Peter Faszbender
Whiskey-Ballett
Kommissarin Sarah Molony
ermittelt
© 2020 Peter Faszbender
Umschlag, Illustration: Janet Levrel
Lektorat, Korrektorat: Deutsches Lektorenbüro, Würzburg
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN | |
Paperback | 978-3-347-12577-3 |
Hardcover | 978-3-347-12578-0 |
e-Book | 978-3-347-12579-7 |
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Kapitel 1
»Ist das jetzt grade echt passiert?« Die beiden Männer schauen dem betagten Saab Cabrio hinterher, das soeben die Ladezone des gründerzeitlichen Backstein-Warendepots verlässt.
»Dieser schmierige Kerl bietet uns einen ganzen Sattelzug mit schwarzgebranntem Whiskey an? Ausgerechnet uns?« Die beiden Männer wenden sich dem Eingangstor der Lagerhalle zu.
»Na, allein von der geschäftlichen Seite aus betrachtet ist das ein richtig guter Preis. Warum nicht zugreifen? Unser eigener Selbstgebrannter kostet schon in der Herstellung mehr, Chef.«
»Ja.« Er atmet tief durch. »Das Angebot ist gut. Zu gut, mein lieber Fred, viel zu gut. Es geht nicht um mehr oder weniger Geld, es geht um das Geschäft als solches. Mit Konkurrenz muss man leben, selbst wenn sie zuweilen lästig ist. Aber einen ruinösen Preiskampf zu beginnen, das ist kein ehrenhaftes Verhalten unter Kaufleuten, das ist Krieg.«
Sie schlendern langsam in die Halle, vorbei an Hochregalen, in denen sich Kartons mit Whiskeyflaschen und anderen hochpreisigen Spirituosen stapeln. Ihr Weg führt sie in Richtung des erhöht liegenden gläsernen Büros, das einen Blick über die gesamte Halle erlaubt.
»Kann es eine Falle sein? Woher sollte irgendein dahergelaufener Kerl unser Lager hier kennen?«
»Eine Falle?« Der Chef schaut Fred nachdenklich an. »Nein, das glaube ich nicht, so dämlich stellt sich die Polizei nun auch wieder nicht an. In den richtigen Kreisen sind Informationen über unseren Laden leicht zu bekommen.« Er deutet auf die Arbeiter, die im Lager zugange sind. »Personalintensive Tätigkeiten sind selten geheim zu halten.« Sie bleiben stehen, um einen Lkw durchzulassen.
»Also doch nur ein Naivling, der sich in das Geschäft drängen will? Wir können mit so einem Hühnerdieb doch keinen Krieg anfangen, Chef.«
»Da hast du recht, wir dürfen solche Zwerge nicht wie Riesen behandeln, das macht uns klein.« Er schlägt Fred jovial auf die Schulter.
»Also sehen wir generös über die Sache hinweg?«
»Nein, nein, das können wir uns auch nicht erlauben. Ignorieren dürfen wir solche Vorkommnisse auf keinen Fall. Wer weiß, wo und bei wem alles der schon mit seinem Angebot war. Wir müssen ein Exempel statuieren. Als Warnung für jeden, der uns in die Quere kommt – oder auch nur mit dem Gedanken spielt, es zu tun.«
»Wir können ihn schnappen und diskret aus dem Weg räumen, Chef.«
»Nein. Nicht einfach verschwinden lassen, und schon gar nicht diskret. Wir werden ein Fanal setzen. « Die beiden Männer verlangsamen ihre Schritte, um einen voll beladenen Gabelstapler passieren zu lassen.
»Hast du das Autokennzeichen von dem Kerl?«
»Ja, klar.« Fred eilt die Stahltreppe zum Büro hoch und öffnet seinem Chef die Tür, der beschwingt den Raum betritt und sich mit einer Drehung in den gediegenen Ledersessel fallen lässt.
»Finde heraus, wer das ist und wo er wohnt.«
»Wird gleich erledigt, Chef.«
»Und bereite unsere bewährte Sonderbehandlung vor. Wir wollen dem Kerl, der Konkurrenz und der gesamten Öffentlichkeit ein nachhaltiges Schauspiel bieten. Zeigen wir doch einfach allen, was passiert, wenn man uns auf diese Weise das Geschäft versauen will. Und wenn der Whiskey halbwegs etwas taugt, nehmen wir uns den auch. Als kleine Aufwandsentschädigung für unsere Mühe.« Fred läuft die Treppe hinunter und hastet zum Ausgang.
