»Doch«, sprach jetzt Anton, »erlauben Sie nun, daß ich sogleich abreise.« »Was, wie, warum?« riefen alle. Allein Anton sagte: »Ich fahre jetzt zu Herrn Riedinger. Ich hoffe dort noch dem Gottesdienste beiwohnen zu können, meinem vortrefflichen Lehrmeister durch meinen Besuch eine unerwartete Freude zu machen, und ihn morgen abends hieher zu bringen. Dann wollen wir die übrigen Weihnachtsfeiertage, ja alle Tage des noch übrigen Jahres recht fröhlich beschließen.« Alle begleiteten Anton an die Kutsche. Am Abende des andern Tages kam Anton mit seinem Lehrmeister an, und das alte Försterhaus in dem düstern Walde beherbergte in diesen Tagen so selige Menschen, als je auf Erden gelebt haben.
Was von Antons Geschichte noch weiter bemerkt zu werden verdiente, ist kurz dieses. Anton bat den alten Förster und dessen Hausfrau, ihm ihre Tochter Luise zur Ehe zu geben. Beide bewilligten es mit Freuden. »Ach Luise«, sprach die alte Großmutter, »damals, als du dem Anton jenes Äpfelein zum Weihnachtsgeschenke gegeben hast, dachte ich wohl nicht daran, daß er dich dereinst als seine Braut zum Altare führe würde.« Das Hochzeitsfest war ein so freudiges Fest, als je eines in dem Försterhause gefeiert wurde. Anton aber kaufte sich in der Residenz ein eigenes Haus, hatte als ein sehr geschätzter Maler immer sehr viel zu malen, und lebte mit Luise in der seligsten Eintracht.
Im folgenden Frühlinge kam der Fürst ganz unerwartet auf dem fürstlichen Jagdschlosse Felseck an, und brachte den alten Forstrat Müller und einen auswärtigen forstverständigen Mann mit sich. Der Oberförster war sehr bestürzt und versprach sich von diesem gnädigen Besuche wenig Gutes. »Sie haben meine Befehle überschritten«, sagte der Fürst zu ihm. »Ich hatte zwar, durch Ihre Berichte verleitet, den alten Förster seiner Geschäfte überhoben, und war Willens, den jungen Förster auf einen sehr geringen Försterdienst zu versetzen; allein die ganze Familie so unmenschlich aus dem Forsthause zu verstoßen, wie Sie es im Sinne hatten, war nie mein Wille. – Doch wir wollen vorerst die Waldungen in Augenschein nehmen.«
Des Oberförsters eigener Bezirk befand sich in einem kläglichen Zustande. »Auf den Papieren, die er einschickte«, sprach der Fürst, »fand ich alles vortrefflich. Da war alles so schön geschrieben und liniert, wie gestochen. Allein im Walde finde ich es anders. Auf manchem Platze ist offenbar ohne Vergleich mehr Holz gestanden, als in den Rechnungen steht. Der Mensch hat mich abscheulich betrogen.« Der Oberförster hatte, wie sich’s in der Folge zeigte, an eine benachbarte Eisenschmelze nach und nach einige tausend Klafter Holz mehr abgegeben, als er in Rechnung brachte. Er hatte, um seinen großen, beinahe fürstlichen Aufwand zu bestreiten, nicht nur sein eigenes Vermögen verschwendet und sich in Schulden gesteckt, sondern sich überdies noch Untreue gegen seinen Fürsten erlaubt. Der Fürst setzte ihn ab, und verurteilte ihn, den Schaden zu vergüten. Der arme Herr von Schilf lebte von nun an auf seinem kleinen, überschuldeten Landgute in sehr dürftigen Umständen.
Den Waldbezirk des alten Försters fand der Fürst im trefflichsten Zustande. Er kam in eigener Person zu ihm in das Haus, bezeigte dem alten Manne seine Zufriedenheit, ließ sich dessen ganze Familie vorstellen und redete mit allen sehr freundlich. Bevor er seinen Schimmel bestieg, den ein Reitknecht vor dem Försterhause am Zaume hielt, sagte er zu dem Förstersohne: »Er ist hiemit Förster; mache Er seine Sache ferner so gut!« »Sie«, sprach der Fürst zu dem alten Förster, »sind nun wohl etwas alt, aber noch lange nicht der abgelebte Greis, für den Herr von Schilf Sie ausgab. Sie sind trotz Ihres Alters noch sehr wohl bei Kräften; ich kann Sie meiner Dienst noch nicht entlassen. Sie werden mich verstehen, wenn ich Ihnen sage: Leben Sie wohl, Herr Oberförster.«
Max Necke (Hg.)
Deutsches Weihnachtsbuch.
Erzählungen und Märchen
ISBN: 978-3-95855-480-1
fabula Verlag Hamburg, 2017
Covergestaltung: Annelie Lamers
Coverbild: designed by freepik.com
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