Mord im Morgengrauen. Фиона Грейс. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Фиона Грейс
Издательство: Lukeman Literary Management Ltd
Серия: Ein Cozy-Krimi mit Lacey Doyle
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9781094305608
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ersten Date?“ hakte sie nach.

      Doch noch bevor Tom antworten konnte bimmelte die Glocke über der Ladentür und eine Gruppe von ungefähr zehn Japanern fiel in den Laden ein. Tom sprang auf.

      „Oh, Kundschaft.“ Er sah zu Lacey hinunter. „Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir unser Date verschieben?“

      Ebenso selbstsicher wie sie ihn bisher erlebt hatte machte sich Tom auf den Weg zur Ladentheke und ließ Lacey ziemlich sprachlos zurück.

      Da der Laden nun voller Touristen war, ging es in ihm inzwischen laut und umtriebig zu.  Lacey verschlang ihren Elf-Uhr-Snack, hatte dabei aber immer ein Auge auf Tom. Doch der war von seinen Kunden ganz und gar mit Beschlag belegt.

      Als sie fertig gegessen hatte wollte sie ihm zum Abschied noch kurz zuwinken, aber er war inzwischen wieder in seiner Küche und konnte sie deshalb nicht sehen.

      Ein bisschen niedergeschlagen und extrem satt verließ Lacey die Konditorei und trat wieder auf die Straße hinaus.

      Dort blieb sie abrupt stehen. Denn sie hatte direkt gegenüber der Konditorei einen leerstehenden Laden entdeckt. Und dieser leerstehende Laden löste so tiefe Gefühle in ihr aus, dass ihr fast der Atem wegblieb. Da war irgendetwas mit diesem Laden, etwas, das an zutiefst in ihrem Inneren verschütteten Erinnerungen aus ihrer Kindheit rührte. Etwas, das sie dazu zwang, sich den Laden näher anzusehen.

      KAPITEL VIER

      Durch das Fenster des leerstehenden Ladens lugte Lacey in diesen hinein und versuchte auf diese Weise die Erinnerungen, die gerade in ihr aufgekommen waren, zu fassen zu bekommen. Aber da kam nichts mehr. Doch das, was sich da in ihr geregt hatte, war mehr als eine normale Kindheitserinnerung, sondern fühlte sich eher an als sei sie frisch verliebt.

      Bei ihrem Blick durch das Fenster des Ladens stellte Lacey fest, dass dieser leer war und kein Licht darin brannte. Der Fußboden des Ladens war aus hellen Holzbrettern gefertigt. Die vielen Alkoven in seinem Inneren waren zum größten Teil mit eingebauten Regalen ausgestattet und an einer der Wände stand ein großer, hölzerner Schreibtisch. Der von der Decke hängende Leuchter war aus Kupfer und offensichtlich antik. Teuer, dachte Lacey. Den haben die beim Auszug bestimmt nicht absichtlich zurückgelassen.

      Dann bemerkte Lacey, dass die Tür des Ladens nicht abgeschlossen war. So blieb ihr praktisch gar nichts anderes übrig, als hineinzugehen.

      Im Laden roch es irgendwie metallisch und dazu nach Staub und Schimmel – eine Kombination, die bei Lacey sofort einen neuen Erinnerungsschub auslöste. Denn genauso hatte es auch im Geschäft ihres Vaters, einem alten Antiquitätenladen, gerochen.

      Sie hatte diesen Laden geliebt. Als Kind hatte es nichts schöneres für sie gegeben als sich inmitten der ganzen alten Schätze aufzuhalten, mit den gruseligen alten Porzellanpuppen, die es dort gab, zu spielen und in Sammlerstücken von Kinder-Comics wie  „Bunty“ oder „The Beano“ oder den ungeheuer seltenen und wertvollen Originalausgaben von „Rupert the Bear“ zu schmökern.

      Doch am liebsten hatte sie in dem ganzen alten Kram herumgestöbert und versucht, sich ein Bild von den früheren Besitzern so manchen Stücks zu machen. Krimskrams aller Art gab es dort wirklich genug und jedem einzelnen Teil davon haftete derselbe metallisch-staubige-schimmelige Geruch an, der ihr auch hier entgegenwehte.

      Und ebenso wie der Anblick des auf einer Klippe am Meer gelegenen Craig Cottage den alten Traum aus ihrer Kindheit, später einmal am Meer zu leben, neu entfacht hatte, erweckte dieser Laden ihren alten Traum, einmal einen eigenen Laden zu haben, zu neuem Leben.

      Sogar der Grundriss des Ladens ähnelte dem ihres Vaters. Je mehr sie sich umblickte, desto mehr Erinnerungen aus den tiefsten Schichten ihres Gedächtnisses drängten nach oben und überdeckten ihre aktuellen Wahrnehmungen – so als würde man eine Lage Pauspapier über eine Zeichnung legen. Vor ihrem inneren Auge waren die eigentlich leeren Regale des Ladens plötzlich angefüllt mit schönen Dingen, vorwiegend mit Küchenutensilien aus der Zeit der Königin Viktoria, auf die ihr Vater spezialisiert gewesen war. Und dort drüben, auf der Ladentheke, sah sie die große kupferne Registrierkasse – die sperrige mit den schwergängigen Tasten, an der ihr Vater festgehalten hatte, weil sie angeblich „den Geist wachhalte“ und „die Fähigkeiten im Kopfrechnen fördere“ – stehen. Während sie meinte, die Worte ihres Vaters zu hören und immer mehr Bilder aus der Vergangenheit vor ihrem inneren Auge auftauchten schlich sich ein verträumtes Lächeln auf ihre Lippen.

