Leider fehlt mir momentan die Zeit, um regelmäßig einen Kurs gleich welcher Art zu besuchen. Da ich aber im Kopf fit bleiben möchte, habe ich mir vor ein paar Jahren ein Tablet zugelegt und mich mehr und mehr in die technischen Raffinessen des Computers eingearbeitet. Das macht mir ziemlich viel Spaß. So kann ich, wenn ich jobmäßig unterwegs bin, abends noch ein kleines Video von meinen Enkeln anschauen, mit ihnen skypen oder mich kurz über das aktuelle Weltgeschehen informieren.
Aufgeschlossenheit und Interesse an Neuem oder Andersartigem, das ist mein Rezept, um im Kopf jung zu bleiben. Einfach mal Dinge ausprobieren, die man nicht kennt, noch nie gemacht hat oder vor denen man vielleicht sogar ein wenig Bammel hat. Raus aus der Komfortzone! Und sich überraschen lassen, was passiert und wie viel Spaß das machen kann.
So erging es mir, als mich der Gräfe und Unzer Verlag in München fragte, ob ich ein Buch schreiben wolle. Die Herausforderung habe ich dann auch angenommen. Einfach, weil ich noch nie in meinem Leben ein Buch geschrieben, aber eine Menge zu sagen habe, von dem ich hoffe, dass es jemand hören will … Über diese Anfrage habe ich mich sehr gefreut. Übrigens noch so eine wichtige Eigenschaft fürs Leben: sich freuen können. Wenn man sich nicht mehr freuen kann, dann kann man auch nicht glücklich sein.
Alles auf Anfang
Rückblickend kann ich heute sagen, dass es das Leben ziemlich gut mit mir gemeint hat. Ich hatte eine unglaublich schöne Kindheit, eine annehmbare Schulzeit und einen spannenden Start ins Erwachsenenleben im quirligen Berlin. 22 Jahre hatte ich einen guten Mann an meiner Seite und durfte Mutter von vier wunderbaren Kindern werden.
Heute stehe ich mehr denn je mitten im Leben und fühle mich so lebendig wie nie zuvor. Ich arbeite als Model, habe meine große Liebe gefunden, freue mich jeden Tag an meinen großen Familienbanden und lebe nach vielen Umzügen kreuz und quer durch die Republik wieder in der schönsten Stadt der Welt – Berlin.
Vor ein paar Jahren fing dieses neue Leben an: Nach der Trennung von meinem Mann Hans fand ich mich plötzlich allein, ohne Kinder, auf 60 gemütlichen Altbau-Quadratmetern in Charlottenburg wieder. Ich war 55 und stand ungefähr wieder da, wo ich vor 30 Jahren schon einmal gestanden hatte. Ich habe mein Leben dann noch mal auf links gekrempelt. Diesen Neuanfang empfand ich nicht als Rückschritt, sondern als echte Chance, ein zweites Mal durchzustarten. Dazu gehörte auch, dass ich mich reduziert und fokussiert habe, innerlich wie äußerlich. Gleichzeitig habe ich intensiv in mich reingehorcht: Was kann ich? Was will ich? Was ist mir wichtig? Das Leben noch mal völlig neu zu ordnen – das war ebenso reinigend wie befreiend.
Auch wenn ich anfangs ein ganz klein wenig ängstlich in die Zukunft blickte, so habe ich durch die Trennung von meinem Mann letztlich sehr viel an Sicherheit gewonnen. Mehr noch, ich blühte emotional regelrecht auf, fühlte mich glücklich und auf wunderbare Weise frei. In der ersten Zeit bin ich sehr viel spazieren gegangen, habe neben dem Hüten meiner zahlreichen Enkelkinder viel Zeit in Kinos, Galerien und Museen verbracht. Nach ungefähr drei Jahren wachte ich eines Morgens auf und dachte: Die Welt ist wunderbar!
Die tragenden Säulen in meinem Leben, die mich jeden Tag genießen lassen, sind heute eine fabelhafte Familie, ein toller Job und die wunderbare Beziehung zu Michael. Ihn zu treffen war eine unglaublich schöne Laune des Schicksals.
Toaster gesucht – Liebe gefunden
Er sah buchstäblich magisch aus, mit seinem dunkelblauen langen Samtmantel, dem schwarzen Halstuch und den langen schwarzen Haaren. Es war ein Sonntag im März, er stand lächelnd oben auf der Treppe am S-Bahnhof Tiergarten – und hatte auf mich gewartet. Ganze anderthalb Stunden!
Auf der Suche nach einem alten Metall-Toaster bin ich an diesem sonnigen Frühlingstag 2011 gemütlich über den Flohmarkt auf der Straße des 17. Juni geschlendert. Ich trug einen schlichten, in der Taille gebundenen Ledermantel und einen schönen Rock, hatte das Haar offen und gefiel mir selbst richtig gut. Und ihm offenbar auch. Er sprach mich an, sagte, dass ich ihm schon vorhin zwischen den Ständen aufgefallen sei und er deshalb hier auf mich gewartet habe. Wir setzten uns auf eine Parkbank unter Bäumen im Tiergarten gegenüber dem S-Bahnhof und hatten sofort einen Draht zueinander. Optisch gefiel er mir sehr, weil er nicht so geschniegelt wirkte. Offen gestanden, sah er bei unserer ersten Begegnung sogar eher zerknittert aus. So, als ob er in der Nacht davor viel zu wenig geschlafen hätte. Dennoch war nicht zu übersehen, dass er jünger war als ich. Deutlich jünger. Ganze 25 Jahre, wie ich kurz darauf erfuhr.