Allein im Büro legt der Chef die Füße auf den Schreibtisch und schaltet mit der Fernbedienung die High-End-Musikanlage ein. Klassische Musik erfüllt den Raum. Er schließt die Augen, dirigiert die Symphonie annähernd im Rhythmus und schwingt mit dem Oberkörper dem Takt hinterher.
Kapitel 2
Die Sanitäter schieben bereits die Trage mit dem Patienten in den Krankenwagen, als der Notarzt seinen Kombi vor dem großen Wohnblock abstellt.
»Platz da, ich muss hier durch! Unmöglich, dieses Volk.« Er bahnt sich mit seinem Notfallkoffer den Weg durch die versammelten Anwohner und Passanten, die das Geschehen konzentriert verfolgen und teils mit Smartphones in Bildern und Videos dokumentieren.
»Leute, jetzt lasst doch mal das Kind durch.« Eine tätowierte Frau schiebt ein kleines Mädchen nach vorne in die erste Reihe.
»Eh«, beschwert sich ein Mann, der unsanft von ihr beiseitegestoßen wird, »wir wollen doch alle was sehen.«
Die Leute in den hinteren Reihen des Menschenauflaufs heben ihre Smartphones hoch und filmen über die Köpfe der vor ihnen stehenden Personen hinweg.
Der Notarzt erreicht kopfschüttelnd den Krankenwagen.
»Hallo, die Herren, was veranstaltet ihr denn hier, ein Volksfest? Fehlen nur noch ein Bierzelt und eine Imbissbude.« Er klettert in den Krankenwagen zu dem Patienten.
»Wir arbeiten dran«, verspricht der Fahrer des Rettungswagens.
»Wen habt ihr denn da schon wieder?« Der Arzt sieht sich das Gesicht des Mannes auf der Trage genauer an. »Das ist doch der Simulant von letzter Woche?«
»Wie man’s nimmt. Nachbarn haben ihn auf dem Boden hinter dem Hauseingang gefunden, er hat Sehstörungen, die Haare fallen ihm aus. Er ist kollabiert. Nach einer Show sieht mir das eher nicht aus«, antwortet einer der Sanitäter.
Der Arzt untersucht kurz die Pupillen und prüft die Haut auf Reizreaktionen. »War er ansprechbar?«
»Ja, aber er konnte nur kurz die Symptome beschreiben, danach hat er das Bewusstsein verloren. Sein Puls ist auch viel zu schnell.«
»Dann schließt ihn ans EKG an, lasst noch flott den Hut im Publikum herumgehen, und dann sofort ab ins nächste Krankenhaus.«
Mit Blaulicht und Sirenen scheucht der Krankenwagen beim Anfahren die Gaffer auseinander und rast im Eiltempo durch die Stadt. Die Rettungsassistenten versorgen den Patienten, während der Fahrer per Funk die angesteuerte Klinik über Ankunftszeit und Symptome informiert. An der Krankenhausrampe empfängt ein Notfallteam das Einsatzfahrzeug. Die Sanitäter ziehen die Bahre mit dem Patienten aus dem Wagen und übergeben ihn an das Krankenhauspersonal.
»Timo Brenner, 42 Jahre alt, Sehstörungen, Haarausfall, Herzrhythmusstörungen, ist vor Kurzem kollabiert. Wir hatten letzte Woche schon einen Einsatz bei ihm, da handelte es sich aber nur um eine Diarrhö und erhöhtes Schmerzempfinden. Außer der Darmgeschichte war nichts Pathologisches oder Organisches zu finden. Mehr liegt uns von seiner Krankengeschichte nicht vor.«
»Okay, dann wollen wir mal.« Der Arzt schaut sich den Patienten kurz an. »Sofort auf die Intensivstation mit ihm«, weist er eine Krankenschwester an: »Veranlassen Sie eine Untersuchung auf Thalliumvergiftung und besorgen Sie Eisenhexacyanoferrat als Medikation, ich komme gleich nach.«
Die Pflegekräfte schieben Timo Brenner eilends von der Rampe und verschwinden mit ihm im Aufzug. Der Arzt wählt eine Nummer auf seinem Smartphone.
»Ja, ich bin es. Das angekündigte Paket ist angekommen. Wir werden das jetzt ganz vorschriftsmäßig und professionell abwickeln, aber eure Spielchen