      Sie war so sehr in ihren Tagtraum versunken, dass sie nicht hörte, dass sich von der Hinterseite des Ladens Schritte näherten. Sie bemerkte nicht einmal, dass der Mann, dem diese Schritte zuzurechnen waren und der nicht gerade freundlich dreinsah, durch die Hintertür trat und direkt auf sie zukam. Erst als jemand sie auf die Schulter tippte merkte sie, dass sie nicht mehr allein war.

      So war es kein Wunder, dass dieses Antippen ihr einen solchen Schreck versetzte, dass ihr Herz einen Moment lang auszusetzen schien und sie beinahe laut aufgeschrien hätte. Als sie sich herumdrehte und das Gesicht des Fremden sehen konnte, sah sie einen älteren Herrn mit schütterem, weißem Haar und dicken Tränensäcken unter seinen strahlend blauen Augen.

      „Kann ich Ihnen helfen?“ fragte der Mann in einem schroffen, unfreundlichen Ton.

      Lacey war so erschrocken, dass eine ihrer Hände unwillkürlich direkt zu ihrem Herzen hinaufflog. Es dauerte einen Augenblick bis ihr bewusst wurde, dass es nicht etwa der Geist ihres Vaters gewesen war, der ihr gerade auf die Schulter geklopft hatte und auch, dass sie kein Kind mehr war, das sich im Laden ihres Vaters befand, sondern eine erwachsene Frau, die gerade Urlaub in England machte. Eine erwachsene Frau, die sich unbefugten Zutritt zu diesem Laden hier verschafft hatte.

      „Oh, es tut mir leid!“ sprudelte sie hervor. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass jemand hier ist. Und die Tür war nicht abgeschlossen.“

      Der Mann starrte sie misstrauisch an. „Haben Sie denn nicht gesehen, dass der Laden leer steht? Hier gibt es nichts zu kaufen.“

      „Das weiß ich“, sprudelte Lacey in dem Versuch sich zu rechtfertigen und das Misstrauen des  alten Mann zu beschwichtigen, heraus. „Aber ich musste einfach hier hereinkommen. Denn alles hier erinnert mich sehr an den Laden meines Vaters.“ Zu ihrer eigenen Überraschung füllten sich Laceys Augen plötzlich mit Tränen. „Ich habe ihn seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen.“

      Das Verhalten des Mannes änderte sich von einer Sekunde zur nächsten. Plötzlich stand er ihr nicht mehr argwöhnisch und ablehnend, sondern eher freundlich gegenüber.

      „Ach du meine Güte“, sagte er freundlich und schüttelte mitleidig den Kopf als er sah wie Lacey sich verstohlen die Tränen aus den Augen wischte. „Ist schon in Ordnung, meine Liebe. Ihr Vater hatte also einen Laden wie diesen hier?“

      Lacey war es peinlich, dass sie diesen Mann mit ihren Problemen belastet hatte. Darüber hinaus fühlte sich ziemlich schuldig, denn schließlich hatte er nicht nur darauf verzichtet, die Polizei zu rufen und sie von dieser aus seinem Laden entfernen zu lassen. Im Gegenteil: er hatte sich eher wie ein erfahrener Therapeut verhalten, und ihr freundliches Interesse entgegengebracht, und sie nicht verurteilt, sondern vielmehr versucht, sie ein wenig aufzubauen. Doch irgendwie konnte Lacey nicht anders als ihm ihr Herz auszuschütten.

      „Er hatte einen Antiquitätenladen“, erklärte sie und obwohl immer Tränen ihre Wangen hinunterliefen huschte gleichzeitig auch ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. „Zuerst hat mich nur der Geruch des Ladens hier an die alten Zeiten erinnert, aber dann sind auf einmal noch viel mehr Erinnerungen auf mich eingestürmt. Sein Laden war genauso aufgeteilt wie dieser.“ Sie zeigte zu der Tür des hinteren Zimmers, durch die der Mann in den Laden gekommen sein musste. „Er nutzte sein Hinterzimmer als Lager, wollte aber eigentlich immer einen Auktionsraum daraus machen. Das Zimmer war sehr lang und ging auf einen Garten hinaus.“

      Der Mann begann zu kichern. „Dann kommen Sie doch mal mit und schauen sich mein Hinterzimmer an. Es ist lang und geht auf einen Garten hinaus.“

      Noch ziemlich angefasst von dem Vergleich, den er gezogen hatte, folgte Lacey dem Mann in das Hinterzimmer. Lang und schmal, wie es war, erinnerte es an ein Zugabteil und sah fast genauso aus wie