wurden erhört: An der Schwelle eines Waisenhauses erschien eine junge Frau mit traurigen Augen – es war ihre Mutter…
Viele Jahre lang träumten sie und ihr Mann davon, Kinder zu haben, aber das Schicksal verfügte leider etwas anderes. Verzweifelt und ohne Hoffnung auf eine vollwertige Familie machte sich die Frau auf eine Reise durch die Provence und kam eines Tages in der Altstadt von Ramatuelle an. Die junge Frau verbrachte viel Zeit vor der Hauptkapelle und bat Maria Magdalena und Martha von Bethanien, die Beschützerin von Frauen und Kindern, ihr ein Kind zu geben. Sie ging in einem kleinen Stadtpark spazieren, in dem sich Waisenkinder mit ihrem Lehrer und ihrem spirituellen Mentor aufhielten.
Unter den Kindern bemerkte die Frau ein Mädchen von ungefähr zehn Jahren mit denselben traurigen Augen, wie ihre. Eine spirituelle Verbindung entstand zwischen dem Mädchen und der jungen Frau, die schwer zu erklären ist: Es war eher ein Impuls, der einen Funken in den Tiefen ihrer Seelen auslöste. Die Frau lernte das Mädchen kennen und erfuhr die traurige Geschichte ihrer Familie. Von da an, kam die Frau jeden Tag in den Park und verbrachte so einige Monate mit dem Mädchen. Im Herzen der Verzweifelten entfachte die Hoffnung des familiären Glücks, denn das Waisenkind war so an die junge Frau gebunden, dass die Frau nicht einmal verstand, wer sie geworden waren: gute Freunde, beste Freundinnen oder Mutter und Tochter.
Der Urlaub der jungen Frau ging zu Ende und der Abschied war unumgänglich. Die Französin war so aufgelöst über ihre Abreise, dass sie die ganze Nacht meditierte. Sie versuchte, die richtigen Worte für das letzte Treffen mit dem Kind, das sie liebte, zu finden, aber sie konnte es nicht.
Sie wachte am frühen Morgen auf und ging zu den Mauern des städtischen Waisenhauses. Sie war sehr überrascht, als sie auf das Mädchen traf, das ihr Herz erobert hatte: Das kleine Mädchen lächelte mit Tränen in den Augen, streckte ihre Arme aus und formte mit ihren Lippen folgenden Satz: „Mama, wie lange habe ich auf dich gewartet.“ In diesem Moment war alles entschieden, Tränen liefen über die Wangen einer glücklichen Frau, sie eilte dem Kind entgegen, umarmte es innig und das Kind fand schließlich heraus, wie warm die Hände ihrer Mutter waren.
Nachdem die talentierte Künstlerin die traurige und gleichzeitig rührende Geschichte ihrer Familie erzählt hatte, funkelten ihre Augen vor Tränen, aber dies waren Tränen des Glücks.
Die Besitzerin der Kunstgalerie stellte sich als dieses kleine Mädchen heraus. Während ihrer Kindheit glaubte die Frau an Wunder, lernte, die Welt um sich herum in einer anderen Farbe wahrzunehmen, träumte von einer neuen Familie und fand schließlich ihr Glück. Ihre erste Kreation war ein Porträt der jungen Frau und des Kindes, die sich im alten Dorf Ramatuelle befinden, in das die gesamte Familie kurz nach der Adoption umzog.
Das kleine Mädchen wuchs auf und wurde eine Künstlerin, aber tief im Inneren blieb sie das verträumte Kind, das die raue und manchmal unfaire Welt durch das Prisma der „rosa Brille“ kannte. Die Fähigkeit, die Welt in hellem Licht zu sehen, der Wunsch, Menschen Hoffnung zu geben, an Träume zu glauben und für Kinder zu leben, ist in ihrer Arbeit als ein „roter Faden“ sichtbar.
Die Werke der Meisterin sollten aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden: Sie sind voller harter Realität und gleichzeitig erfüllt von kindlicher Naivität. Es ist wie eine Kombination zweier Welten: Erwachsensein im Kontrast zur Kindheit – die Welt des Verlustes und der Entbehrung einerseits und dem magischen Reich der Träume und der Erfüllung der am meisten geschätzten Wünsche anderseits. Ein gewisser innerer Widerspruch und der Kampf zwischen Gut und Böse wurde zur Grundlage der künstlerischen Arbeit.
Erfüllt von vielen positiven Emotionen verließen wird die Galerie und gingen zu der kleinen, alten Kapelle auf dem zentralen Platz der Stadt, die von der Heldin der obigen unglaublichen, aber wahren Geschichte erwähnt wurde. Bald befanden wir uns auf dem an dem besagten Ort, an dem sich ein kleines Gebäude aus dem 16. Jahrhundert befand. Das alte Gebäude aus gelbem Stein mit abblätternder Farbe und winzigen Fenstern bewahrte die Geschichte des malerischen Dorfes Ramatuelle in seinen Mauern.
Es ist unmöglich sich vorzustellen, wie viele Geheimnisse, Legenden und traurige Geschichten hinter den Mauern dieser Kapelle verborgen sind. Mittags schlug die Glocke über einer kleinen Aussichtsplattform zwölf Schläge und Einheimische, die ihre Wohnungen und Häuser verließen, versammelten sich auf dem Stadtplatz, um sich erneut bei Martha von Bethanien und Maria Magdalena zu bedanken.
Als wir auf die Aussichtsplattform stiegen, hatten wir einen romantischen Blick auf die Altstadt, die Weinberge und die Bucht Pampelonne.
Wir waren fasziniert von der atemberaubenden Aussicht und der magischen Atmosphäre der französischen Riviera und der Halbinsel Saint-Tropez.
Als wir die engen Gassen bis zum Fuße des Berges hinuntergingen, befanden wir uns in einer Gegend voller Cafés und gemütlicher Restaurants, aus denen sich der magische Geruch der französischen Küche verbreitete. Wir haben beschlossen, in einem lokalen Restaurant zu Mittag zu essen, das uns von Marie, der Haushälterin der Familie Duran, empfohlen wurde.
Das gedämpfte Licht kleiner schmiedeeiserner Lampen, geschnitzte Holztische und Bänke, antikes Geschirr in Regalen, Gemälde von Lavendelfeldern, kleinen, malerischen Städten der Provence und Anwohnern in traditionellen Kostümen inmitten endloser Weinberge verliehen dem Restaurant einen besonderen Charme.
Nachdem wir ein Glas kalten Kir Royal – Champagner mit Likör von schwarzen Johannisbeeren –, ein beliebtes Getränk in der Provence, bestellt hatten, nahmen wir ein paar kleine Schlucke und entschieden uns für den klassischen Lachstatar mit Kapern und