Der Fischkopp hält mit Eisenarmen den Mastiff, der jetzt vorn hochgeht, massiert die faltige Kehle des gewaltigen Hundes. Und als ein nasser grollender Ton aus dessen Brustkorb fährt, schlägt diStronzo ihm die Faust in den Nacken, läßt Anabol los - ein lautloser Satz durch die Maueröffnung - die Bestie lauert auf dem Platz, bleckt, droht, ein entsichertes Gewehr. Mit einem Sprung ist sie am Brunnen, stößt ein krachendes Bellen aus, dieStronzos Vamos! treibt Anabol vorwärts, die Schaumfetzen gischten aus dem Maul um den bullenbreiten Kopf.
Der Fremde fährt herum, der Mastiff bricht heran mit der Geschwindigkeit von Indianerpfeilen. Da geht der Riesenkerl in die Knie, und als der Mastiff gerade noch fünf Sprünge entfernt ist, kommt der Mann röhrend hoch, reißt die Arme mit dem Duster darum auseinander, steht plötzlich dreimal so groß und so breit da – der Mastino erschreckt sich furchtbar, stemmt in vollem Lauf seine Pranken in den Boden, dass der Sand fliegt, fletscht, bellt.
Der Brocken, der sich in eine vorgebeugte Lauerstellung gelassen hat mit einem gewaltigen Messer in der Pranke, kniet sich auf einmal ganz herunter, steckts Messer weg und dem Mastino die Hand entgegen, summt, brummt, beruhigt. Der Leutnantshund zittert und glotzt, weiß die Situation nicht zu deuten: hinter ihm das plärrende Herrchen, vor ihm das Ziel, welches erst bedrohlich wirkte, nun unbekannte, doch höchst angenehme Laute hervorbringt und offensichtlich freundlich gesinnt ist. Vorsichtig wagt Anabol ein-zwei Schritte vorwärts, wittert, knurrt – und nimmt den Brosamen, den ungewohnten Liebesbeweis, den ihm der Mantelträger hinhält. Das Tier lässt sich sogar anfassen; immer näher kommen sie sich, der Mensch knuddelt endlich sein Genick, spielt mit den felligen Hautlappen des Halses, klopft dem Tier die Brust – der Mordshund fiept beglückt und leckt dem Kerl die Hände, bekundet wedelnd seine Sympathie.
Hanns Streng hat sich prustend vom Mauerloch weggedreht. Der Teniente hingegen springt hoch wie ein Kastenteufel, reißt den Revolver aus dem Holster – zweifelsohne würde er alle pflichtvergessenen und feindlichen Elemente umgehend niedergestreckt haben wie nichts mit seinem Remington, doch Streng fällt ihm in den Arm. „Lassen Sie die Albernheiten! Die Waffe weg und abgeregt!“
DiStronzos heile Soldatenwelt liegt in Trümmern. „Nehmen Sie den Kerl - aber den pflichtvergessenen Köter, den knall ich ab. Am besten wär: alle abknallen!“
„Vielen Dank für Ihre Situationseinschätzung“, sagt Streng höflich, „doch ich möchte hier keinen einzigen Schuss hören! Und Ihren Cognac dürfen Sie behalten.“ DiStronzo ballt die Fäuste, gibt dann klein bei. „Ganz wie Sie befehlen, Senor Streng.“
„Danke!“, erwidert der Senor freundlich. Und zu den Soldaten: „Den Mann da - durchsuchen!“
Die Regulares wagen sich hinter vorgehaltenen Karabinern aus der Deckung, filzen den Mann, werfen den Mantelinhalt auf den Boden: zwei-drei Pesos, getrocknete Ohren und Skalps, ein kleines verdrecktes Goldpapier, einen Ausweis, das Bowiemesser, eine Luger-Pistole, Munitionsschachteln und andere Merkwürdigkeiten - wenn sie einen durchsuchen, spitzen die Soldaten jedes Mal auch auf einen Hinweis auf DORA DOLLARs Schatz; Kindermärchen, Traum und Manie jeden Pelargonios, der seit Geburt an zwei Krankheiten leidet: am Pirazzo und am Schatzwahn.
Der Hund steht daneben, blafft, äugt nervös zum Riesen, zu Streng, zu diStronzo, welcher versucht, den Mastiff mit Steinwürfen zu treffen.
„Hören Sie doch mit dem Blödsinn auf!“, ruft Streng, steckt Bowiemesser und Luger samt Patronen ein, nimmt den Pass auf. Sagt zu den Gardisten: „Männer, lasst mich kurz allein mit dem Kerl!“
Streng geht um den groben Menschen herum, schaut ins Ausweispapier, ihm ins Gesicht. "Palisander SanctoEusebio heißen Sie also … " Hanns Streng gruselt es ein wenig. Bei anderer Lage gäbe dieser Felsblock sicher einen gewaltigen Feind ab. Oder einen hervorragenden Starken August … etwas Wunderbares sagt Streng ins Ohr dass dieser Trumm ein Glanzlicht in deiner geplanten Menagerie werden könnte und vielleicht sogar einer ist, dem du auch sonst halbwegs vertrauen kannst, eher als dem falschen Estanciero oder diesem blödsinnigen Teniente, wem kann man überhaupt trauen, hier, wo der Bruder die Schwester verhökert für ein paar Pesos? Wem, wenn nicht so einem?
