Mit meinen damaligen Augen sah ich die Kirche meiner Freundin als eine christliche Kirche, genauso wie der Religionsunterricht an der Schule christlich war. „Bete doch einfach“, sagte meine Freundin eines Tages zu mir, als ich ihr ein Problem erzählte, wo sie auch keinen Rat drauf wusste. „Du wirst sehen, wie Gott dir beisteht." Und ich musste feststellen, dass ich wie aus unsichtbarer Hand tatsächlich Hilfe bekam. In einem inneren Gespräch beim Gebet kamen mir stets gute Einfälle zu bestimmten Problemlösungen.
Atheisten mögen jetzt sagen, dass ich dies auf psychologische Art und Weise nur so deuten wollte. In der Psychologie ist es eine allgemeine Tatsache, dass das Gehirn zwischen für uns Wichtigem und Unwichtigem selektiert und dann darauf programmiert ist, das Gewollte zu sehen. Eine Reizschranke verhindert, dass unser Gehirn nicht von Eindrücken überflutet wird. Erleichternd wirkt ebenso eine gewisse Autonomie, sich ständig wiederholende Vorgänge abzuspeichern, die dann wie von selbst ablaufen, z. B. beim Autofahren.
Konzentriert man sich auf eine bestimmte Sache, wird man staunen, wie das Gehirn die Sinne lenkt. Will man ein bestimmtes Auto kaufen, wird man feststellen, dass man plötzlich viel öfters diese Autos im Straßenverkehr wahrnimmt. Genauso geschieht dies auch bei anderen Dingen, z. B. bestimmte Lebensmittel im Supermarkt nimmt man erst wahr, wenn Freunde einen darauf aufmerksam gemacht haben.
Vielleicht habe ich mir die Hilfe Gottes nur eingebildet, weil ich es in diesem Moment so gesehen habe, aber vielleicht hatte ich auch eine gute Intuition für die Wahrheit. Wir können auf materieller Ebene nicht beweisen, ob es einen Gott gibt, aber es gibt Zusammenhänge und auch wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine übergeordnete Intelligenz wahrscheinlich machen. Ich glaube an einen Gott, möchte aber in diesem Buch die Fakten neutral darlegen. Frieden kann man nicht nur als Glaubensanhänger schließen, sondern auch als Atheist. Wir sind alle aus dem Ursprung entstanden, aus dem Urknall, und sind somit eine große Familie in dem großen Ganzen.
Mit elf Jahren schrieb ich ein Gedicht, das ziemlich sozialkritisch das materialistische Verhalten bemängelte, Äpfel ins Meer zu schütten, um mehr Geld zu kassieren. Dabei dachte ich an all die hungernden Menschen in Afrika, was damals schon immer in den Nachrichten gezeigt wurde. Der Vietnamkrieg mit seinen vielen Opfern und den Giftgasanschlägen der USA erschütterte mich sehr. Die damalige Hippiebewegung verurteilte diesen Krieg ebenfalls, so dass es immer wieder zu Antikriegs-Demonstrationen in Berlin kam.
Dazu die angespannte Situation zwischen Ost und West, die man im ummauerten Westberlin gut spüren konnte. Pink Floyd mit dem Song ‚Another Brick in The Wall‘ und Lieder von John Lennon für den Frieden erschallten im Radio und schürten meine Sehnsucht nach Harmonie und meinen Protest gegen Politik und Erziehung - so wie es für Jugendliche normal ist, alles zu überprüfen, zu kritisieren und sich abzugrenzen, um dann einen eigenen Weg zu finden.
Inmitten dieser Unruhen saß ich nun dort an dem besagten Abend mit meinem ganzen Protest über die letzten Monate und wollte zu Gott. Ich hatte viele Fragen. Ich betete, dass Gott mit mir sprechen sollte. Meine Eltern waren nicht zu Hause, niemand konnte mich stören. In manchen Zeitungen hatte ich Berichte über Wiedergeburt gelesen und dass es eine Seele gibt, die frei vom Körper reisen kann. Lebensverneinend war ich nicht, ich wollte mit Gott sprechen, wollte die andere Welt sehen, die gerechter und schöner ist.
Ich schluckte das erwählte Mittel mit Whisky, um die Wirkung zu verstärken, wobei ich es ziemlich eklig fand. Aber eine von meinen Freundinnen hatte es auch getan und es mir hinterher erzählt. Ich legte mich aufs Bett um zu sehen, was als nächstes geschah. Irgendwie wurde mir dann ziemlich übel. Ich begann, an meinem Vorhaben zu zweifeln. So stand ich auf, ging zur Toilette und steckte mir den Finger in den Hals.
Wie sich später herausstellte, war das nur eine Fantasie von mir gewesen, denn ich war lediglich nur bis zur Zimmertür gekommen und muss mich wohl dort übergeben haben, denn dort war später ein dunkler Fleck. Ich hoffte nun, dass ich ganz normal am nächsten Tag aufwachen würde und meine Eltern nichts bemerken würden. Aber es kam ganz anders: Ich verlor das Bewusstsein.
