Bedauerlicherweise gibt es auch Zugausfälle, bei denen keine der beschriebenen Alternativen zur Verfügung stehen. Das gilt insbesondere für kleinere Bahnhöfe und Nebenstrecken, auf denen nur eine Linie verkehrt.
In solchen Fällen ist die Weiterreise entweder überhaupt nicht oder nur mit größerem Zeitverlust möglich. In diesem Kapitel geht es schwerpunktmäßig um einzelne Zugausfälle, deren Ursache nicht in einer vollständigen und länger andauernden Streckensperrung zu suchen ist. Welche Möglichkeiten gibt es noch?
• DIE FAHRT ABBRECHEN, wenn absehbar ist, dass keine Reisemöglichkeit besteht, um das Ziel rechtzeitig zu erreichen. Dieser Fall ist über die Fahrgastrechte ab 60 Minuten Verspätung abgedeckt.
• AUF DEN NÄCHSTEN ZUG WARTEN. Wenn die Strecke nicht gesperrt ist und keine ganz große Störung vorliegt, sollte im nächsten Takt wieder ein Zug kommen. Dies wird auf Nebenstrecken oftmals eine Stunde dauern, ggf. auch zwei. Die Informationen kommen entweder per Durchsage oder über den Monitor, zusätzlich bietet der DB Navigator oder eine vergleichbare App wertvolle Hinweise. Auch hier greifen die Fahrgastrechte, es werden bei der Erstattung Fälle von über 60 und über 120 Minuten Verspätung unterschieden.
• Es gibt Fälle, in denen es sehr eilt: Sie müssen einen dringenden Termin wahrnehmen oder ein Flugzeug erreichen. Sie können dann versuchen, auch mit einem TAXI weiterzukommen. Das wird manchmal klappen, längst aber nicht immer. Denn gerade bei Zügen, die einen Flughafenbahnhof bedienen, werden viele die gleiche Idee haben. Da hilft dann höchstens, sich unter den Betroffenen abzusprechen und Fahrgemeinschaften zu bilden. Die Taxibeförderung wird nur dann im Rahmen der Fahrgastrechte bis zu einem Höchstbetrag erstattet, wenn mehrere Bedingungen erfüllt sind.38
• In seltenen Fällen wird eine ÜBERNACHTUNG nötig sein, sofern der letzte Zug des Tages ausfallen sollte und das Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen keine Alternative stellen kann. Auch diesen Fall regeln die Fahrgastrechte.
• Es könnte sein, dass das Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen einen BUSNOTVERKEHR organisiert oder einen Ersatzverkehr mit Taxen. Dies ist allerdings unwahrscheinlich und wird eher bei echten, länger andauernden Streckensperrungen gemacht (vgl. Kapitel 7).
Wenn Sie sich für eine Fortsetzung der Fahrt entscheiden, dann können Sie versuchen, die Wartezeit gut, angenehm und/oder sinnvoll zu überbrücken: telefonieren, spazieren gehen, Mittagessen gehen, berufliche Dinge erledigen – hier sind der Fantasie wenig Grenzen gesetzt. Dies bedarf oft einer gewissen Übung, denn Ruhe und Gelassenheit in einer solchen Situation zu bewahren ist nichts, das allen Menschen in die Wiege gelegt ist.
2.2 Was die Bahn tut
Einen Zugausfall versucht jedes Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen nach Kräften zu vermeiden, und so sind, vergleichbar wie bei Verspätungen, viele Menschen damit beschäftigt, dieses Ereignis zu vermeiden oder zumindest die Folgen für die Fahrgäste abzumildern.
2.2.1 Information der Fahrgäste
Das Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen ist dafür verantwortlich, die Informationen über einen Zugausfall und die Alternativen an seine Kundinnen und Kunden zu bringen. Dies geschieht auf den aus Kapitel 1.1.2 (siehe auch Band 2, Kapitel 2.2) bekannten digitalen Kanälen mit Echtzeitanbindung.
Abbildung 7: Auch auf den Monitoren im Bahnhof werden Zugausfälle kommuniziert. In diesem Beispiel von Nürnberg Hbf ist bereits deutlich vor 18 Uhr erkennbar, dass der Zugumlauf der Regionalbahn von und nach Markt Erlbach vollständig ausfällt. Alternative Fahrtmöglichkeiten werden zu diesem Zeitpunkt über das Internet und den DB Navigator kommuniziert. Die entsprechende Ansage auf dem Bahnsteig erfolgt dann erst nach Abfahrt des ICE 502. [Copyright Frank Hole]
Zugausfälle und Fahrtalternativen werden beispielsweise so kommuniziert:
• In den Fahrtverbindungen der Reiseauskunft erscheinen bei Zugausfällen besondere Fahrthinweise, verbunden mit einem Warnsymbol.