Er fragte mich nach meiner Telefonnummer und speicherte sie in sein Handy ein. Als ich sein seltsames Mobiltelefon sah, musste ich erst mal lachen. Es war ein Senioren-Handy mit riesengroßen Tasten. Er gestand mir, dass er sich nur sehr schwer Zahlen merken könne und es ihm mit dieser Tastatur leichter fiele, Nummern zu wählen. Auf Kriegsfuß mit Zahlen – das kenne ich auch. Das allein machte ihn mir schon sehr, sehr sympathisch. Wir verabredeten uns für den folgenden Mittwoch. Zum Abschied fragte er, ob er mir einen Kuss geben dürfe. Das ging mir eindeutig zu schnell.
Danach bin ich aber buchstäblich nach Hause geschwebt. Ich saß in der S-Bahn, hatte Herzklopfen, weiche Knie und knallrote Wangen – das volle Programm eben … Zu Hause meldete sich dann mein Verstand. „Der Typ ist viel zu jung für dich. Was willst du denn mit dem anfangen?“, fragte das kleine Teufelchen auf meiner Schulter. Doch der Engel auf der anderen Seite sagte nur: „Wart’s einfach mal ab.“ Je näher der Mittwoch rückte, umso nervöser wurde ich. Hoffentlich würden wir ein Gesprächsthema finden. Bloß keine peinliche Stille oder angestrengter Smalltalk.
Für unser erstes Treffen hatte er sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Kein schickes Berliner Restaurant mit Dreigängemenü und einer Flasche Barolo, um mich zu beeindrucken. Nein, sondern eine echte Berliner Kneipe, mitten in Grunewald. Ich hatte mich für alle Eventualitäten wetterfest angezogen, da ich ja nicht wusste, auf welche Nacht-und-Nebel-Aktion ich mich da eingelassen hatte. Michael erschien mit einem phosphorgrünen Regenschirm am S-Bahnhof und geleitete mich zu der außergewöhnlichen Location. Es war nicht mal eine besonders gemütliche Kneipe oder gar eine elegante Bar, sondern eine Eckkneipe, wo sich das weniger gut betuchte Publikum des Nobel-Stadtteils auf ein preiswertes Bier trifft.
Schon auf dem Weg zur Kneipe unterhielten wir uns angeregt, wir warfen uns die Bälle nur so zu. In der Kneipe erzählte Michael mir dann von seiner Arbeit. Genau wie ich ist er Sozialpädagoge. Er leitet eine Wohngemeinschaft für Jugendliche von 18 bis 28 Jahren. Diese jungen Erwachsenen sind irgendwann mal aus unterschiedlichen Gründen durch das soziale Netz gerutscht und schaffen es nicht, ihren Tagesablauf zu strukturieren. Michael und seine Kollegin helfen ihnen dabei, wieder selbstständig im Leben klarzukommen. Mich faszinierten die Schilderungen von seinem Job und seine Einstellung dazu.
Die Zeit verging wie im Flug. Erst irgendwann weit nach Mitternacht sind wir aus der Kneipe raus. Und dieses Mal durfte er mich zum Abschied küssen. Auf die Wange allerdings. Am nächsten Morgen habe ich als Erstes meine Tochter angerufen, um ihr aufgeregt mitzuteilen: „Elisabeth, ich habe mich verliebt.“
Nur ein paar Tage später habe ich Michael auf meinem Geburtstagsfest meiner Familie vorgestellt. Er war ziemlich schnell integriert und ich hatte den Eindruck, dass er sich in unserem lauten und lustigen Haufen wohlfühlte.
Durch Michael habe ich ganz andere Seiten des Lebens entdeckt und auch eine neue Art von Musik: Black Metal. Diese Unterart von Metal kommt aus Skandinavien, ist sehr speziell und nicht ganz unumstritten. Gutturale Gesänge mit Schreien, Kreischen und Knurren, Satanskult und brennende Kirchen sind es, was viele der Szene vorwerfen. Dazu weiß geschminkte Gesichter, Kunstblut und martialische Outfits. Böse Buben, Gewaltexzesse und Kriminalität hat es in den 1990er-Jahren in dieser Musikrichtung tatsächlich gegeben. Das waren allerdings oft verwirrte Einzeltäter und lässt sich nicht auf die gesamte Musikrichtung übertragen.
Inzwischen gibt es eine neue Black-Metal-Szene, manche nennen sie auch Neo Black Metal. Hier präsentieren sich die Bands ohne die typischen bleichen Gesichter, manchmal sogar in ganz normalen Outfits wie Jeans und T-Shirt. Die Musik hat