Während der Bewusstlosigkeit musste ich mich von meinem Körper gelöst haben, denn meine Erinnerung beginnt damit, dass ich mich schwebend an der Zimmerdecke wiederfand. Von dort aus beobachtete ich ein emsiges Treiben in meinem Zimmer. Es waren Rettungskräfte, die meinen Körper auf eine Trage legten. Danach schwebte ich hinaus und befand mich in der Luft über unserem Hof, wo der Rettungswagen parkte. Ich sah, wie die Trage in den Kleinbus geschoben wurde. Als er losfuhr, versuchte ich hinterher zu schweben. Ich kam bis zur Ecke unserer Straße, dann war es dunkel um mich herum.
Als nächstes befand ich mich in stehender Stellung vor dem Urbankrankenhaus in Kreuzberg. Jemand war bei mir. Die Person fragte mich: „Wo willst du hin? Was hast du vor?“ Ich wollte doch mit Gott sprechen und nun stand ich vor dem Krankenhaus wie im Traum ohne einen Körper. Wo sollte ich hin? „Was ist mit deinen Eltern?“ fragte die Stimme.
Bei dem Stichwort Eltern bewegte sich mein Geist direkt zu einem Raum, wo ich einen Schlauch für eine Magenspülung eingeführt bekam. Ich sah mich von oben und hörte Würgelaute. Ärzte fragten mich, was und wieviel ich eingenommen hatte. Ich antwortete klar und deutlich, doch die Ärzte fragten mich immer wieder. So antwortete ich immer wieder. Aber sie verstanden mich nicht, obwohl ich klar und deutlich sprach.
Dann wurde mir plötzlich bewusst, dass ich gar nicht in meinem Körper war. Ich antwortete von der Decke aus, wo ich neben meiner Begleitperson saß. In diesem Augenblick wurde es um mich wieder dunkel.
Ich erwachte liegend in einem kleinen Zimmer, von dem aus ich hinaus auf den Flur sehen konnte. Das war doch die Notstation mit dem Behandlungszimmer, wo mir der Magen ausgepumpt worden war! Meine Eltern waren inzwischen gegangen, kamen aber, um mich abzuholen. Als wir dann nach Hause fuhren sowie in den nächsten Tagen, nahm ich die Welt ganz anders wahr: sie war farbintensiver, schöner anzusehen, fast wie ein Leuchten. Ab diesem Zeitpunkt war die Natur eine schöne Zufluchtsstätte für mich.
Das unbeabsichtigte Out-of-Body-Erlebnis warf nun viele Fragen auf. Zu der damaligen Zeit gab es so etwas nicht. Meine Eltern waren felsenfest davon überzeugt, dass ich mir alles nur eingebildet hatte. Auch wenn ich noch so oft sagte, dass ich die Zimmer im Krankenhaus wiedererkannt hatte und alles von oben mit angesehen hatte, war es für sie unvorstellbar. „ Ja wirklich, ach du glaubst das!“ Aber ich wusste, was ich gesehen hatte.
Nach dem Vorfall redete meine Familie auf mich ein, wie es dazu hätte kommen können. Was hatte mich zu dieser Tat getrieben, mein Leben solch einer Gefahr auszusetzen. Ich nahm erst einmal Abstand von Gott und konzentrierte mich auf meine Ausbildung. Aber dass etwas anderes existierte außer der realen äußeren Welt, wusste ich jetzt genau. Aber meine karitative Einstellung blieb. Das Leben sah ich fortan als Geschenk. Hier haben wir die Möglichkeit, unser Bewusstsein zu vervollkommnen und auf unserem Weg der Selbstverwirklichung voranzuschreiten.
Damals lagen bei meiner Oma Frauenzeitschriften herum, die ich gerne durchblätterte. Dort las ich Berichte von Menschen, die sich außerhalb ihres Körpers befanden, wenn sie für kurze Zeit tot waren und wiederbelebt wurden, zum Beispiel beim Herzstillstand oder beim Ertrinken. Jahrzehnte zurück konnte es solche Berichte nicht geben, da es noch keinen Defibrillator gegeben hatte. Deswegen gibt es auch keine Überlieferungen davon. Nun gab es sie vermehrt.
R. A. Moody, ein Krankenhausarzt, sammelte solche Nahtod-Berichte in seinem Buch ‚Leben nach dem Tod‘. Dort fand ich mein Out-of-Body-Erlebnis bestätigt. Vielen Kranken war es während einer Reanimation so wie mir ergangen, dass sie sich bewusst außerhalb ihres Körpers bewegten, aber wieso und warum so etwas möglich war, konnte ich mir nicht erklären. In der Bibel gibt es Aussagen über eine Seele, doch über Näheres z.B. wie sie beschaffen ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Jetzt hatte ich noch mehr offene Fragen.
Ein anderes Ereignis bestätigte mein Out-of-Body-Erlebnis: Bei einem Schülertreffen wurde ich gefragt, ob ich LSD probieren will. Ich willigte ein. Wie man heute weiß, sind die außergewöhnlichen Erlebnisse chemischen Vorgängen im Gehirn zuzuschreiben. Ich sah verschiedene Farben durch die Luft schwirren, sah mich in die Vergangenheit versetzt, wo ich mit ägyptischen Göttern kommunizierte. Und dann hatte ich wieder das Gefühl, aus meinem Körper herauszutreten, denn ich hatte