• Die Deutsche Bahn stellt über die DB-Fahrplanauskunft auch die Angabe aktueller Fahrtalternativen zur Verfügung, in denen die tatsächliche Betriebslage abgebildet ist und nicht nur der Plan.
• Diese Hinweise erscheinen in den zugbezogenen Fahrtinformationen für den gesamten Zugverlauf und in den Abfahrtstafeln jedes ursprünglich geplanten Halts.
• Durchsagen in den Zügen und Fließtexte auf den Monitoren in allen Unterwegsbahnhöfen weisen ebenfalls auf diese besondere Situation hin und es werden Alternativen genannt.
2.2.2 Folgen des Zugausfalls minimieren
Ein Zugausfall ist einerseits eine Standardsituation und dennoch eine Herausforderung für die Disponentinnen und Disponenten. Es wird immer versucht, die Auswirkungen für die Reisenden möglichst gering zu halten. Wie gut das gelingt, hängt davon ab, ob ein passendes Ersatzfahrzeug und geeignetes und befähigtes Fahrpersonal39 zur Verfügung stehen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmens können hier nicht alleine agieren, denn ein Ersatzzug braucht einen neuen Fahrplan und ggf. eine neue Zugnummer. Er muss bereitgestellt und kommuniziert werden. Das geschieht in Zusammenarbeit mit dem Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen, also zumeist DB Netz AG und DB Station & Service AG.
2.2.3 Reserven aufbauen und nutzen
Den großen Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen stehen, um solche Situationen zu beherrschen, an zentralen Einsatzstellen oder großen Bahnhöfen sehr beschränkte Reserven zur Verfügung, um tatsächlich Ersatzzüge verkehren zu lassen. Eine weitere oder alternative Möglichkeit besteht darin, einen Zug aus der Werkstatt zu holen, bei dem ggf. die Reinigung noch nicht durchgeführt oder bestimmte Qualitätsmängel noch nicht behoben wurden.
Die Ersatzzug-Lösung ist in der Regel die beste, allerdings, wie Sie wissen, auch nicht die wahrscheinlichste. Denn, wie bereits in Band 1 ausführlich beschrieben, sind Fahrzeug- oder Personalreserven im Gegensatz zur Bundesbahnzeit nun in Zeiten des Wettbewerbs und der knappen Kalkulationen kaum noch vorgesehen. Spielräume bestehen am ehesten noch an Wochenenden, Feiertagen oder in Tagesrandlagen.
2.2.4 Ursache für den Zugausfall beheben
Das Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen und/oder das Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen kümmert sich umgehend darum, die Ursache des Zugausfalls zu beheben. Ziel ist es, dass möglichst geringe betriebliche Folgewirkungen entstehen und somit möglichst wenig Fahrgäste betroffen sind. Oft sind technische, Wetter- oder menschliche Einflüsse die Ursache für Zugausfälle (vgl. auch Kapitel 13). Anlassbezogen sind dann Notfallmanagement, Techniker, Reparaturteams, Disponenten und Bundespolizei in Einsatz.
2.2.5 Analysieren und Maßnahmenpläne erarbeiten
Ähnlich wie beim Thema Verspätungen trägt jedes Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen dafür Sorge, dass es die vorgesehenen Fahrten vollständig durchführt, denn damit verdient es sein Geld. Deswegen wird jeder Vorfall genau analysiert, wie es zu einem Zugausfall kommen konnte. Daraus werden Maßnahmen abgeleitet, um die Erfüllungsquote möglichst hochzuhalten.
Beispielsweise werden insbesondere Baustellenverkehre lange geplant und verhandelt, bevor ein Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen in ein Baustellenkonzept einwilligt, das Zugausfälle beinhaltet.
Auch bei Zugausfällen aufgrund technischer Defekte leitet das EisenbahnVerkehrs-Unternehmen eine intensive Ursachenforschung zusammen mit Hersteller, Fahrpersonal und Werkstatt ein. Das Ergebnis kann so aussehen, dass bestimmte anfällige Bauteile vorsorglich getauscht werden, dass bauliche Veränderungen erforderlich sind oder neue Software programmiert wird.
Die Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen arbeiten daran, dass die Verfügbarkeit der Strecken möglichst hoch ist. Der „Aktionsplan Vegetation“ der Bahn ist ein Beispiel dafür: Es geht darum, dass Bäume bei Stürmen oder durch Schneebruch deutlich seltener auf die Gleise fallen und so für Zugausfälle sorgen (siehe auch Kapitel 13.5).40 Auch der Runde Tisch beim Baustellenmanagement sorgt dafür, dass alle Interessen möglichst gut austariert werden, sodass