VIRUS KILLER. Werner Sonne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Werner Sonne
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783347128262
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kleinen Triumph hatte er verbucht. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Konto übersehen – bei der Sparkasse in Darmstadt, wo er aufgewachsen war. Er hatte es nie aufgelöst. 57.341,76 Euro lagen dort, nur ein kleiner Einsatz, und das Geld wurde jeden Monat weniger, die Kosten liefen weiter. Für das Apartment, für die Krankenkasse, für den Lebensunterhalt und für Ewa. Er hatte versucht, das zu verdrängen, und früher war es ja auch fast egal. Aber jetzt zählte jeder Euro und die Rechnung war nicht sonderlich kompliziert. Sie kam zweimal in der Woche zu ihm, seit der Viruskrise sogar noch regelmäßiger als früher. Einmal war sie tatsächlich mit einem Mundschutz bei ihm gewesen. Bis dato hatte er nie darüber nachgedacht, dass Frauen wie sie hoch risikogefährdet waren, was Ansteckungen anging, und dass ein Mundschutz dabei gewiss nicht die Lösung war. Mehrfach war sie in dieser Zeit die ganze Nacht über bei ihm geblieben. Er hatte es genossen, sie an seiner Seite zu spüren, wenn er nachts wach lag, auch wenn ihn seine Sorgen quälten. Und schon wieder hatte er den Gedanken nicht zu Ende denken wollen, dass es vielleicht damit zu tun hatte, dass andere Männer unter den neuen Umständen diese Form des sehr direkten Körperkontaktes nicht wollten und auf ihre Dienste verzichteten. Jetzt war die Krise vorbei und erst jetzt war ihm bewusst geworden, dass er sie zumindest gesundheitlich überstanden hatte – und Ewa anscheinend auch.

      Eine Weile hatte er überlegt, ob er ihr nicht anbieten sollte, ganz bei ihm einzuziehen. Doch er traute sich nicht, scheute davor, dass sie diesen Vorschlag zurückweisen würde, und er wollte sich diesen Schmerz ersparen. Die Rechnung war also einfach. Zweimal pro Woche, jeweils 500 Euro, das machte 4.000 im Monat.

      Und dann waren da noch die Kinder. Sebastian, der Sohn aus seiner ersten Ehe, war lange schon erwachsen und erfolgreicher Rechtsanwalt in München. Aber Eric, sein Sohn mit Ingrid, studierte noch an der FU in Berlin, war an die regelmäßige Überweisung gewöhnt. Und ihre gemeinsame Tochter Johanna war während der Viruskrise bei ihren Gasteltern in Australien hängengeblieben und flehte ihn mehrfach um Geld an.

      Es konnte keinen Zweifel geben, dass das Gerichtsverfahren eine Riesensumme an Anwaltskosten verschlingen würde. Er musste sich dringend um einen Anwalt kümmern und bisher hatte er keine Ahnung, wie er das finanzieren sollte. Die Lage war eigentlich ziemlich einfach zu beschreiben. Nach dem vorläufigen Ende der Viruskrise waren die wirtschaftlichen Schäden riesig und niemand suchte einen 57-jährigen, ausgebrannten Ex-Banker, dem ein spektakuläres Gerichtsverfahren drohte.

      Peter Conrad wurde plötzlich bewusst, dass Ewas Duft immer noch im Raum schwebte. Wenn er sie verlieren würde, dann wäre es das Ende. Er wollte aufstehen, um ins Bad zu gehen, als sein Handy klingelte – eine anonyme Nummer.

      Kurz zögerte er, ob er den Anruf annehmen sollte. Dann tat er es doch.

      „Hallo?“, sagte er in den Hörer.

      „Peter Conrad?“, hörte er eine Stimme und er glaubte, einen Akzent zu hören, denn der Anrufer sagte nicht Peter, sondern mehr Pieter. Es klang amerikanisch.

      „Ja, bitte?“, antwortete er.

      „Mein Name ist Joe Miller“, sagte die Stimme. „Ich habe von Ihnen in der Zeitung gelesen. Böse Sache, aber vielleicht brauchen Sie ja einen Job. Und ich hätte da was für Sie. Es geht für Sie um eine Million Dollar.“

       Kapitel 2

       Berlin

      „Hier“, sagte er triumphierend, „hier!“ Julius Bergner blickte auf sein Smartphone. Soeben war über Twitter ein Foto aus dem Hamburger Hafen eingegangen. Es zeigte die Ankunft eines Frachtschiffes mit einer riesigen, turmhohen Containerfracht. Das Schiff kam aus China.

      Bergner saß an seinem Schreibtisch im großen, im wilhelminischen Neobarock aus Sandstein gebauten Gebäude an der Invalidenstraße, das nach einer wechselhaften Geschichte jetzt als Wirtschaftsministerium diente. Er zeigte das Foto seinem Büroleiter Berthold Winter, der vor seinem Schreibtisch stand. „Es geht voran, jeden Tag mehr“, sagte Bergner. „Klar, die Krise hat leider tiefe Spuren hinterlassen, aber wichtig ist doch, dass wir wieder im Geschäft sind.“

      Zufrieden legte er das Smartphone auf den Schreibtisch. „Und wer hat das geschafft?“, fragte er, war sich aber sicher, dass Winter darauf nicht eingehen würde.

