„Hi Dieter”, haucht es aus ihr heraus, während sie ihr Halstuch öffnet. „Jetzt erzähl mal”, fordert sie ihn auf.
Dieter berichtet, wie er heute Morgen am Strand gejoggt ist, und in der Ferne einen Menschenauflauf erblickt hat, so in Höhe Eco Beach. Aus der Ferne noch, habe er die orangeroten Haare erkannt. Er ist hingelaufen und war Zeuge wie man versucht hat, die Frau wiederzubeleben, was leider erfolglos blieb, sie war schon tot. Sie war vollständig bekleidet, also kein Badeunfall, wahrscheinlich Selbstmord, oder eine Herzschwäche, meinte die Polizei.
„Oh nein, das kann nicht sein, Selbstmord? Auf keinen Fall. Sie war so vergnügt und voller Lebensmut, wenn auch manchmal ein wehmütiges Lächeln zu erahnen war.”
Ellen erinnert sich noch genau an diesen einen Moment, indem sie Britta schweigend beobachtete. Jene Sekunden, die Brittas Augen glasig erscheinen ließen, während sie aufs Meer blickte.
„Aber sie hatte so viele Pläne? Herzschwäche? möglich aber unwahrscheinlich, sie hatte doch etwa unser Alter. Was machen wir nun? Ich werde morgen früh gleich zum Konsulat fahren und eine Aussage machen. Vielleicht hilft das.“
„Ok”, meint Dieter, “ich begleite Dich”.
„Das ist nett von Dir, ich nehme dein Angebot gerne an. Lass uns morgen um 9 Uhr losfahren, ok?”
Am nächsten Morgen torkelt Ellen etwas schlaftrunken die Treppe hinunter, ihr Hund Schlingel fühlt sich aufgefordert ihr zu folgen, überholt sie dabei mitten auf der Treppe, und bringt sie so etwas aus dem Gleichgewicht. Ellen fängt sich aber wieder, und kann einen Sturz gerade noch vermeiden. Schlagartig ist sie wach.
„Selamat Pagi Made“, ruft sie.
Sie hört Made in der Küche werkeln, und es braucht nicht lange, bis die Gute mit Bali Kaffee und einem Banana Pancake, komplett mit Honig und Zitrone, aus der Küche kommt.
„Selamat pagi ibu Ellen”, schallt es zurück. „Hat ibu Ellen schon gehört, es ist eine deutsche Frau ertrunken, gestern?”
„Ja Made, das habe ich gehört, und ich bin sicher ich habe diese Frau gekannt.”
„Man sagt es ist Selbstmord gewesen, denn die Frau war vollkommen angezogen. Touristinnen gehen doch nicht mit Kleidern zum Schwimmen so wie wir“, sagt Made mit überzeugter Stimme und neugierigem Blick.
„Ja, das ist wohl merkwürdig. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass diese Frau Probleme hatte. Heute fahre ich zum Konsulat und mache eine Aussage.” erwidert Ellen.
„Warum nicht gleich zur Polizei? “, entgleitet es Made spontan.
„Ach Made, du weißt doch, mit der Polizei ist das so eine Sache, die stellen dir Fragen über alles Mögliche, da kommt man sich gleich selbst als Schuldiger vor. Ich spreche lieber mit dem Konsulat, die können sich dann um alles Weitere kümmern.”
Ein Motorengeräusch nähert sich der Einfahrt, Schlingel springt bellend durch den Garten.
„Das muss Dieter sein.” Sie nimmt einen letzten Happen von dem köstlichen Pfannkuchen, schnappt sich ihre Tasche, und eilt die Stufen hinunter in den Garten.
Der Kiesweg ist noch dunkelgrau gefärbt von der Feuchtigkeit. Der Gärtner hat die Pflanzen bewässert, und hat dabei den Weg nicht ausgelassen. Die Tropfen hängen auf den Blättern, und bringen das Grün im Morgenlicht zum Glänzen. Es riecht nach Cempaka-Blüten, ein intensiver süßlicher, aber auch gleichzeitig herber Duft, ganz typisch für Bali.
Sie verabschiedet sich von Schlingel mit einem Kuss, und schon ist sie in dem kleinen Avanza verschwunden. Schlingel läuft immer noch bellend am Zaun auf und ab, bis das Auto außer Sichtweite ist.
„Guten Morgen Dieter, alles klar? Danke, dass du mich begleitest, so ist die Fahrt nach Sanur nicht so lang, undauch so viel bequemer in deinem Auto mit Klimaanlage. Außerdem habe ich moralische Rückendeckung”, lächelt sie verschmitzt. Dieter erwidert mit einem Augenzwinkern:
„Weißt Du schon was Du aussagen wirst?”