Der Gedanke formt sich, wächst, bricht heraus, schüttet sein Füllhorn aus über Strengs Gemüt So einen hast du gesucht. Lange schon!
Die rechte Hemdschulter des Mannes ist aufgerissen, auf die Haut die Feuerkugel der Legion Etranger tätowiert. Agent Streng nickt respektvoll. Dass der Mann nicht reden kann, hat er auch schon mitbekommen. „Sie haben da ein Variete-Billett.“ Er hält es dem nachgewiesenen Legionär unter die Nase. „Gehören Sie womöglich dazu? Ein Versprengter? Rächer? Gläubiger?“ Palisander nickt beim Letzteren. Hanns Streng lächelt. „Was mögen Sie noch suchen außer den beiden Gauklern - und DORA DOLLARs Schatz, den hier jeder sucht?“ Streng mustert Palisander eingehend. „Ich denke, Sie suchen Arbeit.“
Der Legionär guckt auf die paar lausigen Pesos, die ihm geblieben sind.
„Ich kann Ihnen Lohn und Brot verschaffen. Erst mal als mein Leibwächter und später … “ Streng beläßt es jedoch beim Erst mal. „Ich glaube, Sie sind einer, der loyal ist, wenn er anständig bezahlt wird. Einer, dem ich vertrauen kann." Er, Streng, habe den Sänger samt Tochter schon vor Tagen kassiert. "Beschützen und aufpassen sollen Sie. Auf mich, auf diesen Tagliatelle, sein Gör und den dicken Abdul. Senor Rinaldo muß behandelt werden wie ein rohes Ei - auch wenns schon angeknackst ist. Ich biete Ihnen gute Bezahlung. Und das Wiedersehen mit Ihren Lieben. Sagen Sie Ja zu meinem Angebot?“
Der Legionär guckt auf seine Habseligkeiten. Nickt dann. Streng freut sich sichtlich. "Essen, Trinken, Unterkunft frei und 100 Pesos die Woche. Wenn Sie wollen, können Sie Zwerg Nase samt Tochter nachher schon in die Arme schließen, denn Sie sollen Ihren ersten Einsatz für mich heute Abend auf einer Fiesta geben, wo beide auftreten werden." Er winkt den Soldaten, „diesen Herrn da mitnehmen, er arbeitet ab jetzt für mich!“
Der Cabo brüllt: “Bueno, Senor Agente!", der Leginär stopft seine Tascheninhalte zurück in den Duster, danach werden Mann und Mantel auf einen Ford-Pritschenlastwagen verbracht; der halbe Greifertrupp drückt sich mit ehrfürchtigen Minen neben ihn auf die Ladefläche. Streng klappt den Jackenkragen hoch, zieht sich hinters Steuer seines rotgelb-getupften Kübelwagens und fährt dem Pickup voraus. Ruft noch hinüber: „Seien Sie bitte pünktlich heute Abend, Teniente!“
„ … hinten lecken!“, knurrt diStronzo übellaunig, doch für Streng unhörbar. Danach befiehlt er den Rest der murrenden, ihres sicher geglaubten Schnapsanteils verlustig gegangenen Gewehrträger in die umliegenden Hausflure, wo sie nach alternativer Beute spüren sollen.
Und als Laster und VW-Kübel ums Eck sind, findet der Teniente endlich auch Gelegenheit und Ruhe, den Hund zu erschießen.
Kaliber 10 - Ein Professor mit Guanophilie
Nach ihrer Unabhängigkeit im Jahre 1862 gelangte die Insel dreimal noch ins Bewusstsein und die Schlagzeilen der restlichen Welt: zum einen Anfang/Mitte der 70er des 19. Jahrhunderts durch den sogenannten Guano-Run, zum anderen 1948 durch den Absturz einer amerikanischen B 29 vor Vayacondios und schlußendlich durch den sogenannten Croissant-Rezess im Jahre 1952.
Über Flugmaschine und Hörnchen wird später noch ausreichend berichtet; mit dem 1872 beginnenden Guano-Run haben der bereits erwähnte Professor Nimrod und der Comeddo Zentral zu tun. Dieser mitten aus dem Zentrums des Malpais gebrochene Furunkel, ein an der Basis fast zwei Kilometer durchmessender, in der Mitte eingestürzter und danach mit Staub, Geröll und allem Möglichen aufgefüllte Krater eines erloschenen Schildvulkanes aus der pubertären Phase der Insula, ragt mit seinem Rand fast 500 Meter empor aus der Wüste.
Und gerade alles Mögliche war, was den Comeddo-Krater und damit ganz Pelargonien nach der Unabhängigkeit zum zweiten Mal über seine Grenzen hinaus bekannt machte: nämlich Scheiße. Genauer gesagt, die Exkremente eines fetten mannsgroßen und lange ausgestorbenen Watschelvogels,