Freddy D.
Neun Sommer und ein leerer Winter
Autobiografischer Roman
© 2020 Freddy D.
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN | |
Paperback: | 978-3-347-06506-2 |
Hardcover: | 978-3-347-06507-9 |
e-Book: | 978-3-347-06508-6 |
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Inhalt
Wie alles begann
Der Schock
Neustart
Planen, vergleichen, realisieren
Einschläge
Das Ende?
Erkenntnisse
Wie alles begann
Kennengelernt haben wir uns – wie sollte es auch anders sein – im Internet. Bei einer der vielen Singlebörsen. Ein ideales Medium jemanden kennenzulernen für alle, die alleine nicht gerne etwas unternehmen, oder einfach zu wenig Zeit haben, sich neben Familie und Beruf noch auf die „körperliche“ Ausschau nach einem adäquaten Partner zu machen. Ich war schon mehrere Jahre dabei, hatte mich zwischenzeitlich abgemeldet, da letztendlich der Erfolg ausgeblieben war. Klar hatte ich mich mit einigen Frauen getroffen, aber bisher war es immer an irgendetwas gescheitert, und sei es an der Tatsache, dass ich in dieser Zeit alleinerziehender Vater zweier Jungs war, die ich elf Jahre lang alleine großgezogen habe, und ich des Öfteren den Satz hörte, „ach deine Buben sind bei dir?“, womit das Thema erledigt war. Seit März bin ich jetzt wieder angemeldet.
Und so erhalte ich eines Tages, im Sommer, die Zuschrift einer Dame, Helga. Natürlich unter einem Pseudonym. Mein Anzeigentext ist ihr angenehm aufgefallen:
Suche (= hätte gern) die Frau, die mich manchmal bremst, manchmal aufbaut und manchmal auffängt – eine, der es vielleicht genauso geht…. Mehrere Jahre habe ich meine beiden Jungs alleine großgezogen. Inzwischen sind sie aus dem Gröbsten raus, lassen mir mehr und mehr Freiraum. (Höchste!) Zeit, mal wieder (mehr) an mich zu denken. Welcher „Sie“ humorvoll und nachdenklich, unabhängig und anlehnungsbedürftig, romantisch und gefühlvoll, geht es vielleicht ähnlich?
Helga hat auch zwei Kinder, eine Tochter, die schon seit Jahren nicht mehr bei ihr wohnt und einen jüngeren Sohn, der studiert. Beruflich sind wir vom gleichen Fach, ich bin Techniker, sie Ingenieurin, Dipl.Ing. Maschinenbau, damals noch im Angestelltenverhältnis. Schwierig ist aus meiner Sicht die große Entfernung zwischen uns. Mir wäre es niemals eingefallen, eine Frau anzuschreiben, die zweihundert Kilometer entfernt wohnt, für Helga spielt das keine Rolle.
Wir haben gechattet, oft gechattet. Es hat sich schon ein klein wenig Vertrauen aufgebaut. Dann eines Tages der Schreck: Im ganzen Forum ist ihr Pseudonym nicht mehr zu finden, es ist gelöscht. Ich bin entsetzt, was ist geschehen? Ist ihr etwas zugestoßen? Hat sie einen anderen kennengelernt? Alles falsch. Es dauert nicht lange, da erhalte ich eine Zuschrift unter einem anderen Pseudonym. Von Helga! Geheuer ist mir das nicht. Aber, sie hat es mir plausibel erklärt: Sie hat sich beim Datingportal unter einem neuen Pseudonym wieder angemeldet, da die Zeit, die sie mit ihrem alten kostenlos surfen durfte, abgelaufen war. Mit ihrer schottisch-sparsamen Art bringe ich das damals noch nicht in Zusammenhang. Das Chatten geht weiter. Inzwischen haben wir beide Geburtstag gefeiert, zunächst ich, wie immer im großen Rahmen mit Freunden und Verwandten, einige Tage später Helga. Zusammen mit ihrer besten Freundin, Elke, ging sie Pizza essen. Wir entschließen uns, Telefonnummern und E-Mail-Adressen auszutauschen. Es soll ja schließlich weitergehen. Wir telefonieren oft zusammen, führen lange Gespräche. Und wir mailen. In der ersten Mail geht es um ein berufliches Problem, liegt ja auf der Hand, sich darüber auszutauschen, wenn beide vom gleichen Fach sind. Sie schreibt, ich hätte „wieder mal recht gehabt“, was mich natürlich sehr freut und auch ein klein wenig stolz macht.