Ellen geht die Fakten nochmals genau durch. “Ich habe Britta nur einmal getroffen, und zwar letzten Sonntag am Balangan Beach. Sie stellte sich mir spontan vor, und wir kamen ins Gespräch. Wir waren uns gleich sympathisch. Sie fragte viel über mein Leben in Bali, was ich arbeite, wieviel ich für mein Haus bezahle und so weiter, halt die üblichen Fragen, die Neulinge hier in Bali so stellen. Es war schon recht direkt das Gespräch, aber nicht unangenehm.
Wie gesagt, Britta kam sehr natürlich und sympathisch herüber. Sie erzählte mir, dass sie einen Yoga Retreat in Ubud abgeschlossen hatte und sie mit dem Gedanken spielte, nein eigentlich, dass sie sich schon entschieden hatte, in Bali zu bleiben. Sie wollte sich hier eine neue Existenz aufbauen“, sagte sie.
Spricht so jemand, der sich am nächsten Tag umbringt?”
Sie biegen links ab auf den Bypass nach Sanur. Die Fahrt verläuft stockend erst, aber jetzt ist der Hauptverkehr endlich vorbei. Von Kuta nach Sanur ist die Straße relativ frei, und man kommt schnell durch. Das Touristendörfchen Sanur, mittlerweile auch angewachsen, aber im Vergleich zur anderen Strandseite im Westen ist es hier verschlafen aber gemütlich. Die meisten Geschäfte und Restaurants haben noch den alten Charme von früher.
Es gibt alteingesessene Hotels, die ihren Charakter behalten haben. Eigentlich, ein netter Ort. Trotzdem hat sich Ellen seinerzeit für die schnell anwachsende Westküste entschieden, denn dort leben all die Ausländer, die ihren Geschäften nachgehen. Möbel, Kleidung, Schmuck, alles was man sich so denken kann. Es ist vorteilhafter für das Netzwerk.
Sie biegen in die Jalan Pantai Kerang ein und parken vorm Konsulat. Ellen gibt ihre Aussage ab, und hinterlässt ihre Handynummer für den Fall, dass noch Fragen offen sind.
„Puh geschafft, was machen wir nun?“
„Ich kenne einen kleinen Warong am Strand, die grillen frischen Fisch, ganz wunderbar. Ich zeig’s Dir. Lass uns dort essen gehen, ich habe ‘nen tierischen Hunger”, meint Dieter.
„Gebongt!”, lächelt Ellen.
Sie sitzen auf einfachen Holzbänken. Den duftenden Fisch bekommen sie auf einem Glasteller serviert, durch den man das Muster der Plastiktischdecke erkennen kann. „Sambal tomat matah“, eine Tomaten-Chilisoße ist die Beigabe. Neben weißem Reis gibt es noch einige aromatische, grüne Blätter, das Basilikum der asiatischen Küche und Gurkenscheiben. Sie ist einfach himmlisch, die indonesische Küche; Einfach, preiswert, frisch und schmackhaft.
Nachdem Essen gehen sie noch um die Ecke zum Italiener an den Strand. Der vorzüglich duftende Macchiato kostet genauso viel, wie das eben eingenommene Mittagsgericht.
Sie sitzen am Strand, und schauen auf die seichten Wellen, die typisch für die Ostküste hier in Sanur sind. Es gibt Korallenbänke, die die Wellen brechen, anders als auf der Westseite. Hier ist der Sand sehr viel heller, und glüht in der Mittagshitze.
Für einige Minuten wird kein Wort gewechselt. Man genießt das Meer, die Stimmung, den Kaffee. Die leichte Brise vom Ozean gibt etwas Kühlung, und die Ventilatoren unter dem Strohdach erzeugen zusätzliche Luftbewegung, die das Klima erträglich machen. Trotzdem stehen Ellen Schweißperlen auf der Stirn.
„Was meinst Du, war’s das nun?”, entfährt es Ellen plötzlich. „Das kann doch jetzt nicht alles gewesen sein?”
„Wie meinst Du das?”, entgegnet Dieter erstaunt.
„Naja, diese Sache halt, der Tod, der Mord, der Selbstmord. Hier stimmt doch was nicht”, kontert Ellen etwas unwirsch.
„Warte mal einen Tag ab, sicher kommt das Konsulat auf dich zurück”, versucht er sie zu beschwichtigen.
Sie trinken ihren Kaffee aus, und begeben sich auf den Heimweg. Beide sind schweigsam und gedankenversunken. Vor ihrem Haus angekommen, verabschiedet Ellen sich mit den Worten:
„Ich melde