      „Ich sage es Ihnen, Winter. Wir waren das. Wir, diese Regierung. Konsequent, nachdrücklich und effektiv.“

      Natürlich hätte er es lieber gleich so gesagt, wie er es meinte. Nämlich, dass er, Julius Bergner, der Bundeswirtschaftsminister, diese Herkulesaufgabe erledigt hatte, dass er der wichtigste Player dabei war, die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

      „Selbstverständlich war das eine Teamleistung“, beeilte er sich hinzufügen. „Dieses Haus, dieses tolle Ministerium hat wieder einmal gezeigt, wie leistungsstark es ist, wenn es darauf ankommt.“

      „Und sehen Sie hier, die neuesten Zahlen aus dem Politbarometer des ZDF. Die Bevölkerung dankt es uns. Die Zahlen sind so gut wie lange nicht mehr.“ Er blätterte in den Seiten mit den neuesten Umfragewerten, die seine Sekretärin ihm ausgedruckt hatte. Kurz überlegte er, ob er auch auf die Zahlen eingehen sollte, die die Popularität der Spitzenpolitiker abbildeten. Er unterließ es – mit etwas Mühe. Aber die Zahlen sprachen eine eindeutige Sprache. Auch er, der Bundeswirtschaftsminister, hatte bei diesen Werten einen deutlichen Sprung nach oben gemacht. Das, so dachte Bergner, galt es zu nutzen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Frage der Nachfolge stand im Raum, jetzt war die Zeit, eine Entscheidung zu forcieren. Und er würde sich daran beteiligen.

      „Wir sollten dankbar sein für dieses Echo aus der Bevölkerung. Sie wissen unsere Arbeit zu würdigen“, konnte er sich nicht verkneifen zu sagen.

      „Aber genug davon, man könnte es sonst ja für Eigenlob halten“, übte er sich wieder in aufgesetzter Demut und legte die Blätter mit den Zahlen zurück auf die Tischplatte. „Was gibt es sonst, Winter?“

      Berthold Winter legte ihm den Aktendeckel mit den Aufzeichnungen vor, die mit „Geheim“ gestempelt waren. Eine neue, dringliche Meldung des Bundesnachrichtendienstes. Die Bezugskürzel POL und WIR wiesen darauf hin, dass es sich um wichtige Informationen aus den Bereichen Politik und Wirtschaft handelte. Bergner warf einen Blick darauf und schaute dann seinem Büroleiter in die Augen:

      „Und? Warum jetzt diese Eile, Winter?“

      „Weil der BND glaubt, dass diese Meldung hohe Priorität haben sollte. Er hat aus den zahlreichen Erkenntnissen diejenigen herausgefiltert, die jetzt nach der Krise besondere Relevanz haben sollten, und dabei zeigt sich eindeutig, dass es auf dem Weltmarkt ein beherrschendes Thema gibt: Den Impfstoff gegen das Virus.“

      „Das ist ja nicht unbedingt neu“, sagte Bergner.

      „Nein, das ist nicht neu, Herr Minister, neu ist aber, dass sich das Feld gerade sortiert und dabei schaut man weltweit auch auf uns, auf unsere Firmen. Die sind dabei ziemlich weit vorn. Und ganz oben steht die Firma NEWTEC.“

      „Eine gute Nachricht und ein toller Erfolg. Irgendwie doch auch für uns, für uns alle“, sagte Bergner. Und für die Politik, die das Forschungsprogramm mit 50 Millionen Euro Steuergeldern unterstützt hatte, wollte er noch hinzufügen, behielt es dann aber für sich.

      „Jedenfalls ein Milliardenmarkt“, fügte er stattdessen hinzu. „Wem diese Firma gehört, dem gehört eine Gelddruckmaschine, die gar nicht so schnell drucken kann, wie das Geld reinkommt.“

      „Richtig, Herr Minister, alles richtig“, reagierte Winter. „Der Grund, warum sich der BND einschaltet, ist der: Er hat Meldungen aufgefangen, dass irgendjemand eine feindliche Übernahme plant. Sie wissen noch nicht viel mehr, aber anscheinend ist irgendetwas im Gange. Jedenfalls sollten wir wachsam sein.“

      „Sollte doch kein Problem sein, die biotechnischen Firmen gehören seit kurzem zur kritischen Infrastruktur und da haben wir doch ein deutliches Mitspracherecht. Wer im Ausland mehr als zehn Prozent Anteile erwerben will, braucht unsere Genehmigung. Das haben wir doch kürzlich den Amis klargemacht, als die versucht haben, eine deutsche Firma zu übernehmen, die auch an einem Impfstoff forscht. Nix da, Winter, wer