Dann endlich ist es soweit. Wir treffen uns das erste Mal. Auf ihren Vorschlag hin in Neustadt, zentral zwischen unseren Wohnorten gelegen, wo ihr Sohn Dieter, zusammen mit seiner damaligen Freundin, eine kleine Studentenwohnung hat. Dort sehen wir uns das erste Mal. Helga erwartet mich mit ihrer Zwergschnauzerhündin Leni, ich übergebe ihr lachsfarbene Rosen aus meinem Garten, wir unterhalten uns ein wenig und beschließen dann, essen zu gehen. In einem kleinen Restaurant sitzen wir im Biergarten, Helga wählt geröstete Maultaschen, ich ein Rinderhüftsteak, dazu gibt’s zwei Tafelwasser und im Anschluss noch einen Kaffee und einen Cappuccino. Natürlich lade ich sie dazu ein. Anschließend möchte Helga nochmals in die kleine Wohnung. Hoppla, denke ich! Es bleibt bei diesem „hoppla“, wir verabschieden uns. Am nächsten Tag schickt sie mir eine Mail, mit einem Foto der Rosen, und freut sich darüber, wie gut sie sich, nach einigen Stunden in der Vase, wieder erholt haben.
Ein paar Tage später besucht sie mich, nachmittags, auf einen Kaffee. Diesmal ist ihr Afghanischer Windhund Cäsar mit dabei. Es herrscht eine angenehme Atmosphäre. Sie erzählt mir u.a., dass sie sich einen lang gehegten Wunsch erfüllen wolle, sie beabsichtigt, nächste Woche mit ihrem Sohn in die Niederlande zu fahren und ein wunderschönes weißes Cabrio mit roten Ledersitzen zu kaufen, dort sei es weitaus günstiger zu erwerben als bei uns. Sie verabschiedet sich und keine Stunde später klingelt das Telefon: Helga. Sie steht auf der Autobahn im Stau und nutzt diese Zeit, um mich zu fragen, wie ich mir mein Leben in den nächsten fünf bis zehn Jahren vorstellen würde. Kann ich ihr auf die Schnelle nicht beantworten …
Nach einigen weiteren Telefonaten lädt sie mich zu sich nach Hause ein. Aufgeregt und voller Vorfreude fahre ich zu ihr. Sie steht im Garten, an das Kellertreppengeländer gelehnt, so, als habe sie schon den ganzen Nachmittag auf mich gewartet. Ihr weißes Cabrio steht in der Garage. Ein wirklich edles Teil. Es ist herrliches Wetter, wir sitzen auf ihrer Terrasse, unterhalten uns angeregt, trinken Kaffee. Am Abend entschließen wir uns zum Essen in die nächste Stadt, Loden, zu fahren. In einer Tiefgarage parken wir das Auto, und als wir Richtung Altstadt gehen, berühren sich zum ersten Mal unsere Finger, dann unsere Hände … es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Wir essen in einem urigen Lokal und fahren anschließend wieder zu ihr, wo wir noch einen angenehmen Abend auf der Terrasse bei Rotwein und Kerzenschein verbringen.
Zum Übernachten hat sie mir das Gästezimmer hergerichtet, das ehemalige Kinderzimmer ihrer Tochter. Beim Gutenachtsagen frage ich sie, ob sie nicht ein wenig mit mir kuscheln wolle. Sie will, und so ziehen wir uns ins Gästezimmer zurück, kuscheln, bis, ja bis sie plötzlich aufsteht, wortlos verschwindet und kurz darauf zurückkommt. „Gut, wenn Mutter weiß, wo Junior seine Utensilien hat!“ Sie hat Kondome geholt! Wir sind beide, nach ziemlich langer Zeit der Enthaltsamkeit ausgehungert, aber im Umgang mit „Parisern“ leider – oder besser gesagt, zum Glück – überhaupt nicht geübt. Mit den Worten, „Scheiß auf das Kondom“, wirft sie es in hohem Bogen aus dem Bett, und, es geht auch ohne!
Nach einem ausgiebigen Frühstück, bei dem es an nichts fehlt, sogar an Blümchen hat sie gedacht, fahren wir am anderen Tag ins Allgäu. Natürlich mit ihrem neuen weißen Cabrio mit den roten Ledersitzen! Schon die Fahrt dahin ist ein Erlebnis, den Bergen immer näher zu kommen, diese Luft … es ist, als würden wir in Urlaub fahren. Und Helga ist eine hervorragende Autofahrerin. Ein Spaziergang ist angesagt, zu einem kleinen See. Von wegen Spaziergang! Hätte es werden können, wenn, ja wenn wir an einer Abzweigung nicht falsch weitergegangen wären. Und so wird aus einem geplanten kleinen Spaziergang eine regelrechte Gewalttour. Es geht steil bergauf, wenn wir denken, ab da oben muss es doch wieder bergab oder zumindest eben weitergehen, geht es wieder bergauf und wieder und wieder. Wir sind beide geschlaucht, es ist heiß. Leni gefällt’s. Endlich kommen wir zu einer bewirtschafteten Hütte, gerade noch rechtzeitig, um einem qualvollen Tod durch verdursten zu entkommen.